… sondern weltweit stellen sich immer mehr Menschen die Frage, wie das menschliche Leben nachhaltiger gelebt werden könnte. Ana Nunes und Carlos Abafa aus Monchique sind zwei von ihnen. „Ökonomie und Ökologie gehen getrennte Wege. Das kann morgen nicht so weitergehen“, sagen sie. Ihre Frage basiert auf der Kritik am aktuell gelebten Konzept unserer Industrie- und Wegwerfgesellschaft, des Lebens in einer Einbahnstraße mit endlos wachsenden Müllbergen, der hemmungslosen Ausbeutung der Naturressourcen unseres Planeten, der industriellen Massentierhaltung, den Monokulturen von Eukalyptuswäldern, der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen…
Die daraus resultierende Sensibilisierung verbunden mit dem Lösungsansatz, wie dieses Leben durch einen alternativen Lebensentwurf nachhaltiger gelebt werden und wie das in der Praxis aussehen könnte, ließ beide auf die Transition-Bewegung aufmerksam werden. Vor dem Hintergrund der sich verknappenden und teurer werdenden fossilen Ressourcen wie Rohöl, Kohle und Holz einerseits, verringert sich andererseits der ökologische Spielraum, in dem sich menschliches Leben unter extremer werdenden Wetterbedingungen im Treibhauseffekt unserer Erde bewegen kann.* Was also machen?
Business as usual?
Es ist noch keine sechs Jahre her, als im September des Jahres 2008 das internationale Finanzsystem kollabierte und noch keine drei Jahre sind vergangen, da folgte die europäische Schuldenkrise von 2011. Was haben wir daraus gelernt? Dass unser Wirtschaftssystem des ökonomischen Wachstums den Planeten Erde auffrisst. „Es gibt eine Alternative,“ sagt der 46-jährige Rob Hopkins, Doktor für Empirische Sozialforschung und Mitbegründer der Transition Town Bewegung (Wandel) im Gespräch mit ECO123. Seine Ideen begannen 2006 im englischen Totnes (Devon) zu reifen und ihre Entwicklung breitet sich mittlerweile aufr mehr als 40 Länder aus. Für was steht die Transition-Bewegung? Auf eine Formel gebracht, beinhaltet der Begriff vom Wandel (Transition) ein vielfältiges Programm, das den Energieverbrauch und die Abhängigkeit von Industrieprodukten verringert und die Resilienz** der Kommunen erhöht. „Wir beginnen in unserem Dorf und in unserer Stadt“, betont Hopkins „und wir müssen gar nicht mehr abwarten, bis Politik und Wirtschaft sich endlich bewegen, die dafür notwendigen umweltfreundlichen Gesetze zu beschließen und auch anzuwenden.“ Bestehende nachhaltige Strukturen in einer Gemeinschaft zu stärken und Strukturen, die nicht nachhaltig sind, sich selbst über- und kollabieren lassen, ist die Strategie von Transition.
Ana Nunes und Carlos Abafa übergeben ein fruchtbares Grundstück mit Wiesen, Bäumen und Ackerland ihrer Vorfahren im Zentrum von Monchique einer Gruppe von meist jungen Menschen, die Transition ausprobieren und praktisch anwenden möchten. Sie teilten 2.000 Quadratmeter Land in zehn Parzellen, auf denen biologische Landwirtschaft in Form von Permakultur betrieben werden soll. Einmal im Monat treffen sie sich, um ihre Erfahrungen auszutauschen. (Lesen Sie auf den folgenden Seiten mehr über die Transition Bewegung in Portugal)
ECO123 fragte Rob Hopkins ***, wie sein Weg aussehe und mit wie viel mehr Arbeitslosen er rechne, falls sich das Konzept von Transition durchsetzen sollte?
Rob Hopkins: Anstatt zu sagen, wir müssen die Jobs der Automobil-, der Stahl-und der Bergbauindustrie retten, schaffen wir viele neue Arbeitsplätze im örtlichen Lebensmittelsektor. Wir sollten die Idee einer kohlenstoffarmen Wirtschaft willkommen heißen. Unzählige Studien zeigen, dass eine große Anzahl von Arbeitsplätzen neu geschaffen wird. Wir können eine Menge neue Arbeitsplätze durch regenerative Energiequellen in der Kommune schaffen und das im großen Maßstab, statt Fracking. In Großbritannien beispielsweise gibt es eine Menge von neuen Arbeitsplätzen in der lokalen Bauindustrie, um unsere Häuser energieeffizienter zu machen.
ECO123: In ihrem neuen Buch beschreiben sie, wie Menschen in Portalegre ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen, ohne auf Politiker zu warten. Sie beschreiben Portalegre in Transition als eine wahrhaftige Gruppe, weil sie auf EU Subventionen verzichtet. Wenn das Schule macht …
Rob Hopkins: … Geld ist nicht die wichtigste Ressource. Viele der Initiativen sind sehr gut in der Mobilisierung von Menschen, die dann zusammenkommen und Dinge tun – und das ist sehr nützlich für die Gemeinden, die unter Haushaltskürzungen leiden. Es gibt auch einige Initiativen in Portugal , die tun, was wir ” reconomy ” nennen. Sie betrachten ihre lokale Wirtschaft auf andere Weise. Wenn die lokale Wirtschaft wirklich ums Überleben kämpft und es gibt nicht viel Arbeit für Menschen, und Sie haben trotzdem eine Zukunftsperspektive, aber es ist kein Geld vorhanden, weder von der EU noch von der eigenen Regierung. Können wir uns dann vorstellen, dass in so einer Stadt auswärtige Unternehmen ansässig werden, um Arbeitsplätze zu schaffen? Da ist es besser, wir schauen genau hin, wie und wo wir unser Geld vor Ort selbst investieren und so ist es viel wahrscheinlicher, neue Arbeitsplätze vor Ort zu schaffen. Wir schauen uns die Wirtschaft unserer Gemeinde genau an und stellen fest, die funktioniert wie ein Eimer mit einer Menge Löcher drin. Wenn wir bewusst suchen, wo die undichten Stellen sind, und wohin das Geld wegfließt, können wir die Gemeindepolitik verbessern. Wie können wir die lokale Wirtschaft resilient machen? Die Menschen müssen besser auf sich selbst und ihr Land aufpassen, die Produkte des Gartens zum Markt bringen, dabei die Schaffung von Arbeitsplätzen im Auge haben, Jobschulungen, zum Beispiel für die Menschen in den Kliniken, auch die Schaffung gesünderer Nahrung für die Menschen in den Krankenhäusern. Man beginnt gute Zyklen wie diese zu initiieren. Wenn wir wenig haben, müssen wir von dem wenigen mehr machen, bevor es unsere lokale Wirtschaft verlässt.
ECO123: Transition bedeutet also eine Kehrtwende von der industriellen Agrarwirtschaft und weg von der Massentierhaltung hin zu einer lokalen und humanen Ernährungssicherheit?
Rob Hopkins: Peak Oil ist nicht das Ende des Öls, aber das Ende der Epoche des billigen Öls. Die industrielle Landwirtschaft einschließlich Transport ist für 40% der Treibhausgasemissionen verantwortlich und basiert auf billigem Öl. Wenn LKWs mit Lebensmitteln nicht mehr fahren, würden die Regale in den Supermärkten innerhalb von drei Tagen leer stehen. Wir erreichen den Punkt, wo die Abhängigkeit vom Öl eine wichtige Sicherheitslücke öffnet und wir merken es nicht. Erneuerbare Energien werden eine Übergangsgesellschaft kreieren und ihren Beitrag dazu leisten, mit immer weniger CO2 in einer niedrigeren Energiegesellschaft anzukommen.
ECO123: Sie sind ein gefragter Gesprächspartner. Wie viel Mal waren Sie im letzten Jahr mit dem Flugzeug unterwegs, um an Konferenzen teilzunehmen?
Rob Hopkins: Ich hatte einen Flug in den letzten acht Jahren. Ich habe mir vor acht Jahren vorgenommen, das Fliegen aufzugeben. Aber ich reise in ganz Europa mit der Bahn. Ich gebe viele Lesungen und Seminare, weltweit auch mit Skype und per Videokonferenz.
ECO123: Denken sie von sich selbst, dass sie ein optimistischer Mensch sind?
Rob Hopkins: Ich würde sagen, dass ich ein Kultur-Optimist bin. Ich lebe die Überzeugung, dass die Menschen in den Gemeinden, die Kultur besitzen, in der Lage sind, diese Gesellschaft zu verändern.
**Resilienz (lateinisch resilire ) oder Widerstandsfähigkeit beschreibt die Toleranz eines Systems gegenüber Störungen.
*** Das Interview führte Uwe Heitkamp telefonisch mit Rob Hopkins