Ich du er sie es, wir ihr sie. Wir alle schmeißen in diesem Augenblick etwas weg. Einfach gesagt, nicht? In den Müll. Etwas weg. Aus den Augen, aus dem Sinn. Nach mir die Sintflut. Oder doch nicht? Ich stehe in meiner Küche und räume die Flaschen des letzten Monats zusammen. Acht leere Weinflaschen, eine leere Flasche Olivenöl. Es ist der Tag, an dem ich mich zum Glascontainer bewege und auch sonst meine Wohnung aufräume: Badezimmer, Schlafzimmer, Wohnzimmer, Küche und Arbeitszimmer. Für mein Altpapier habe ich eine ganz eigene praktische Lösung gefunden, von der ich später noch berichten werde. Nur das ganze Plastik der Verpackungen macht mir jedes Mal wieder ein schlechtes Gewissen. Was könnte ich anstellen, welche Lösung gäbe es, auf diesen ganzen Verpackungsmüll aus Plastik zu verzichten? Anders einkaufen? Die Verpackung von Flüssigkeiten wie Milch, Hafer- oder Sojamilch inklusive, kann ich nicht an der Kasse des Bioladens einfach wieder auspacken und zurücklassen. Darauf verzichten? Den Joghurt und seinen Verpackungsschrott habe ich bereits vom Einkaufszettel gestrichen, nicht jedoch vom Speiseplan, denn Joghurt mache ich jetzt selbst, einmal in der Woche.
Einen Schritt vorwärts tun, wenn auch nur einen kleinen Schritt, ist es doch ein erster Schritt in eine etwas nachhaltigere Zukunft. Und mit einem ersten Schritt beginnt jede Reise in eine neue Welt, die jedeR selbst für sich bestimmt und auch wieder zurückgehen kann, um wiederum nach neuen Wegen zu suchen…
Die Verpackung des Duschgels und des Haarschampoos wandert genauso in den Plastik-Abfalleimer wie die kaputte Glühbirne in den Sondermüll-Abfalleimer. Und dann? Was passiert dann damit? Aus den Augen, aus dem Sinn?
Ich nehme den sogenannten organischen Müll im Eimer und trage ihn zum Komposthaufen, fast jeden Tag mache ich das. Ich nenne es einen Ausflug in meinen Garten. Wer jedoch kann sich einen eigenen Garten in der Stadt leisten, in der jeder Meter Fläche Spekulationsobjekt ist?
Der Designer Marco Balsinha präsentiert mir in Lissabon eine Idee von organischer Müllbeseitigung. Wir treffen uns in einem Café in Entrecampos. Er demonstriert und erklärt mir die Funktionsweise seines Dekompostierers Uroboro*, der aus vier bis fünf Tonschalen existiert, die ineinander und aufeinander gesteckt, jedwede organische Materie wie Küchenabfälle in Erde umwandelt. Man kann dabei zuschauen, wie Regenwürmer die Kartoffel- und Karottenschalen verwerten und in Humus umwandeln…
Der Anspruch ist möglicherweise hoch, aber wir wollen uns zu Lebzeiten an Höherem orientieren, denn die Realität des Wegwerfens kann nicht das Non-Plus-Ultra sein. Die Frage lautet deshalb: Gibt es eine einvernehmliche Lösung aller miteinander, wie wir das Müllvolumen unserer Aktivitäten auf Erden in dem Maße reduzieren können, dass wir in absehbarer Zeit bei NULL-MÜLL ankommen?
Der sogenannte Müllexperte Miguel Ferreira aus Faro ist da skeptisch, denn Müll gehört in diesen Tagen noch zum System und zu seinem Geschäft. Die Firma, die er repräsentiert, verdient damit ihr Geld. Sie sammelt und verkauft Altpapier, Glas und Plastik und beschäftigt damit 212 Mitarbeiter, die jedoch hauptsächlich den Müll einer Branche, die linear wirtschaftet, unter die Erde bringt, deponiert und versiegelt. “Der Tourismus der Algarve ist der größte Müllproduzent Portugals”, sagt Miguel Ferreira. Statistisch gesehen käme auf jeden Algarvio die doppelte Menge an Müll, verglichen mit der Restbevölkerung des Landes. Mehr als 1.000 Kilogramm unsortierter Müll fallen pro Jahr und Mensch an der Algarve an, die in den beiden Deponien in Cortelha (Loulé) und Porto de Lagos (Portimão) beerdigt werden. Lesen Sie das Interview mit Miguel Ferreira auf den Seiten 23 bis 29.
Linear wirtschaften, heißt das, in einen Billigflieger steigen und die Atmosphäre mit CO2 vermüllen, in den Leihwagen steigen und Benzin und Diesel verbrennen, im Hotel einchecken und durchschnittlich 220 Liter kost-
bares Wasser pro Tag und Urlauber vergeuden, Nahrung konsumieren ohne Sinn und Verstand und Müll entsorgen – in einem System von Tourismus – in dem Sonne, Sand und Meer plus ein wenig Alkohol das Bewusstsein für nachhaltiges Handeln komplett vernebeln?
Und was wäre die Alternative zu einem solchen Tourismus? Zuhause bleiben, weniger reisen, weniger konsumieren, weniger Wasser verbrauchen, weniger Müll hinterlassen? Wie sollte das funktionieren? Und was machen wir dann mit den arbeitslosen Kellnern und Zimmermädchen der Restaurantions- und Hotelbranche? Ein Wanderer, der sich auf seinem Weg verirrt hat, geht zurück bis zu der Stelle, von wo er aus den falschen Weg gewählt hat. Was hieße das für unsere Wirtschaft und welche Bedeutung hätte eine solche Entscheidung? Zurückgehen bis an die Kreuzung, an der wir uns verlaufen haben?
C2C (Cradle to Cradle)
Zyklisches Wirtschaften und Handeln sind die Passworte einer künftigen nachhaltigeren Wirtschaftsweise, die bei jedem einzelnen beginnt: den wachstumsorientierten und uneingeschränkten Abbau und das Verbrauchen von Ressourcen reduzieren einerseits; die Wiederverwendung- und verwertung sowie Reparatur von Produkten andererseits, insbesondere die von elektrischen und elektronischen Geräten und das konsequente Recyceln von Produkten.
In Verbindung mit diesen Maximen gehört eine andere Denkweise in Bezug auf die Zeit. Denn Zeit ist kein Geld. Wer reist, sollte die Reisezeit als Urlaubszeit inkludieren. Die Lösung? Langstreckenflüge vermeiden. Statt mit dem Flugzeug in den Urlaub zu fliegen eine Reise mit dem Zug erwägen. Diese dauert zwar etwas länger aber sie spart bis zu 80% Ressourcen und Emissionen. Eine Fahrt mit dem öffentlichen Verkehrsmittel oder mit dem Elektroauto, E-Fahrrad oder eine Wanderung fördern neben Ressourceneinsparung die eigene Gesundheit. Bei der Ernährung grundsätzlich darauf achten, dass alle Zutaten zu einer Mahlzeit regional und umweltgerecht hergestellt wurden und Maß halten.
Denn nur wer sich genügend Zeit nimmt und Maß hält – denn alles braucht seine Zeit – für die umweltschonende Reise mit der Familie oder allein, wer sich entschleunigt und seine Entscheidung sorgfältig abwägt, hat mehr vom Leben. Vielleicht beginnt genau hier der Einstieg in das Glück. Mit der Frage, Wie wollen wir leben, fragen wir alle, die sich angesprochen fühlen, einmal einen Moment lang inne zuhalten und darüber nachzudenken, wie wir es schaffen könnten, den Anspruch von NULL MÃœLL in die Tat umzusetzen. Denn die Natur selbst kennt keinen Müll. Alles wird wiederverwertet und transformiert. Sollte uns das nicht auch gelingen?
Was heißt das in der Praxis? Ich beginne meinen Papiermüll zu schreddern: Zeitungspapier, Haushaltspapier, Papier aus dem Büro – kein plastifiziertes Papier. Das so geschredderte Papier weiche ich in einer Tonne mit Wasser ein und nach einer Woche hat es die Konsistenz von Brei. Danach werden kleine Portionen von Papierbrei zu Briketts gepresst. Diese lege ich in die Sommersonne und so trocknen sie zu Briketts, die ich im kommenden Winter in meinem Ofen verfeuern werde, um das Haus zu heizen. Papierrecycling?