António Sá da Costa, Präsident der in Lissabon ansässigen Portugiesischen Gesellschaft für Erneuerbare Energien (APREN) empfing ECO123 zu einem Interview. Das faszinierende Gespräch erstreckte sich flüssig vom portugiesischen Stand der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen bis zu den Erwartungen für die Zukunft über eine weitere Vielzahl von Themen. Dies zeigt die bemerkenswerte kommunikative Fähigkeit und die Leidenschaft eines Mannes, der sich als “Marathonläufer” für erneuerbare Energien in Portugal begreift.
ECO123: Wie hoch ist der aktuelle Anteil der erneuerbaren Energiequellen bei der nationalen Stromproduktion?
ASC: Heute kommen schon mehr als 50% der Energie aus erneuerbaren Quellen, mit steigender Tendenz. Das anvisierte Ziel für 2020 liegt bei 60%, wofür noch einige Anstrengungen erforderlich sind. Und für das Jahr 2030 hat die vorherige Regierung in Brüssel bereits das Ziel verkündet, dass 40% des Gesamtenergieverbrauchs aus erneuerbarer Energie stammen soll. Der Energieverbrauch wird in drei Sektoren eingeteilt: Strom, Transport und Heizung bzw. Kühlung, wie es zum Beispiel in Fabriken und Wohnhäusern gefragt ist. Damit die 40% erreicht werden, muss der Stromsektor bis zum Jahr 2030 auf einen Anteil von 75% bis 85% aus erneuerbaren Energien kommen, um die beiden übrigen Sektoren zu kompensieren. Solange erneuerbare Energien auf dem Markt noch keine große Rolle spielen, ist ihr Einfluss auf die Preiszusammensetzung gering. Sobald jedoch dieser Anteil steigt, macht sich das auch im Preis bemerkbar. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass Strom ein undifferenziertes Produkt ist.
Es gibt keinen Strom von guter oder schlechter Qualität.
Die Qualität ist immer gut. Der Unterschied liegt im Preis. Man mag bereit sein, 5-10% mehr zu bezahlen, aber niemand wird doppelt bis dreimal so viel bezahlen wollen, nur weil der Strom aus erneuerbaren Quellen stammt. Der Verbrauch von Strom, von Energie, wächst nicht exponentiell. Der Stromverbrauch sinkt zum Beispiel durch den Einsatz effizienterer Haushaltsgeräte, duch LED-Lampen und mehr Achtsamkeit.
Achten die Menschen auf ihren Verbrauch?
Einige sind darum bemüht, ihren Verbrauch zu kontrollieren, andere nicht. Auf der anderen Seite gibt es Dinge, die den Verbrauch erhöhen. Ich gebe Ihnen zwei Beispiele. Wir benutzen in unserem Tagesablauf immer mehr elektronische Geräte, die es in der Vergangenheit nicht gegeben hat. Ich spreche insbesondere von der Informationstechnologie: die Rechen- und Speicherzentren brauchen Strom, nicht aber Kohle, Erdöl oder Erdgas. Das sind Verbraucher, die es früher nicht gab und die erst kürzlich ins Leben gerufen wurde. Wenn jemand in seinem Haus eine Klimaanlage oder Mikrowelle benutzt, benötigt er dazu Strom. Und dann gibt es noch die Stromverbraucher, die andere Geräte ersetzen, z.B., wenn ein Gasherd durch einen Induktionsherd ersetzt wird, der zwar energetisch effizienter ist, aber den Haushalt zunehmend von Strom abhängig macht. Wenn jemand seinen erdölverbrauchenden PKW durch ein Elektromobil ersetzt, benötigt er keinen fossilen Brennstoff mehr. Diese beiden Aspekte, neue Einsatzgebiete für elektrische Energie und der Transportsektor, führen zu einem zunehmenden Strombedarf. In der Folge sinkt auf der einen Seite der Verbrauch, auf der anderen steigt er. In der Summe wird er dadurch gleich bleiben, vielleicht leicht abnehmen. Ich spreche dabei nicht von morgen, sondern einem Zeitraum von 5-10 Jahren. Darüber hinaus werden wir dann auch Selbstversorger haben, Menschen, die auf ihren Dächern Solarzellen für den Eigenenergieverbrauch installieren, somit weniger aus dem Netz benötigen, so dass auch weniger eingespeist werden muss.
Wird das portugiesische Territorium unter Berücksichtigung des Potentials der einzelnen Regionen zur Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen gut bewirtschaftet?
Das sehe ich nicht so. Beginnen wir mit der Solarenergie, die in ihren ersten Schritten bei weitem noch nicht ausgeschöpft ist. Der effizienteste Weg, um die Energie der Sonne direkt nutzbar zu machen ist die Warmwasserbereitung – effizienter als selbst die Stromerzeugung. In dem Gebäude, wo ich wohne, habe ich Sonnenkollektoren auf dem Dach montiert. Ich bezahle in sechs Monaten im Jahr nicht einen einzigen Cent, um Wasser zu erwärmen. Und in der übrigen Zeit bezahle ich sehr wenig, da ich, als Backup sozusagen, einen Pellet-Kessel installiert habe, der mir auch als Raumheizung dient.
Das ist eine signifikante Einsparung.
Ganz genau! Natürlich bedeutet das eine Erstinvestition. Ich nutze zwar das Dach des Hauses, aber es ist ja nicht so, dass sich mit einem Solarpaneel und einem Sonnenkollektor gleich die ganze Welt verändert. Die Sonne scheint jeden Tag, außer in der Nacht oder bei wolkigem Himmel, aber sie ist da. Wir nutzen jedoch das Potential zur Photovoltaik-Stromerzeugung nicht genügend. Lieber nehmen wir unser Geld und kaufen Erdöl, Erdgas oder Holzkohle, um damit etwas zu tun, das umsonst sein könnte. Es gibt auch immer noch ein paar Plätze, wenn auch immer weniger, um die Windstromerzeugung zu erhöhen, aber im Großen und Ganzen wird diese Quelle schon gut genutzt. Aber es fehlt nach wie vor an einer bessere Ausnutzung der Wasserenergie unserer Flüsse, die durchaus Potential hat, nicht nur zur Energiegewinnung, sondern auch als Rücklage. Und dann setzen wir schon ziemlich gut Biomasse ein. Was allerdings noch nicht so gut ausgenutzt wird ist die Erdwärme, mit Ausnahme der Azoren, wo es bereits zwei Geothermiekraftwerke gibt, wo man aber noch einige mehr errichten könnte. Unterm Strich ist es die Sonnenenergienutzung, die noch am meisten ausgebaut werden kann, allerdings aber auch erst seit kurzem, seit die Preise für Solarzellen zu sinken begonnen haben.
Wird es sich der Durchschnittsbürger leisten können, in Lösungen für eine eigene Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen zu investieren?
Den Menschen fällt es schwer zu erkennen, dass wir besonders in schwierigen Zeiten intelligent investieren müssen. Allerdings haben wir auch keine Tradition zum Sparen, Planen, Vorsorgen und Rechnen. Ich werde Ihnen ein anderes, persönliches Beispiel nennen: Ich benutze ein Elektrofahrzeug mit einer Reichweite von über 400 Kilometern. Wenn ich den Wagen zu Hause in den Nachtstunden lade, bezahle ich für den Strom für 100 Kilometer weniger als 1,50€. Ich spare die Mehrwertsteuer, bezahle keine Autosteuer, keine Straßensteuer, keine Parkgebühren in Lissabon, und die Versicherung ist günstiger. Kann man sagen, dass ein Elektroauto teuer ist? Die Investition in die Solarzellen amortisiert sich in fünfeinhalb Jahren. Sie halten aber mindestens 25 Jahre – zwanzig Jahre gratis bei einer Investition von gut 2000€. Wenn ein Familienvorstand es mit Eigenkapital und Darlehen nicht schafft, eine Investition zu tätigen, die sich in fünf Jahren amortisiert – was soll ich dazu sagen… Natürlich gibt es Einschränkungen, aber das ist alles eine Frage der Prioritäten.
Befindet sich APREN im Einklang mit der aktuellen nationalen Energiepolitik?
Man kann immer darüber hinaus gehen. Aber die Entwicklung muss abgestimmt vonstatten gehen. Auf diesem Sektor kann man nicht einfach weit voraus preschen. Wir haben ja schon einen bedeutenden Anteil an Strom aus erneuerbarer Energie. Nur werden leider bisher die Möglichkeiten der erneuerbaren Energien für die anderen Sektoren in Bezug auf Heizung und Kühlung noch nicht ausgeschöpft. Und das hat, wie schon gesagt, viel mit der Erwärmung des Brauchwassers und der Sonne zu tun. Auf diesem Gebiet gibt es noch viel zu tun. Wenn man bedenkt, dass sich 25% des nationalen Energieverbrauchs auf den Strom beziehen… selbst wenn 100% des Stromverbrauches mit erneuerbarer Energie erzeugt würde, so erreichten wir damit nur 25% des Gesamtenergieverbrauchs. Und der Rest muss aus den beiden anderen Sektoren kommen – Heizung/Kühlung und Transport. Durch den Übergang auf dem Transportsektor von Erdöl zu Elektrizität wird es in dieser Hinsicht eine Verbesserung geben. Ich werde es nicht müde zu sagen, dass die billigste Kilowattstunde oder der billigste Liter Benzin der ist, der gar nicht erst verbraucht wird. Aber Achtung: kein Verbrauch bedeutet auch, sich die Nutzung vorzuenthalten. Energieeffizienz jedoch meint, die Dinge mit weniger Energieaufwand zu tun, und nicht, sie gar nicht zu tun.
Fehlt es an mangelndem Bewusstsein für die Nutzung erneuerbarer Energiequellen?
Da fehlt eine Menge an Bewusstsein. Die Leute sagen, dass Strom aus erneuerbaren Energien teuer ist. Sie verstehen einfach nicht, dass Strom aus erneuerbaren Quellen, besonders der Sonne, eine gewaltige Stabilität und eine Preissenkung bringen wird. Man beachte: Strom kostet in diesem Jahr auf dem Markt circa 20% mehr als im vergangenen, aus dem einfachen Grunde, dass es weniger Regen und Wind gab. Warum ist das so? Weil der fehlende Anteil durch Strom aus Erdgas und aus Kohle ergänzt wurde – und durch Importe. Und dabei nahm die Windenergie gar nicht so sehr ab, nur um circa 3%, jedoch die Energiegewinnung aus Wasserkraftwerken verringerte sich um 32% im Vergleich zum Vorjahr.
Und dies ist eine außergewöhnliche Situation?
Nein. Wenn wir uns die letzten 15 Jahre anschauen, ist die Beziehung zwischen der erzeugten Energiemenge von einem trockenen zu einem feuchten Jahr 1:3. Wie kann ich diese Schwankungen minimieren? Wenn man die Möglichkeit zum Speichern hat. Wo kann ich Wasser speichern? In Stauseen. Und wenn wir Stauseen bauen möchten, kommen gleich die Umweltschützer und sagen, dass sie schlecht für die Umwelt sind.
… und behindern damit die notwendige Ausgleichsmöglichkeit, um Schwankungen zu vermeiden.
Genau. Elektrizität ist eine Handelsware, ein Gut, bei dem in einer hundertstel Sekunde Angebot und Nachfrage abgestimmt werden müssen. Andernfalls treten beispielsweise Probleme der Überspannung oder des Spannungsabfalls auf. Stromenergie kommt aus zwei Herkunftsquellen. Zum einen diejenigen, die umgehend Strom erzeugen, wie Wind, Sonne, Meer, Wasserlauf. Diese muss man sofort umsetzen oder dieser natürliche Rohstoff ist verloren. Und dann gibt es Speicher-Rohstoffe. Hier kommen die Wasserkraftwerke an Stauseen oder Wärmekraftwerke ins Spiel. Hier können wir den Hahn öffnen oder zudrehen, ganz nach Strombedarf. Deshalb müssen die Menschen informiert werden. Aber in der Regel sind sie gar nicht bereit zuzuhören. Das ist sehr mühselig.
Aber Sie sind optimistisch.
Wenn ich ein Pessimist wäre, hätte ich mich hier schon verabschiedet. Wer auf dem Energiesektor, und besonders dem für erneuerbare Energien arbeitet, muss Marathonläufer sein, kein Sprinter. Investitionen und Projekte benötigen viele Jahre bis zu ihrer Konkretisierung. Auf unserer Konferenz über die Zukunft der Energie arbeiten wir an verschiedene Projekten in Bezug auf die Energieversorgung in 2030. Beschlüsse benötigen zehn bis fünfzehn Jahre bis zur Umsetzung. Also müssen wir in den nächsten drei bis vier Jahren entscheiden und ausarbeiten, was wir im Jahr 2030 haben wollen. Der Energiesektor ist nicht mit den Vier-Jahres-Zyklen unserer Politiker kompatibel. Die Position von APREN war es immer, ein Teil der Lösung und nicht das Problem zu sein. Und ich erinnere an die drei wichtigsten Mehrwerte bei der Nutzung von erneuerbaren Energiequellen: Wir gewinnen Energie-Unabhängigkeit. Wir schaffen Beschäftigung. Und wir leisten einen positiven Beitrag zum BIP (Bruttoinlandsprodukt). Das ist eine Win-win-win-Situation!