Ein kunstvoll verzierter Schornstein ist das typische Postkartenmotiv der Algarve. Er ist Ausdruck für die alten Arbeitstechniken dieser Region. Die große Bandbreite an Formen, Farben und Ausführungen belegen den Geschmack und die Raffinesse seiner Besitzer. Je verschiedenartiger und auffälliger, umso besser. Ballonförmige, gitterartige, sich nach oben verjüngende, verziert mit ein paar Dachziegeln und in allen Farben dekorierte Schonsteine ziehen die Blicke auf sich.
Ihr Anblick hoch oben auf den Dächern erweckt manchmal bei einigen Sympathisanten ein ganz plötzliches auftretendes Interesse an der Geschichte und Architektur der Kamine, wie im Fall des 44-jährigen, in Lissabon geborenen, José Júlio Guerreiro Machado. In seiner Kindheit in Sintra aufgewachsen, verbrachte er die Schulferien regelmäßig im Süden des Landes bei den Verwandten seiner Mutter. Heute bezeichnet er sich selbst als “Schornsteinjäger”.
“Mit Leidenschaft und Stolz den Dingen verbunden, mit denen ich mich identifiziere,” sagt er. Heute lebt er an der Algarve und lichtet die verschiedenen Schonsteine mit seiner Kamera ab, um Bräuche und Traditionen seiner Vorfahren festzuhalten. Mithilfe der Fotografie möchte er Geschichte schreiben, “die Vergangenheit erhalten” und “die schöne Seite dessen einfangen, was in Gefahr ist, zu zerfallen”.
Der Geschichtsenthusiast bezeichnet sich selbst als “jemand, der sich ein wenig für seine Umgebung interessiert”. Stück für Stück fand er mehr über die Herkunft dieser auffälligen Schornsteine, die ja auch Kamine sind, heraus. “Sie kamen während der Salazar-Diktatur auf. Jede Region sollte durch ein Symbol repräsentiert werden, abgeleitet von etwas besonders Ortstypischem. So wählte man meines Wissens nach in dieser Zeit die Kamine aus. Der algarvetypische Kamin wurde zu DEM Postkartenmotiv der 40er, 50er und 60er Jahre.”
Nach und nach fanden die Menschen Geschmack an der Idee, ganz besonders auch die Maurer. “Für sie handelte es sich um eine gute Gelegenheit, ihre Kunst unter Beweis zu stellen und ihre nach bestem Können angefertigten Werke aller Welt in luftiger Höhe zu zeigen. Dabei legten sie besonderen Wert darauf, sich von anderen zu unterscheiden. So ist das an der Algarve: Jeder ist darauf bedacht, ein wenig anders als sein Nachbar zu sein.”
Júlio Machado lebt von den Traditionen der Vergangenheit und betreibt sie auch als Hobby. Neben der Fotografie ist er beständig bestrebt, alte Stücke, wie man sie früher verwandte, wieder herzustellen, früher tagtäglich Benutztes, heute nicht mehr Benötigtes wiederzuverwenden und alte Fertigkeiten vorzustellen. Ein wahrer Schöpfer, der antike Stücke aus dem Müll wiederverwertet, sie zu Kunstobjekten macht und ihnen damit ein zweites Leben einhaucht.
Weide ist so eine dieser alten Materialien, aus dem er Tabletts, Lampenschirme und Körbe anfertigt. Während der Römerzeit sehr häufig verwendet, verloren sie im Laufe der Jahrhunderte ihre Bedeutung. Die miteinander verflochtenen Zweige sorgen für Festigkeit und Haltbarkeit, was die Qualität des Ergebnisses ausmacht.
Júlio Machado spricht voller Stolz von der Vergangenheit. „Ich fühle mich nicht berechtigt, die Geschichte zu Schande zu machen. Ich bereichere sie nur ein wenig.“