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Fátima Torres | Quinta Seis Marias

Fátima Torres (46) ist Biobäuerin auf Quinta Seis Marias. In diesem Jahr feiert sie mit ihren mittlerweile vier Angestellten und einem Auszubildenden das zehnjährige Bestehen auf ihrem sechs Hektar umfassenden bäuerlichen Grund und Boden in Sargaçal bei Lagos. ECO123 hat sie dort besucht und interviewt.


Eigentlich sollten Sie nach dem Betriebswirtschaftsstudium eine Firma in Lissabon managen. Sie wurden aber Steuerberaterin und dann Bäuerin. Warum?

Als mein Vater starb, habe ich den konventionellen bäuerlichen Betrieb übernommen und ihn auf organische Landwirtschaft umgestellt. Den führe ich mit Leib und Seele und die Stunden, die ich hier arbeite, in der Regel von sechs Uhr morgens bis Mitternacht, darf ich gar nicht zählen. Unsere Quinta das Seis Marias ist und bleibt ein Familienbetrieb.

Was bauen Sie gerade an?

Viele schöne Gemüsesorten, Salate, Früchte. Mittlerweile mehr als 80 verschiedene Produkte. Jeder Korb beinhaltet mindestens zehn verschiedene Gemüse und Früchte, egal ob im Winter oder im Sommer. Zehn kg von jedem etwas für 15 Euro und sechs Kilo für zehn Euro. Für Selbstabholer.

Wie sieht Ihr Vertriebskonzept aus? 

Die Körbe für die Direktkunden machen ungefähr fünf Prozent meines Vertriebs aus, der Direktverkauf im Hofladen circa zehn Prozent. Die Bioläden von Lagos bis Loulé machen circa 20 Prozent und auf dem Markt von Lagos verkaufe ich noch einmal rund 20 Prozent. Dann gibt es Bioläden in Lissabon und im Norden, die beliefere ich wöchentlich einmal direkt.

Da vergrößert sich aber ihr ökologischer Fußabdruck um ein vielfaches.

70 bis 80 Prozent meiner landwirtschaftlichen Produkte verkaufe ich an der Algarve. Jedes Mal, wenn ich den Norden beliefere, unsere Familie stammt ursprünglich aus Aveiro, nehme ich von dort auch wieder Produkte mit nach Süden, zum Beispiel Süßkartoffeln oder etwas, was wir an der Algarve saisonal gerade nicht anbauen. Diese Woche fehlen Kichererbsen und Bohnen an der Algarve, dafür haben wir Tomaten und Paprika. Wir ernten jetzt im Frühsommer jeden Tag noch Erdbeeren, Erbsen, Orangen, Zitronen, auch schon Gurken, Zwiebeln, Knoblauch, Kirschtomaten, Radieschen, Lauch, Blumenkohl, Rucola, verschiedene Salate, Avocado, Kartoffeln. Die Nesperas sind durch und nun kommen Aprikosen und Pfirsiche, dann die Weintrauben und Feigen. Mitten im Sommer ist Tomatenzeit, Paprika und das Sommergemüse. Am Ende des Sommers dann wieder die Kürbisse und durch den Winter hindurch wieder vermehrt Kohl und Brokkoli. Ich versuche den Fußabdruck so niedrig wie möglich zu halten, aber die Transporte kosten immer viel Energie und auch Geld.

Obwohl auf 8,1 % der landwirtschaftlichen Fläche Portugals* ökologischer Landbau betrieben wird, könnte es noch besser laufen. Wie denn?

Ich suche kompetentes ausgebildetes Personal und finde es nicht. Es kommen zusätzlich Hilfskräfte vielleicht zwei Mal die Woche für vier Stunden am Tag und zupfen Unkraut und helfen bei der Ernte. Dafür nehmen sie sich jeweils einen Korb voller Produkte mit nach Hause. Die wollen aber nicht angestellt werden. Was ich ungerecht finde ist, dass der großflächige konventionelle Megaanbau die ganzen Subventionen abfischt und wir kleinen Bio-Betriebe nichts bekommen. Ich habe in den zehn Jahren keine einzige Subvention erhalten und ich kämpfe jeden Tag dafür, gute und gesunde Produkte zu ernten und schnell zum Verbraucher zu bringen. Was uns immer mal wieder Schwierigkeiten bereitet, ist die perfekte Organisation zwischen Ernte, Waschen, der Verpackung und dem zeitgenauem Vertrieb. Denn es kommt sehr darauf an, dass z.B. die Salate am selben Tag nach der morgendlichen Ernte noch den Kunden erreichen. Auch das Verbraucherverhalten des Kunden ist schwierig. Ich muss zum Beispiel im Frühjahr und Sommer Äpfel aus Italien oder Südafrika dazukaufen. Der Kunde verlangt Äpfel, obwohl die Ernte, wie jeder weiß, immer im Herbst stattfindet. Das ist völlig verrückt. Man sollte nur das kaufen, was der Boden saisonal einem schenkt.

Sie dürfen ja keine Pestizide usw. benutzen. Was nehmen Sie stattdessen?

Nur im Extremfall Neemöl oder Kupfersulfat. In der Regel aber nehme ich nichts, denn die jeweiligen Pflanzen und Kräuter, die ich anbaue, sind so ausgesucht und angeordnet, dass sie sich ergänzen und miteinander harmonieren.

Wenn Sie einem jungen Menschen, der Bauer werden möchte, einen Tipp mit auf den Weg geben wollten, welcher wäre das?

Neben Landwirtschaft auch Wirtschaft zu studieren und sich dann einerseits sehr genau darüber Gedanken zu machen, was der Verbraucher benötigt. Das Produkt muss sich auch verkaufen lassen, sonst wird es weggeworfen. Hier an der Algarve fehlen z.B. Pfirsiche und die verschiedenen traditionellen Sorten Äpfel, aber auch das verarbeitende Handwerk unserer traditionellen Produkte wie Feigen, Oliven, Johannisbrot u.a. Andererseits müssen wir die Vielfalt der Samen und der Produkte bewahren, die uns die Natur schenkt.

Vielen Dank für das Gespräch.

*In Portugal wurden in 2013 genau 271.532 Hektar Land als ökologische Anbaufläche genutzt. Das ist doppelt so viel Fläche wie in ganz Russland für biologischen Landbau genutzt wird.

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