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Nº 107 – Zero Waste

Samstag, der 2. Oktober 2021.

Klimawandel. In zehn Schritten klimaneutral? Na klar. Wir müssen uns nur darauf vorbereiten. Wir alle. Ob wir das gelernt haben oder nicht. Ich bin beispielsweise mein ganzes langes Leben mit dem Konzept aufgewachsen, jede Woche einmal meinen Müll zur Tonne zu tragen und jeden Donnerstag kam die Müllabfuhr und holte den Müll dann ab. Irgendwann setzte sich das Konzept der Mülltrennung durch. Glas zu Glas, Plastik zu Plastik, Papier zu Papier und so weiter. Dann steckte ich die Verpackungen in die dafür eigens hingestellten Müllcontainer, pardon, Recycling-Container. Müll oder Recycling: aus den Augen, aus dem Sinn.

Nein. Oft habe ich mich gefragt, wo denn dieser Müll oder das Verpackungsmaterial hinfährt? Und dann, eines Tages, habe ich mir das mal genau angeschaut. Da schob eine Planierraupe den ganzen Müll aus meinem Dorf auf einer Deponie hin und her und kompaktierte ihn auf einer Müllhalde, die so groß war wie fünf Benfica-Fußballstadien. Dabei sah ich, daß Metall-Müll das beste Recycling hergab, denn ein Magnet fischte das alles aus der schier endlosen Masse wieder heraus. Plastik war der schwierigste Stoff.

 

Lernen fürs Leben

Das Thema Müll beschäftigte mich weiter und ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Da soll also unser Müll von letzter Woche bis in alle Ewigkeit lagern, dachte ich mir? Eine Milchtüte von Tetra-Pack, die sich über mehrere hundert Jahre nicht zersetzt, liegt da begraben für irgendeine Generation im Jahre 2222, oder früher oder noch später? Und das wird immer mehr und hört gar nicht mehr auf: eine Einbahnstraße, eine Einbahnautobahn ohne Ende?

Wer keinen Müll hat, befindet sich frei von diesen Vorstellungen, was wir da eigentlich Unsinniges machen auf unserem Planeten. Er/Sie entdeckt im Leben einen tieferen Sinn. Damals habe ich gemerkt, daß sich das alles nicht gut anfühlt und wollte mal schauen, was es heißt, keinen Müll zu haben. Mit dieser Idee freundete ich mich an und siehe da, es war spannend.

Und deswegen empfehle ich, daß wir uns darauf vorbereiten, keinen Müll mehr zu haben. Wir werden uns alle ein wenig besser fühlen. Keinen Müll? Ja, bereiten wir uns darauf vor, Null-Müll zu verantworten. Ich habe es (noch) nicht ganz geschafft, werde es jetzt aber wieder versuchen, jedenfalls so lange, bis ich soweit bin und alles in meinem Haushalt recyclen kann. Denn ein ganz wichtiger Schritt in die Klimaneutralität ist nicht nur das Ende des Verbrennens fossiler Kraftstoffe festzulegen, sondern auch keinen Müll mehr zu machen. Vom Ende her gedacht…

Wir müssen die Idee des Recyclings, des Reduzierens und Reparierens verinnerlichen und auf alle Lebensbereiche übertragen. Wenn Politiker behaupten, wir müssen uns – um klimaneutral zu werden – auf nichts verzichten, ist das eine der vielen kleinen und großen Unwahrheiten, weil sie es eben nicht besser wissen. Politiker müssen auf ihre Vielfliegerei verzichten, auf ihren dicken Volvo V80: besonders die neuen Bürgermeister jetzt nach den Wahlen. Da bin ich schon lange darüber hinweg. Das benzinbetriebene Auto vermisse ich nicht. Ich beginne nun mal wieder beim Müll. Also ändere ich mein Verhalten beim Einkaufen so lange, bis ich mich wirklich neu orientiert habe und sicher darin bin. Das Ziel lautet, so einkaufen zu gehen, daß ich auf jede Verpackung verzichte. Das Ziel ist Zero Waste. Ganz so einfach wie ich das hier beschreibe ist das aber nicht. Es ist eine Zeitenwende und wer will, muß es immer wieder üben. Am ehrlichsten wäre die ganze Sache, wenn man für sein Recycling von seinem Bürgermeister (Stadtrat) einen Anreiz erhielte: zum Beispiel eine Prämie. Dann bringe ich meinen Müllsack nicht mehr zur Mülltonne, nein, dann verkaufe ich meine Glasflasche und meine gewaschene leere Blechkonserve. Auch das wird bereits gemacht, in Italien und in Deutschland. Das beste Beispiel liefert das Pfandsystem und das Altpapier, für das man bereits Geld bekommt. Wo denn? Das verrate ich Euch, wenn ihr mir Eure Müllgeschichte schreibt, an:  editor@eco123.info.

Verbannen wir alle Plastiktüten und Plastikverpackungen aus unseren Haushalten. Wenn ich einkaufen gehe, kaufe ich nur noch lokal und nehme meine eigenen Stofftüten oder Bastkörbe mit. Man muß schon bei vollem Bewußtsein einkaufen und deshalb ist Freitag mein, der Einkaufstag. An allen anderen Tagen kaufe ich nichts mehr, außer auf dem Sonntagsmarkt der Bauern in meinem Dorf. Wie machst du das mit der Ziegenmilch, fragte mich vor kurzem eine Freundin. Ich habe eine Inox-Milchkanne (5 lt) und einmal die Woche kaufe ich Ziegenmilch beim Bauern, die ich fair bezahle und die ich nachher zuhause abkoche und in Glasflaschen umfülle und in den Kühlschrank stelle. Jetzt haben wir für jeden Tag in der Woche eine Flasche Milch. Wir zuhause stellen eigenen Joghurt her, frischen Kefir oder Quark. Das ist total einfach und macht Spaß. Die Plastik-Alu Verpackung von Tetra Pack für die Milch entfällt schon mal, auch die vielen Joghurtbecher aus Plastik. Ein erster Schritt beginnt immer irgendwo individuell. Ich stelle mir immer vor, wenn ich durch einen Supermarkt gehe, daß so ein Plastikbehälter nur ein einziges Mal benutzt und dann weggeworfen wird. Was für eine Ressourcenverschwendung! Wo wird das enden? Werden unsere Kinder irgendwann alle auf der Mülldeponie leben?

So ändere ich mein Verhalten in vielen kleinen Schritten. Wenn wir das jetzt in unserem Dorf mit allen Dingen machen würden, was bestimmt ein paar Jahre dauern würde, wären wir ziemlich bald klimaneutral. Und ich würde ganz hinten anfangen, mit dem Müll. Wenn ich jetzt für eine Dose, oder für eine Flasche noch Pfand bekommen würde, wäre das Problem generell gelöst. Wer das schafft, sich müllfrei durch sein Leben zu bewegen, schafft es auch bei Kleidung und bei allen anderen Gütern zu recyclen und sogar den Konsum zu reduzieren. Denn irgendwann merken wir, daß wir viele Dinge nur einmal im Monat benutzen oder noch weniger. Dann stellen wir uns die Frage „Brauchen wir das überhaupt? Müssen wir das kaufen? Oder können wir uns das von einem Nachbarn ausleihen?“ Tauschen statt besitzen, genau das lernen wir noch nicht in der Schule, aber wie wäre es, genau jetzt damit zu beginnen?

Uwe Heitkamp (60)

ausgebildeter Fernsehjournalist, Buchautor und Hobby-Botaniker, Vater zweier erwachsener Kinder, kennt sei 30 Jahren Portugal, Gründer von ECO123.
Übersetzungen : Dina Adão, Tim Coombs, João Medronho, Kathleen Becker
Fotos: Uwe Heitkamp, dpa

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