Mehrere Jahre Arbeit stecken in diesem Film. Sie wirkt erschöpft. So warten wir einige Wochen auf das Interview. Unserem sehr persönlichen Gespräch gehen mehrere rege Gedankenwechsel auf unseren Mobiltelefonen voraus. Warum wollt ihr mich eigentlich filmen, fragt BJ Boulter in einer ihrer Kurznachrichten? Die Antwort, dass ganz bestimmte Zeugen der Zeitgeschichte sich ihren Platz in unserer Ahnengalerie verdient haben, überzeugt sie zwar nicht, sie stimmt aber trotzdem zu. Letztendlich treffen wir La Grande Dame do Filme auf ihrer Quinta de Ochalá in Estombar bei Lagoa. Nahe der Miniaturausgabe ihres geliebten Victoria Sees stehen ein Tisch und drei Stühle. In dem einen hat sie es sich bequem gemacht, die anderen beiden hat sie für uns freigehalten. Ein Maulbeerbaum beschattet die Szene. Dann beginnt es zu regnen.
BJ wäre nicht Profi genug, würde sie nicht genau in diesem Augenblick einen übergroßen Sonnenschirm aufspannen und diesen zwischen Tisch und Kamera schieben. So bleibt unser kleiner Set relativ trocken. Wir machen eine Sprechprobe und unterhalten uns vorab ein wenig über den von ihr produzierten und von ihrem Sohn realisierten ersten Spielfilm, der an der Algarve gedreht wurde und in diesem Jahr in die Kinos kam. Ein paar Tage zuvor hatten BJ und das Filmteam zur Premiere ins Teatro das Figuras nach Faro eingeladen. Vor ausverkauftem Haus (800 Sitzplätze) gab es stehend Ovationen und eine lange Party bis in die Morgenstunden.
Wir interessieren uns eher für die Hintergründe des Glamour-Geschäfts mit dem roten Teppich: für die Ökonomie des Films. Denn Film ist Medium und junge Kunst zugleich, technisches Zusammenspiel von Bild und Ton; vor allem aber die Vereinigung aller antiken Künste von Roman und Erzählung über Musik und Tanz, von Malerei, Fotografie und Bildhauerei bis zu Architektur und Design. Denn beginnt das Drehbuch Gestalt anzunehmen, gewinnt parallel dazu der kommerzielle Aspekt der Filmkunst Konturen. Regisseur und Produzent müssen sich Gedanken über die Produktion und das Budget für die Umsetzung eines Drehbuches machen: über Kameraausrüstung und Drehtage, Honorare für Schauspieler, Kosten für Studioarbeiten. Die Liste der Kosten ist lang und mit jedem Tag wird sie länger.
Damit stellt sich die Frage, ob die Kunst, Fantasie und Geduld, Finanzmittel für ein Filmprojekt einzutreiben, nicht viel zu oft unterbewertet werden. ECO123 fragte die Produzentin BJ Boulter, ob sich ihre langjährigen filmischen Afrika-Erfahrungen als Vorteil erwiesen haben:
ECO123: Wir möchten damit beginnen, über Afrika zu sprechen: der Heimat Ihrer Seele.
BJ Boulter: Richtig, das ist Afrika für mich.
BJ steht für Barbara Jane?
Ja, genau.
Wo sind Sie geboren, Barbara Jane?
Ich kam in England zur Welt.
Was hat Sie nach Afrika verschlagen?
Als ich noch ein Baby war, nahm meine Mutter mich mit aufs Schiff nach Tansania zu meinem Vater.
Wann sind Sie an die Algarve gekommen?
Im Jahr 1962 – um hier mit meinen Eltern zusammenzuleben.
Was hat sich an der Algarve seitdem verändert?
Ich würde sagen, die Lebenseinstellung. Die Sichtweise hat sich verändert.
Inwiefern?
Ich denke, die Menschen sind weniger zufrieden, als sie es waren.
Das bringt uns auf den Punkt. Geld. Was bedeutet Geld für Sie?
Geld… Für mich ist es ein Mittel zum Zweck. Wenn Sie ein Auto haben wollen, brauchen Sie Geld, um eins zu kaufen. Wenn Sie irgendwohin reisen möchten, brauchen Sie Geld, um ein Ticket zu kaufen.
Und ein Film?
Ja, um einen Film zu machen, braucht man Geld. In unserem Fall bedeutete das: um den Film zu drehen, stellten wir einen Finanzierungsplan auf. Und dann überlegten wir, bis zu welchem Anteil wir das Budget reduzieren können durch die Inanspruchnahme von Waren und Dienstleistungen, die uns angeboten wurden, durch Mittel und unentgeltliche oder vergünstigte Mitarbeit unserer Crewmitglieder oder wie auch immer. Und wir beschlossen, es auch mit Crowdfunding zu probieren. Das war damals neu für mich. Ich holte mir sofort Informationen dazu aus dem Internet.
Wir machen eine kurze Gesprächspause. Die Frösche quaken. Die Sonne ist zurück. BJ Boulter erzählt davon, wie sie Mitte der achtziger Jahre zum Filmbusiness kam. Sie begann Drehorte für Werbefilme in Ostafrika auszusuchen, auch Filmkulissen, Kostüm- und Bühnenbilder. Sie arbeitete in Hongkong und Australien. Szenen, die sie damals in ihr Notizbuch zeichnete und dann per Fax nach London zur Genehmigung einschickte. Es war die Zeit, in der Telefongespräche noch ziemlich teuer waren und Satellitentelefone noch nicht existierten. Und es war dieses einzigartige Licht, was sie an Afrika faszinierte und dort zur Malerei inspirierte. Licht ist dieses einzigartige Naturell, was auch die Algarve zu einem der attraktivsten Drehorte Europas macht. Seit mehr als einem halben Jahrhundert lebt BJ Boulter hier.
Unsere Frage, wie viel der 93-minütige zweisprachige Film The Right Juice (portugiesischer Titel „A Alma Certa“) denn nun gekostet habe, scheint BJ Boulter mehrfach zu überhören. Sie habe nicht alle Zahlen im Kopf, behauptet sie. Doch wer sie kennt, weiß genau, dass das nicht stimmt. Dabei ist sie voll des Lobes für alle jene, die ehrenamtlich am Projekt mitgewirkt haben. Letztendlich aber verrät sie uns doch, dass 75.000 Euro an aktiven Finanzmitteln für den Spielfilm zusammenkamen und noch einmal die gleiche Summe in Sachleistungen: ein Low Budget Film, der über den Lusomundo Vertrieb dieses Jahr in die Kinos kam und nun als DVD im Handel ist.
Eines Tages beschlossen Sie, Ihren ersten Film zu drehen.
(Lacht) Ja, aber eigentlich war ich mein ganzes Leben lang im Filmgeschäft tätig. Ich begann als Designer, erst nur für Kostüme und dann für Drehorte. Und ich entwarf viele Jahr lang Filmsets in Studios und an Orten auf der ganzen Welt. Allmählich wurde ich zu einem Line Producer. Das ist derjenige, der an einem bestimmten Ort auf der anderen Seite der Welt alles Notwendige für die bevorstehenden Filmaufnahmen organisiert.
Ich habe einen Sohn, der schon immer einen Spielfilm machen wollte. Er war noch nicht ganz vierzig, als wir eines Tages über Filme sprachen, hauptsächlich über Afrika, wo es ein Vermögen kostet, zu drehen. Drehbücher und verschiedene Ideen. Er hatte zu diesem Zeitpunkt jeden Job in dem Beruf getan. Er hat wohl als Set-Runner begonnen, aber dann auch in Kameraführung und Spezialeffekte gearbeitet. Er hat Filme bearbeitet, er hat alles getan, zuerst als Filmassistent, all die ganzen Jobs. Vor etwa einem Jahrzehnt entschied er, dass er Regisseur werden wollte. So führte er also Regie; Werbespots, Kurzfilme und Dokumentationen. Und das brachte ihn dazu, von einem eigenen Film zu träumen. Eines schönen Oktobertages aßen wir mit meinem Schwager und meiner Schwester zu Mittag in Silves, als Christjan plötzlich sagte “Wisst ihr was? HIER ist der beste Ort, um einen Film zu machen. Wir kennen ihn. Wir lieben ihn. Er hat das richtige Licht, er hat die Menschen, er hat die Geschichten. Hier gibt es alles, was wir brauchen, um einen Film zu drehen. Und da wir dafür kein Geld haben, bitten wir einfach die Leute, uns zu helfen.”
Würden Sie dieses Filmprojekt mit dem Wort „sensationell“ beschreiben?
Sensationell – das ist ein gutes Wort, denn genau so war es. Die größte Begeisterung kam von den Menschen, die helfen wollten. Das war einmalig.
Was werden Sie nach dieser Erfahrung in Zukunft anders machen?
Anders in Bezug auf das Filmdrehen?
Ja.
Ich würde nicht wieder versuchen, ohne Geld zu drehen. Man verstrickt sich zu viel. Man muss an zu viele Sachen auf einmal denken. Man kann nicht einfach nur in Ruhe und bis zur eigenen Zufriedenstellung am Film arbeiten. Man hat so viele verschiedene Dinge auf einmal zu tun. Für diesen Film mussten sich viele von uns mehrere Jobs unter sich aufteilen. Und wir mussten sehr hart arbeiten, um das alles zu bewältigen. Und das nur, weil es uns einfach an Geld fehlte.
P.S.: Ein nicht unbeträchtlicher Teil der € 75.000 des Filmbudgets von „The Right Juice“ kamen über Crowdfunding und 30 lokale Sponsoren zustande.