Die Wirtschaft liegt am Boden. Millionen Europäer verlieren gerade ihre Jobs. Wer hilft ihnen? Die dümmste aller Visionen ist, man könne alles so belassen, wie es ist. Schon vor drei Jahren, Ende September 2017, kamen in der Assembleia da República, dem portugiesischen Parlament in Lissabon, Wissenschaftler und Politiker zum Weltkongress des Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) zusammen, um dessen Einführung zu diskutieren. Jetzt, unter dem Eindruck der Covid 19-Pandemie, der Insolvenz vieler Firmen, einer kollabierenden Weltwirtschaft und unter dem Druck der sich abzeichnenden Klimakatastrophe auf die Ressourcen unserer Erde müssen neue, mutige und vor allen Dingen nachhaltige Zukunftsszenarien entwickelt werden. Es geht um die Lebensgrundlagen einer Weltbevölkerung von nahezu acht Milliarden Menschen. Dabei ist das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) so aktuell wie nie zuvor. Ein BGE, was ist das konkret, wie funktioniert es, wie wird es finanziert, ist es ökonomisch sinnvoll und vor allem – ist es sozial gerecht? ECO123 berichtet online.
Fördert ein bedingungsloses Grundeinkommen
Wohlstand und Freiheit?
Ein Essay von Uwe Heitkamp
Keine starke Demokratie basiert auf Verlierern. Die Digitalisierung und Automatisierung, der Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas, der Einstieg in Erneuerbare Energien und auch die Robotertechnik revolutionieren unsere Arbeitswelten. Sie werden überall auf der Welt vielen Millionen Menschen mehr Jobs wegnehmen als schaffen. In der Automobilindustrie, im Transportwesen, in der Landwirtschaft. Fast überall. Auch nach der Corona Pandemie. Was machen wir mit den Verlierern? Während Spekulanten virtuelles Geld mit mehrfacher Lichtgeschwindigkeit um den Planeten jagen, für Finanzprodukte, die es real nicht gibt und des gierigen Profits willen, hat die globalisierte Wirtschaft ihre Türen zu neuen, unbekannten Wirtschaftsräumen geöffnet. Das wirkliche Leben aber sieht anders aus, denn mit jedem Tag wächst die soziale Ungleichheit. Die Schere zwischen Arm und Reich wird größer. Wenn unsere Ökonomien fortfahren, den Planeten einerseits weiter zu plündern und andererseits Menschen zu Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern degradieren, werden sich auch die Kassen des Sozialstaates immer weiter leeren, außer er finanzierte sich auf eine völlig andere Art. Schon heute zahlen in Portugal immer weniger junge Beitragszahler in eine Sozialversicherung für immer mehr alte Menschen bei immer längeren Rentenlaufzeiten. Die Pfeiler einer gut gemeinten Sozialversicherung werden langsam morsch, weil die demografische Entwicklung heute eine andere ist als noch vor 50 Jahren. Die Kassen des Sozialstaates leeren sich auch, auch weil ein großer Teil multinationaler Unternehmen wie Apple, Amazon, Google, McDonalds, Jeronimo Martins u.a. und insbesondere die Finanzindustrie mit Börsenspekulanten und Hedgefonds kaum Steuern zahlen müssen. Es ist also einmal an der Zeit die Frage zu stellen, wann und wodurch der nächste Finanzcrash unseren Sozialstaat zum Einsturz bringt und ob eine Regierung dem etwas entgegensetzen kann?
Angst. Jahrhunderte lange Angst. Das hat ein Ende.
Existenz- und Verlustangst, chronischer Stress, Burn-Out u.v.m. begleiten heute die Menschen, die damit leben lernen: mit der Krise; einer lang anhaltenden Misere, bestehend aus fehlenden Bildungs-, Beruf- und Lebenschancen, einer ökologischen und wirtschaftlichen Krise, die keinem mehr Verschnaufpausen und gute Zeiten für sich und die Familie gönnt. Das 21. Jahrhundert verlangt deshalb eine Neuorganisation des Sozialstaates, der den heutigen und zukünftigen ökonomischen, ökologischen und sozialen Unwettern standhält.
Viele wissen, was sie am alten Sozialstaat des 20. Jahrhunderts hatten. Naturgemäß misstrauen Menschen allem Neuen und Unbekannten, wenn es um die nackte Existenz geht. Vielleicht ist das mit ein Grund, warum die Idee und das Konzept des BEDINGUNGSLOSEN GRUNDEINKOMMENS (BGE) in Portugal noch nicht sehr bekannt ist. Wie aber könnte dieser neue Sozialstaat des 21. Jahrhunderts aussehen, fragt ECO123 Experten aus der Wirtschaft?
Geld für alle. Vom Staat. Ohne Gegenleistung. Einfach so?
Die Arbeitswelt des letzten Jahrhunderts war eine andere verglichen mit der von heute. Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer strebten früher vielfach nach einer stabilen und lebenslangen Vollbeschäftigung als Normalfall. Wirtschaftswachstum und satte Profite waren das unbedingte Ziel einer jeden Regierung im alten Nachkriegseuropa. Wer arbeitslos oder krank wurde oder das Pensionsalter erreicht hatte, erhielt auf Antrag ein Arbeitslosengeld, nahm diverse Leistungen des staatlichen Gesundheitswesens in Anspruch oder beantragte die gesetzliche Rente zum gesetzlich definierten Alter. Dass sich diese Definition im neuen Jahrhundert jedoch immer mehr zu Ungunsten der Sozialversicherten verschoben hat, liegt hauptsächlich auch daran, dass die Sozialversicherungssysteme auf Pfeilern gebaut wurden, die heute so nicht mehr tragen. Portugal, das erst 1986 begann, die Errungenschaften des europäischen Sozialstaates zu übernehmen, baute sein eigenes Sozialversicherungssystem nach französischem Muster auf.
Vollbeschäftigung gibt es schon lange nicht mehr und Wirtschaftswachstum hauptsächlich noch in Branchen, die mit der Automatisierung Arbeitnehmer einsparen. Mit Beginn der Globalisierung wurden viele traditionelle Betriebe geschlossen. Ihre Maschinen wanderten ab nach Asien. Jene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die aber zurückblieben und die jahrzehntelang Abgaben in die Sozialversicherung einbezahlt hatten, merkten zu Beginn dieses neuen Jahrhunderts plötzlich, dass dem Sozialstaat langsam das Geld ausging und die Sozialleistungen immer weiter gekürzt, das Rentenalter immer weiter hinausgeschoben wurde.
Der demografische Wandel bewirkt, dass heute immer mehr Menschen immer länger Rente beziehen, die von immer weniger jungen Arbeitnehmern mit ihren Sozialabgaben aufgebracht werden müssen. Ursprünglich war das andersherum gedacht. Die Lösung des Problems? Kosmetische Reparaturen. Hier wurden die Beitragssätze angehoben, dort die Leistungen gesenkt, der Beginn des Rentenalters verschoben, Feiertage gestrichen und wieder zurückgegeben. Weder dem Arbeits- noch dem Finanzministerium gelingt es bis heute, genug Steuergelder für ausgeglichene Staatshaushalte und Abgaben für eine gesunde Sozialversicherung einzuspielen. Der zusätzliche Effekt des starken Exodos junger qualifizierter Arbeitnehmer im erwerbsfähigen Alter in Bezug zur Rentenfinanzierung verschärft die Folgen für unser Sozialversicherungssystem noch. Folgende Vorschläge geistern durch die politischen Diskussionen:
1. eine weitere Verringerung der Höhe der Renten; oder
2. eine Erhöhung des Rentenversicherungsbeitrages; oder
3. eine wesentlich längere Lebensarbeitszeit; oder
4. mehr Zuwanderung junger Ausländer; oder
5. eine gleichzeitige Anwendung aller vorherigen Maßnahmen
Keine der fünf Optionen ist einfach. Jede für sich stößt auf Gegenwehr: der Gewerkschaften, Unternehmer, Oppositionsparteien, je nachdem, wer gerade mal wieder regiert. Es wird sich schon bald zeigen, dass man sich keine allzu starken Hoffnungen machen kann in Bezug auf die unterschiedlichen Handlungsoptionen. Obwohl unter der sozialistischen Minderheitsregierung António Costas einige Verbesserungen erreicht wurden, handelt es sich dabei nur um minimalistische Korrekturen in einem komplizierten, teuren, ineffizienten und leider nur reaktiven Sozialstaat, der – um es mal in Zahlen auszudrücken – in jeden Jahr rund 3,5 Mio. Subventionsempfänger zu versorgen hat.
Neue Zeiten erfordern neue Lösungen.
Der europäische Sozialstaat des letzten Jahrhunderts basierte auf einem traditionellen Familienverständnis. Im Laufe zweier Generationen aber hat sich das wirkliche Leben von diesem Modell verabschiedet. Der Mensch lebt heute individueller. In Portugal arbeiten heute nahezu genauso viele Frauen (70,2%) wie Männer (77,1%) im Alter zwischen 15 und 64 Jahren und sieben von zehn Ehen werden wieder geschieden. Unser Sozialversicherungssystem arbeitet aber immer noch nach den alten Mustern des letzten Jahrhunderts. Wie morsch sind die Pfeiler unseres Sozialstaates? fragte ECO123 den langjährigen Ex-Arbeits- und Sozialminister José António Vieira da Silva im Gespräch.
Die Digitalisierung und mit ihr die einhergehende Automatisierung verändern zusätzlich mit Kraft und Tempo den Lebensalltag und die Arbeitswelt. Sie werden einen Perspektiven- und Paradigmenwechsel erzwingen. Wenn immer mehr Roboter Menschen ersetzen werden, wird Arbeit einen anderen Stellenwert einnehmen. Das zukünftige BIP (Bruttoinlandsprodukt = die Summe der gesamten Wertschöpfung einer Volkswirtschaft) wird mit weniger Arbeitszeit und mehr Maschinenzeit erwirtschaftet werden. Was braucht es da noch den Menschen?
Natürlich empfindet ein Großteil der Arbeiterschaft und ihrer gewerkschaftlichen Vertreter den vermehrten Einsatz von Automaten und Robotern als Bedrohung. In den Autofabriken von Tesla aber ist Menschenarbeit bereits die Ausnahme. Roboter montieren Windschutzscheiben und Räder, heben Chassis von einer Plattform auf eine andere, von einem Laufband aufs nächste. Wo bei Volkswagen und General Motors noch einige 100.000 Arbeiter Automobile zusammenschrauben, sind es bei Tesla in Fremont, Kalifornien nur noch 3.000 Techniker und Kontrolleure an 160 autonom arbeitenden Robotern, Tendenz steigend. Wer daran zweifelt, wie der Arbeitsalltag in einer Automobilfabrik von morgen demnächst überall auf der Welt aussehen wird, sollte https://www.youtube.com/watch?v=8_lfxPI5ObM besuchen.
Wie funktioniert das bedingungslose Grundeinkommen?
Dass die Digitalisierung und Automatisierung der Arbeitswelt eine historische Chance ist, sich völlig neu zu orientieren, haben bisher nur wenige Menschen entdeckt. Wenn der Mensch durch Maschinen aller Art und durch Automaten mit künstlicher Intelligenz erst ergänzt und später ersetzt wird, ergeben sich auch Chancen für eine Neuorientierung, zum Beispiel auf der Basis des Bedingungslosen Grundeinkommens.
So könnte es funktionieren:
- Der Staat lässt allen Staatsangehörigen lebenslang Monat für Monat eine in Höhe des Minimumgehalts liegende Transferzahlung zukommen, das sich am Existenzminimum orientiert, die aus dem allgemeinen Staatshaushalt über Steuern finanziert wird. Dabei gilt für die Finanzierung der einfache Zusammenhang: Hohe Grundeinkommen bedingen hohe Steuersätze, niedrige Grundeinkommen ermöglichen tiefe Steuersätze.
- Das Grundeinkommen wird ohne Bedingung, ohne Gegenleistung, ohne Antrag und damit ohne bürokratischen Aufwand als Universaltransfer an alle in gleicher Höhe ausbezahlt. Natürlich kann – wenn politisch gewünscht – für Kinder ein verringerter Betrag ausbezahlt werden, wenn Politik und Bevölkerung die Meinung vertreten sollten, dass Kinder als Mitbewohner in einem Familienhaushalt geringere Alltagskosten zu decken haben als Erwachsene.
- Es gibt keine Unterscheidung mehr zwischen Erwerbstätigen und Erwerbslosen. Und ebenso wird nicht mehr zwischen selbstständiger und unselbstständiger Beschäftigung differenziert.
- In das Grundeinkommenssystem werden alle portugiesischen Staatsangehörigen von Geburt bis ans Lebensende einbezogen. Im Ausland lebende portugiesische Staatsangehörige verlieren ihren Anspruch.
- Wer als Ausländer nach Portugal einwandert, erhält nicht sogleich, sondern erst nach einer längeren Wartezeit und sukzessive in Abhängigkeit der legalen Aufenthaltsdauer in Portugal das volle Grundgehalt. Dadurch wird einem Missbrauch vorgebeugt.
- Das Grundeinkommen erhalten alle steuerfrei. Zusätzliches Einkommen aller Art (also inklusive aller Kapitalertragseinnahmen wie Zinsen, Dividenden oder ausgeschüttete Gewinne sowie Mieten, Tantiemen und Buchrechte) wird an der Quelle erfasst und vom ersten bis zum letzten Euro mit einem einheitlichen und für alle Einkommen gleichbleibenden Steuersatz belastet. Die Quellensteuer ermöglicht, alle ausgeschütteten Gewinne als Steuerbasis zu erfassen, also auch diejenigen, die an im Ausland lebende Eigentümer und Firmen fließen.
- Es gibt keine Steuerfreibeträge, denn das Grundeinkommen ist bereits ein Freibetrag. Werbungskosten müssen gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht werden. Weder der Staat noch das Finanzamt sind darin involviert. Sie werden als Spesen behandelt und entfallen als steuerlicher Abzugsgrund.
- Das Grundeinkommen ersetzt alle steuer- und abgabenfinanzierten Sozialleistungen: Es gibt weder gesetzliche Renten- noch Arbeitslosenversicherung noch Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Wohn- oder Kindergeld. Die Sozialversicherung wird abgeschafft.
- Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaubsgeld und ähnliche durch die Tarifpartner oder vertragliche Regeln zwischen Arbeitgebern und –nehmern vereinbarte Zusagen, werden durch das Grundeinkommen nicht berührt. Sie bleiben weiterhin bestehen.
- Für Kranken- und Unfallversicherung gibt es entweder eine Grundversicherungspflicht. Dann gehört der notwendige Beitrag für eine Grundversicherung zum Existenzminimum (Minimumgehalt plus Gesundheitspauschale) und ist damit in die politische Festlegung des Grundeinkommens mit einzubeziehen. Das Bedingungslose Grundeinkommen muss dann entsprechend erhöht werden. Oder aber der Staat vergibt an alle Bürger staatliche Versicherungsscheine, die bei jeder privaten Kranken- und Unfallversicherung eingelöst werden können. Dann müssten für die Grundversicherung ein Diskriminierungsverbot (niemand darf ausgeschlossen werden) und ein Kontrahierungszwang (alle haben das Recht auf einen Vertrag) gelten. Oder aber das Grundeinkommen wird durch ein staatliches Gesundheitswesen ergänzt, bei dem eine – wie weit auch immer reichende – medizinische Grundversorgung für alle kostenlos angeboten wird.
Ist das BGE sozialökonomisch sinnvoll?
Eine fundamentale Stärke des Konzepts eines bedingungslos gewährten Grundeinkommens liegt in der Transparenz und der Einfachheit des Verfahrens. Das BGE ist ein Steuersystem, das einem Kind in der Grundschule erklärt werden kann. Da es nur einen einheitlichen und gleichbleibenden Bruttosteuersatz auf alle Einkommensarten gibt, können die Steuerzahlungen an der Quelle, dort wo sie entstehen, direkt an das Finanzamt abgeführt werden. Eine Steuererklärung entfällt. Genauso überflüssig werden bürokratische Ermittlungs- und Kontrollverfahren bei der (Über)Prüfung, ob staatliche Hilfe gerechtfertigter Weise fließt. Das BGE wird an keine Vorbedingungen geknüpft. Niemand prüft, ob es gute oder schlechte Gründe für eine Unterstützung gibt. Niemand koppelt staatliche Hilfen an bestimmte Vorbedingungen. Niemand bleibt ohne Hilfe, niemand fällt unter das Existenzminimum.
Das bedingungslose Grundeinkommen orientiert sich an der heutigen und künftig zu erwartenden Lebenswirklichkeit des 21. Jahrhunderts. Es ist die Antwort auf die durch demografische Alterung, Individualisierung, Digitalisierung und einem Wandel des Arbeitsethos erzeugten sozialpolitischen Herausforderungen des modernen Sozialstaates. Das BGE nimmt den Menschen, wie er ist und will ihn nicht in eine Norm zwingen. Deshalb nennt sich das Grundeinkommen bedingungslos.
Der moderne Sozialstaat im 21. Jahrhundert muss stark, gerecht, fair, nachhaltig, effizient, transparent, einfach und solidarisch arbeiten. Er muss so resilient sein, dass er Finanzkrisen ohne Schaden zu nehmen, übersteht. Er muss präventiv Probleme verhindern und nicht im Nachhinein Probleme reaktiv lösen wollen. Die Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) böte die einmalige Chance, die Finanzierung des BGE mit einer Steuerreform zu verknüpfen, bei dem auch die staatlichen Strukturen verschlankt würden.
500 euro für jeden? Jeden Monat. Ein leben lang.
Stellen Sie sich also einmal bildlich vor, jede/r erhielte monatlich einen Betrag zwischen 500 und 600 Euro vom Finanzamt pünktlich auf sein Konto überwiesen. Alle erhielten vom Staat zunächst einmal Geld, das aus staatlicher Sicht einer Rückvergütung und damit dem Gegenteil einer Steuerzahlung entspräche. Das BGE würde damit dem Konzept einer negativen Einkommenssteuer entsprechen. Der Staat könnte auf diese Weise seinen Bürgern erklären, warum dieser Steuern zahlt. Die Historie des Finanzamtes in Portugal erhielte ein positives Narrativ. Ein universelles bedingungsloses Grundeinkommen kann ein Sozialstaat nur dann an seine Bürger auszahlen, wenn jeder Steuerzahler die Gewissheit hat, dass erstens wirklich jede/r Steuern zahlen und dass zweitens sein Steuergeld seriös investiert würde. Alle, die Einkommen erwirtschaften, sogar die Eigentümer von Robotern, Finanzwirtschaft und multinationale Konzerne sollten auf jeden Euro 50 Centimos Quellensteuer bezahlen. Obligatorisch jedoch ist, dass die Regierung Kapitalerträge genauso besteuert wie das Arbeitseinkommen.
Das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) ist der radikale Neuanfang des modernen Sozialstaates im 21. Jahrhundert. Es ist aber kein unkalkulierbarer Sprung ohne Auffangnetz. Das BGE folgt einer einfachen Logik. Es verzichtet auf das komplizierte, undurchsichtige Gewirr aus Steuern und Abgaben aus Arbeitseinkommen, finanzierten Sozialversicherungen und sozialpolitischen Subventionen, das von einer aufgeblasenen Bürokratie namens „Segurança Social“ verwaltet wird. Es fordert einfach nur auf jeden umgesetzten Euro 50% Steuern. In diesem Konzept gilt das Prinzip, wer mehr verdient, zahlt mehr Steuern als derjenige, der weniger verdient.
Das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) sorgt für Sicherheit und festen Boden unter den Füßen der Menschen, gerade in einer Krise wie der Covid-19 Pandemie und sie schafft Freiräume. Wenn die Existenz materiell in jedem Fall und zu jeder Zeit garantiert ist, wird der Mensch und die Politik von der Sorge des wirtschaftlichen Überlebens entlastet. Das BGE schafft Voraussetzungen, die für selbstbestimmte Tätigkeiten darüber hinaus genutzt werden können. Wer will, arbeitet nur noch das, was ihm Freude und Sinn macht und wozu er imstande ist. „Stupide und unwürdige Arbeiten erledigt der Roboter – rund um die Uhr, besser, verlässlicher, ausdauernder und billiger, als es Menschen je konnten“, argumentieren Wissenschaftler, die das BGE als das richtige Instrument in der Krise ansehen. Wem das BGE nicht ausreicht oder wer seinen Beruf nicht aufgeben möchte, arbeitet einfach so weiter wie bisher. Und wer aus der Arbeitslosigkeit in Arbeit wechseln möchte, wird nicht durch den Verlust an Sozialtransfers bestraft. Er wird vom ersten zusätzlich verdienten Euro an belohnt.
Wie viel Sozialstaat wollen (können) wir uns leisten?
Die Frage, ob das Grundeinkommen finanziert ist, wird am Ende die alles entscheidende Frage sein. Umso dramatischer, dass sie völlig falsch gestellt wird. Denn ja, natürlich ist das bedingungslose Grundeinkommen finanzierbar, wenn man es finanzieren will. Da unterscheidet sich die Antwort in keiner Art und Weise von der Frage, ob die Renten von heute auch morgen noch sicher sind. Klar sind sie das, oder etwa nicht? Wichtiger ist jedoch die Frage, auf welcher Höhe sie liegen werden und wer dafür zu bezahlen hat. Genauso verhält es sich mit dem Grundeinkommen.
Die einfache Rechnung lautet: „Je höher oder tiefer das BGE angesetzt ist, umso teurer oder billiger wird die Finanzierung für den Staatshaushalt und umso schwieriger oder einfacher ist es umzusetzen. Ein hohes (oder tiefes) bedingungslose Grundeinkommen bedingt hohe (oder tiefe) direkte Steuersätze, was die individuellen Leistungsanreize stark (oder nicht) verringert“. Die Frage, wie teuer unser Sozialstaat sein darf, muss diskutiert werden.
Die Idee, 500 oder 600 Euro oder sogar mehr für alle, jeden Monat, ohne an Bedingungen geknüpft zu sein, ist nicht neu und trotzdem revolutionär. Natürlich ist die Frage nach der Höhe und dem materiellen Umfang des Existenzminimums ein politisch höchst kontroverses Thema. Trotzdem ist die Frage relevant, warum Menschen durch Arbeit verschleißen, wenn es mit Maschinen und Automaten verfügbare Alternativen gibt? Für den Wohlstand einer Volkswirtschaft ist es wichtig, wie innovativ, kreativ und wettbewerbsfähig seine Wirtschaft handelt.
Wäre das BGE politisch mehrheitsfähig, kann jedes gewünschte Maß an Finanzierung und Umverteilung von Besser- zu Schlechtverdienenden durchgesetzt werden. Es bliebe der Politik unbenommen, die Höhe des Grundeinkommens und die Einkommenssteuersätze festzulegen. Ein Sozialstaat der Moderne muss auf die Leistungswilligen ausgerichtet sein, nicht auf die Leistungsverweigerer. Er soll jene ermächtigen, die etwas Positives leisten wollen. Und er soll nicht mit einem riesigen bürokratischen Aufwand Unwillige zu Arbeiten zwingen, die durch Roboter billiger und besser erledigt werden können. Wer weiß, dass, was auch immer geschieht, das Existenzminimum gesichert ist, wird kommende Herausforderungen wie z.B. den Klimaschutz eher als Chance begreifen denn als Bedrohung. Denn nur wer seine Existenz materiell abgesichert sieht, ist wirklich frei, eigenständig zu handeln, um ein menschenwürdiges Leben zu führen. Somit wird das bedingungslose Grundeinkommen auch ein sozialpolitisches Werkzeug für nachhaltiges und ökologisches Handeln. Eine starke Demokratie basiert auf Gewinnern.