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In schlechten wie in guten Tagen

Oft wurde ich in den letzten 30 Jahren gefragt, wo ich denn herkomme, ergo, wo ich geboren wurde? Ist das so wichtig? Und falls ja, warum soll das so wichtig sein? Was leitet ein Mensch davon ab, ob jemand in Metz, Monchique oder Minden geboren wird? Reicht es nicht, daß wir Europäer sind? Und wenn die Frau in der Warteschlange hinter mir noch einmal fragt und ich ihr als Antwort zu verstehen gebe, dass ich aus Monchique komme, hilft ihr das weiter? Inwiefern? Erklärt es ihr den Menschen in mir? Wenn sie den Kopf schüttelt, lächelt und ich ihr ansehe, daß sie mir meine Antwort nicht abnimmt.

Die europäische Idee wankt durch die Covid-19 Pandemie. Die Solidarität zwischen unseren Ländern in Europa scheint es nur in guten Tagen zu geben. Aber wir können das ändern. Wollen wir heute noch einmal so mutig sein wie die alten Amerikaner, die hauptsächlich aus England, Deutschland, Frankreich, Portugal und Irland stammten? Wir könnten das Ruder herumreißen und uns endlich eine eigene Europäische Verfassung geben. Lachen Sie nicht und schenken Sie bitte den Verschwörungsmythen weniger Aufmerksamkeit. Denn über sie vergessen wir, was uns eint. Ich denke an etwas viel Weitergehendes. Wir könnten heute neu über unsere Gesellschaft entscheiden – nicht wie sie ist, sondern so, wie wir sie uns wünschen.Vielleicht zum ersten Mal in der Geschichte der modernen Staaten haben wir gesehen, dass die Politik alles ermöglichen kann. Nie wieder wird deshalb ein Politiker zu einer jungen Frau sagen können, Klimaschutzmaßnahmen seien nicht zu verwirklichen, weil sie zu teuer sind, zu kompliziert oder weil sie die Gesellschaft zu sehr einschränken. Wir können offenbar alles, wenn Gefahr droht. Das haben wir jetzt gelernt. Und warum sollten wir die Lehren nicht ins Positive wenden?

© Uwe Heitkamp

Warum sollte zum Beispiel nicht jedem europäischen Bürger das Recht zuerkannt werden, dass seine Daten ausschließlich ihm selbst und keinem anderen – keinem Unternehmen, keiner Organisation und keinem Staat – gehören? Warum sollten wir nicht einen echten Anspruch der Menschen auf eine intakte Umwelt festschreiben?

Und warum sollten wir nicht endlich ein für alle Mal festlegen, dass wirtschaftliche Interessen stets und an jedem Ort in dieser Welt hinter den universalen Menschenrechten zurücktreten müssen? Ist das naiv? Vielleicht. Aber wir haben gesehen, wozu unsere Länder in der Lage sind, wenn es darauf ankommt. Und solche Forderungen einer Europäischen Verfassung sind tatsächlich nicht weniger utopisch als 1776 in Amerika zu erklären, jeder Mensch habe ab sofort das Recht auf Leben, auf Freiheit und darauf, nach Glück zu streben.

Genau jetzt ist der richtige Zeitpunkt. Ist das nicht die eigentliche Aufgabe unserer Zeit? Würden wir damit nicht – nach der Barbarei des letzten Jahrhunderts – späteren Generationen etwas Strahlendes und Glückliches hinterlassen? Aus jeder Katastrophe erwächst etwas Neues. Hier in der westlichen Welt haben wir geglaubt, wir seien sicher. Unsere Welt sei sicher, der Staat, die Wirtschaft, die Kultur. Natürlich, es gab Kriege, Hunger, Elend, Finanzkrisen, Terrorismus, Diktatoren und andere Greueltaten. Aber im Großen und Ganzen lebten wir doch in einer behüteten Welt. Jedes Jahr erschien ein neues iPhone, die Läden waren voller Waren, die Zeitungen kritisch, Albernheiten konnten Politik, Fernsehen und Menschen Wochen beschäftigen – unsere Demokratien schienen gefestigt. Uns schützten modernes Recht und ordentlich funktionierende Gerichte.

Unsere Rechte sind verbrieft vom Parlament, der frei gewählten Vertretung des Volkes, und jede Pflicht genau begrenzt. Die Regierung hat die Wahl zwischen Sicherheit und Freiheit. Jeder wußte bis zum 17. März 2020, wieviel er besaß oder wieviel ihm zukam, was erlaubt und was verboten war. Alles hatte seine Norm, sein bestimmtes Maß und Gewicht. Und dann plötzlich: Nichts stimmt mehr. Das, was wir für den sicheren Grund hielten, ist weggebrochen. Im Moment empfinden wir noch, trotz räumlicher Distanzierung, eine größere Nähe zueinander. Es wird deutlich, wie sehr wir aufeinander angewiesen sind. Unsere Welt begreifen wir im Moment als winzigen Planeten, als diesen kleinen blassblauen Punkt, der durch das All treibt. Wir müssen zusammenhalten. Laßt uns für ein bedingungsloses Grundgehalt in ganz Europa eintreten (siehe unsere Buchrezension auf Seite 74). Damit überstünden wir jeden Ausnahmezustand.

Das Virus hat uns an eine Zeitenwende gebracht. Alles, so wird uns klar, ist möglich. Wir Menschen werden auf eine Probe gestellt. Sehen wir uns als Maschine, die funktioniert und die Welt beherrschen möchte oder sind wir nur ein Teil von allem und leben in einem komplexen intelligenten Raum, den wir noch nicht verstehen und gedankenlos zerstören. Wirkliches Wissen entsteht nicht nur durch das Lesen von Büchern, sondern durch Beobachtung der Wirklichkeit. Dafür brauchen wir Menschen ein Fundament, eine gemeinsame europäische Verfassung. Dann ist es egal, in welchem Land wir geboren werden. Aussuchen können wir es uns bei der Geburt sowieso nicht. Heute ist einer Feiertag in Portugal, der 25. April, ein besonderer Tag. Ich treffe mich mit einem Juristen zu einem Spaziergang in Monchique. Wir befinden uns in Bemparece. Meiner Einladung ist ein ganz besonderer Interviewpartner gefolgt. Sein Name ist Rui Amores.

Ich hörte, dass Ihre Mutter aus Monchique kommt. Stimmt das?

Obwohl sie einen großen Teil ihres Lebens in Portimão verbracht hat, liegen ihre Wurzeln in Monchique. Mein Großvater war aus Pereirinhas und kam hierher, um aus den Früchten des Erdbeerbaums Medronho zu brennen und Brunnen anzulegen.

Ihr Vater kommt aus Portimão?

Ja, aus der Gemeinde Alvor.

Aber Sie sind in Deutschland geboren.

So wie viele Portugiesen, sind meine Eltern in den sechziger Jahren ausgewandert und lebten fast sieben Jahre lang in Deutschland, wo ich 1972 geboren bin.

Wir können uns nicht aussuchen, wo wir geboren werden – nicht wahr?

Und auch nicht wo wir sterben… Sechs Monate nach meiner Geburt kehrten meine Eltern nach Portugal zurück.

Und wie kamen Sie zu den Rechtswissenschaften und Ihrem Beruf als Anwalt?

© Uwe Heitkamp

Das war schon ein Wunsch in der Sekundarstufe, weshalb ich mich auch nie für einen anderen Studiengang interessiert habe. Richter wollte ich nie werden (lacht), weil ich dachte, als Rechtsanwalt nützlicher sein zu können. Ich habe in Lissabon studiert, machte anschließend ein Praktikum und begann dann meine berufliche Laufbahn.

Und warum nicht Arzt oder Journalist?

Das portugiesische Bildungssystem schränkt unsere Möglichkeiten etwas ein, da wir uns schon früh für eine bestimmte Richtung entscheiden müssen. Meine Wahl fiel auf die Geisteswissenschaften, die bei jungen Menschen sehr beliebt sind.

Wie kamen Sie zum Umweltrecht?

Mit der Geburt meiner Tochter und der wachsenden Sensibilisierung für unser Fehlverhalten. Mein juristisches Interesse in Bezug auf die Umwelt wurde durch die in der Algarve entstandene PALP (Plattform für eine ölfreie Algarve) geweckt, auf die mich ein Kollege aus Lissabon aufmerksam gemacht hatte. Umweltsünden, die sich auf den unterschiedlichsten Gebieten wiederholen und große Unternehmen, die eine rein wirtschaftliche Sichtweise unter völliger Missachtung der Einwohner an den Tag legen, haben dazu geführt, dass ich mich immer mehr mit dem Umweltrecht beschäftigte.

Ihre Klientel gehört nicht zu den 43 Milliardären, die die Hälfte des Vermögens dieser Welt besitzen.
Sie vertreten Bürgerinitiativen, die sich mit der Umweltzerstörung befassen.

Ich schwimme gegen den Strom oder vielleicht auch nicht, wenn ich mir ansehe, was heute im Vergleich zu vor fünf Jahren passiert. Ich spreche von wachsendem Bewusstsein und der Bereitschaft der Menschen sich zu organisieren, die dann in einer bestimmten Phase Rechtsbeistand benötigen. Wir können in diesem Zusammenhang auch über die Gewächshäuser im Südwesten des Alentejo sprechen oder den Bau einer Brücke in Tavira mitten im Naturschutzgebiet. Daß Bürger hier Rechtsbeistand benötigen, lässt mich glauben, dass ich vielleicht doch nicht gegen den Strom schwimme (lacht). Ich vertrete auch unabhängige Bürgergruppen, das müssen keine Vereine sein, wie zum Beispiel in Setúbal.

Gibt es Raum für Gefühle bei Ihrer Arbeit oder bewahren Sie immer einen kühlen Kopf?

Wenn ich anfange zu arbeiten und dann die Darlegung meiner Ergebnisse vorbereite, spielen Gefühle keine Rolle. Ich vertrete natürlich meine Ansichten, die ich manchmal in sozialen Medien oder in Zeitungsartikeln wie beispielsweise im „Barlavento“ veröffentliche. Es kommt auch ab und zu vor, dass ich empfehle einen bestimmten Weg nicht zu gehen, weil eine andere Vorgehensweise verfahrenstechnisch gesehen besser ist, auch wenn die Leute das hin und wieder nicht verstehen.

© Uwe Heitkamp

Was ist  Gerechtigkeit?

Das ist eine sehr komplizierte Frage. Und das am 25. April zu fragen, macht es noch komplizierter (lacht). Bei Gerechtigkeit denkt man immer an das Gute und manchmal entspricht das nicht dem, was im Gesetz steht. Das ist erstaunlich, oder? Der Dominikaner Thomas von Aquin sprach bereits im Mittelalter über ungerechte Gesetze. Wir müssen uns bewusst sein, dass Gerechtigkeit möglicherweise nicht genau dem entspricht, was ein Gesetzgeber einmal zu Papier gebracht hat. Jeden Tag sind wir mit Umweltgesetzen konfrontiert, die nicht erlassen werden, um die Umwelt zu schützen – das wäre Gerechtigkeit – sondern zum Schutz bestimmter etablierter Interessen. Und von Ungerechtigkeit sind viele Menschen betroffen. Gerechtigkeit ist im Allgemeinen die Idee, jederzeit Gutes zu tun, und dies muss im Gesetz verankert sein. Oft geschieht das aber nicht, weshalb ich mit den Gesetzen nicht immer ganz zufrieden bin.

Der Mensch und alles was auf unserem Planeten wächst, braucht Wasser, Boden und Luft. Stimmen Sie zu, dass es notwendig ist, eine andere Definition von Eigentum zu schaffen – einen dritten Weg, der festlegt: Dies ist geschützt, hier darf niemand Ressourcen abbauen, Wasser entnehmen, nach Öl bohren oder Monokulturen anpflanzen?

Diese Gesetze gibt es doch. Das Problem ist, dass sie nicht angewendet werden. Seit einigen Jahren wird auf europäischer Ebene eine Rechtsstruktur aufgebaut mit dem Ziel, genau diese Werte, Land, Luft und Wasser zu schützen.

Wem gehören Arktis und Antarktis? Brauchen sie einen Besitzer?

Es gibt mehrere Besitzer. Da muss man nicht lange suchen.

Und wie ist es mit dem Meer und den Ozeanen? Fangen wir Fische bis es keine mehr gibt…

Es gibt doch Gesetze zum Schutz der Meere, auch in Portugal sind viele Meeresgebiete geschützt. Als das Thema Erdöl in Aljezur aktuell wurde, war noch kein bestimmtes Gebiet ausgewiesen und es wurden die gesetzlichen Möglichkeiten (hier in unredlicher Weise) genutzt, um Zeit zu gewinnen, damit die Suche nach Erdöl fortgesetzt werden konnte. Erst als sich diese schon in einem fortgeschrittenen Stadium befand, wurde das Gebiet als geschütztes Meeresgebiet eingestuft. Wer darüber zu entscheiden hatte, wusste, dass nach der Klassifizierung keine Suche nach Öl mehr möglich sei würde.

Ich gebe Ihnen ein anderes skandalöses Beispiel. Im Südwesten des Alentejo, an der Costa Vicentina, haben wir eine Fläche von 12.000 Hektar Land, die laut Gesetzgeber für ökologische Landwirtschaft oder solche mit möglichst geringen Auswirkungen für die Umwelt genutzt werden darf. Die Behörden überwachen jedoch nicht, ob die Gesetze zum Schutz dieses Gebiets eingehalten werden.

Kann ich ein Stück Land kaufen und einfach so ein Hotel dort bauen?

Solange das Grundstück eine Baugenehmigung hat, können Sie bauen. Danach müssen Sie bei verschiedenen Behörden eine Lizenz für das Hotel einholen. Aber wenn Sie ein Hotel am Meer bauen möchten, ist es schwieriger (lacht) …

Darf ich auch landwirtschaftliche Monokulturen anlegen?

Das allerdings dürfen Sie…

…aber nicht in Glas- nur in Plastikgewächshäusern.

Das ist ein sehr interessantes Thema. Wir glauben, dass die Landwirtschaft nur geringe Auswirkungen auf die Umwelt hat. Da täuschen wir uns schwer. Aufgrund der Art und Weise ihrer Durchführung gehört die Landwirtschaft zu den Aktivitäten, die den größten Einfluss haben. Um ein Einfamilienhaus zu bauen, brauche ich heute mehrere Genehmigungen und muss mich, je nach Standort, mit dem Rathaus und der Behörde für  Landwirtschaft und Naturschutz in Verbindung setzen. Aber um Landwirtschaft zu betreiben, wenn sie innerhalb bestimmter Grenzen liegt (50 Hektar in einem Schutzgebiet, 100 Hektar außerhalb eines solchen), brauche ich weder eine Umweltverträglichkeitsprüfung noch eine Genehmigung.

Und ich kann Pestizide, Herbizide, Fungizide, chemische Düngemittel, Kunststoffkonstruktionen … einsetzen usw.?

Seltsamerweise ist das so. Ja. Die Verwendung des berühmten Glyphosats ist beispielsweise im öffentlichen Raum verboten. In Parks und Schulen sind bei seiner Anwendung eine Reihe von Regeln zu befolgen. In der Landwirtschaft müssen jedoch nur bestimmte Grenzwerte eingehalten werden, die keiner Kontrolle unterliegen.

© Uwe Heitkamp

Haben Sie eine Idee, wie wir dieses Problem lösen können?

Hier müssen die Bürger aktiv werden. Das Bewusstsein, dass die Dinge nicht gut laufen, ist bereits vorhanden – das ist sehr wichtig. Vor zehn Jahren war dem noch nicht so, aber unser Land unterliegt heute einer wesentlich höheren Belastung. Die Algarve ist ein klares Beispiel dafür, sie ist ein sehr gefragtes Gebiet, das nicht nur im Landesinneren für land- und forstwirtschaftliche Aktivitäten genutzt wird, sondern deren Küste auch für Baugewerbe und Tourismus von großem Interesse ist.

Immer mehr Menschen sind davon überzeugt, dass die Gewächshäuser im Südwesten dieser Attraktivität abträglich sind. Wir müssen jetzt handeln. Unser Problem dabei ist jedoch, dass jeder, der diese für die Umwelt äußerst schädlichen Projekte vorantreiben möchte, immer viel schneller ist.

Es existiert zwar ein gemeinsames Dokument, das von allen Bürgermeistern unterzeichnet wurde, aber trotzdem hat bisher noch keine Gemeinde etwas verhindert, da es sich beim Kauf und Verkauf landwirtschaftlicher Flächen um ein Privatgeschäft handelt. Auf diese Weise können die Unternehmen ihre landwirtschaftlichen Aktivitäten – solange diese gewisse Grenzen nicht überschreiten – sofort umsetzen. Dabei und auch bei der Einstellung von Saisonarbeitern zur Erntehilfe werden sie von der Regierung unterstützt.

Kommen wir zum Thema Sklavenarbeit.

Arbeiter aus Nepal, Indien, Pakistan…,

In São Teotónio leben und arbeiten jetzt mehr Ausländer als Einheimische.

© Uwe Heitkamp

Genau. Und das verursacht ein großes Problem. Das war auch schon so vor der Pandemie. Es gibt aktuell sogar Beschwerden darüber, dass Häuser – die für drei bis vier Personen ausgelegt sind – an bis zu dreißig Arbeiter untervermietet werden. Dies führt zu großen Komplikationen im sozialen Bereich, bei Fragen der Gesundheit und Hygiene und bei den Arbeitsbedingungen…

Hilft es vielleicht, Schach zu spielen, um diesen Wahnsinn zu verstehen und Lösungen zu finden? Welche Hobbies haben Sie?

Viel lesen, diskutieren … Bedauerlicher Weise sind meine Kollegen, mit denen ich über diese Dinge sprechen kann, alle weit weg. Vielleicht bin ich unfair, aber hier an der Algarve hat bisher leider noch niemand gesagt: Gut, ich werde als Anwalt alles andere aufgeben und versuchen, mich nur noch diesem Themenbereich zu widmen. Ich habe meine Familie, meine Tochter und Schach spiele ich gern, wenn mir auch die Übung fehlt.

Gibt es jemanden, den Sie gern verteidigen würden?

Was ich jetzt sage, könnte vielleicht Probleme verursachen. Das gesprochene Wort hat weniger Einfluss als das geschriebene. Einer der Gründe, weshalb ich versucht habe, etwas von meinem ursprünglichen Tätigkeitsbereich als Rechtsanwalt abzuweichen liegt darin, dass ich lieber Grundsätze als Personen verteidige. Alles andere hat natürlich auch seinen Wert und seinen berechtigten Platz im Gesetz, aber es gibt eben eine Reihe von Dingen, die jetzt schnell erledigt werden müssen. Und Juristen haben hier eine große Verantwortung bei der Beratung der Personengruppen, die auf die Probleme hinweisen, sich aber später mit rechtlichen Aspekten auseinandersetzen müssen, die immer sehr komplex sind.

Dieses Rechtsgebiet ist jedoch nicht nur sehr vielschichtig, sondern auch weniger rentabel als andere, weshalb viele Fachleute davon Abstand nehmen. Es handelt sich dabei aber für uns und auch für unsere Kinder um ein die Strukturen unserer Lebensgrundlagen betreffendes Thema und ist eine Voraussetzung, die Dinge zu ändern. Mehrere Personen haben sich zusammengeschlossen und bauen Wassertanks, zur Unterstützung der Gemeinde bei zukünftigen Waldbränden. Das ist sehr wichtig, aber es gibt auch viele damit verbundene Rechts- und Verwaltungsvorschriften.

Gestaltet sich Ihr Leben kompliziert?

Nein, mein Leben ist wunderbar und das meine ich nicht ironisch, ich bin ganz ehrlich. Manchmal können uns auch Kleinigkeiten sehr nahe gehen. Drohungen habe ich nie bekommen, ab und zu bin ich genervt von Kommentaren in sogenannten sozialen Netzwerken, auch gegen Familienmitglieder und die sich auf meine Tätigkeit beziehen. Die Maßnahmen zur Verteidigung der Bürgerrechte ergreife ich in Ausübung meines Berufs als Anwalt, die Strafanzeige bezüglich des Abrisses einer der letzten symbolträchtigen Villen in Praia da Rocha – etwas völlig Illegales – hat mich doch ganz schön unter Druck gesetzt und es gab einige weniger angenehme Posts…

Letzte Frage: Wird unser Leben nach der Covid-19-Pandemie schwieriger oder einfacher?

Aus wirtschaftlicher Sicht wird es sehr, sehr kompliziert werden. In anderen Bereichen wird es sich interessanterweise durchaus positiv entwickeln.

Ich gehöre zu denen, die der Meinung sind, dass uns dieses Virus  noch lange beschäftigen wird, denn in Portugal können wir etwas Seltsames beobachten: die Statistik weist immer wieder die gleiche Anzahl von Neuinfektionen und Todesfällen aus, was bedeutet, dass die Kurve nicht abfällt, sondern auf demselben Niveau bleibt, was noch sehr lange anhalten kann. Je länger es aber dauert, desto schlimmer wird es sein.

Aber das hat auch etwas Gutes, zum Beispiel denken wir weiter über Arbeitsbedingungen, Konsumverhalten und unsere Abhängigkeit von anderen Ländern nach. Kurzfristig – innerhalb von ein bis zwei Jahren – werden wir es mit schwierigen Auswirkungen zu tun haben, die bereits jetzt schon spürbar sind.

Das ist wie der “Heilungsprozess” bei Krebs.

Ja, wenn die Krankheit sich lange hinzieht, kann sie auch wie eine Therapie wirken. Geht sie aber schnell vorbei, fallen die Menschen in ihre alten Verhaltensmuster zurück und es wird sich wenig ändern. Wie bei allen Heilungsprozessen ist das mit Schmerz und Leid verbunden. Wenn der Schmerz schnell vergeht, gerät er auch schnell in Vergessenheit, ist er aber stark, prägt er sich ein und führt zur Änderung alter Gewohnheiten. Wir alle passen uns derzeit – unter mehr oder weniger großen Schwierigkeiten – an die Situation an und müssen lernen, anders zu leben. Denn es wird auch zu weiteren Pandemien kommen.

Danke.

Uwe Heitkamp

traduções: Fernando Medronho & John Elliot | fotografias: Uwe Heitkamp

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