Sonntag, der 19. Abril 2020
von Uwe Heitkamp
Liebe Leserin, lieber Leser.
Wie geht es Ihnen gerade in diesem Moment? Sehen Sie schon das Licht am Ende des Tunnels? Sie stellen sich sicherlich die gleiche Frage, die auch mir heute durch den Kopf geht. Wie sieht meine Zukunft, wie die Zukunft meiner Familie und Kinder aus, in welche Zukunft wird Portugal, Europa unsere Welt steuern? Krisen sind auch immer eine Herausforderung an die Bildung. Das Kognitive dominiert in Lehrplänen, die von Lehrplänen abgeschrieben worden sind und diese wiederum von Lehrplänen davor. Leider ist das eine Realität, traurig aber wahr. Von heute an dürfen wir auch gern mal neu denken, unseren Horizont erweitern, denn unser Bildungssystem ist in weiten Teilen eine Kopie aus dem Denken und Verstehen in linearen Mustern, also von gestern. Die Welt aber ist ein komplexes System und Kompetenz besteht darin, Komplexität verstehen zu lernen, die Welt von morgen, sonst wird künstliche Intelligenz uns denkende und fühlende Menschen ersetzen.
Denken wir zuerst einmal über die Werte nach, die uns steuern. Sind es in der Klimakrise Werte wie Verzicht und Demut, so ist es die Solidarität in Zeiten von Pademien, die uns den Weg zur Bildung weisen. Es ist der Moment, in dem Werte zu unserem wichtigsten Werkzeug in der Bewältigung von Krisen werden. Bildung umfaßt nicht nur Wissen und Können, sondern ebenso Herz und Charakter, nicht nur das Wahre aus Mathematik, Physik, Chemie und Biologie sondern auch Philosophie, Psychologie und die Wirtschaftslehre im Bewusstsein der Geschichte, also auch das Schöne und das Gute. Es geht also um all das, was den Menschen zum Menschen macht. Es geht um Geisteshaltungen.
In der Schule lernen Kinder und Jugendliche über immer weniger immer mehr – und brauchen es immer weniger und vergessen es ebenso wieder, in einem atemberaubenden Tempo. Was kommt dabei heraus? Diese Frage rückt in meinem Denken in den Mittelpunkt. Wie muß Bildung sein und was muss sie können?
Beginnen wir mit etwas, was wir zuhause tun, wenn wir die Eindruck haben, unsere Wohnung, unser Keller ist zu vollgestopft mit Sachen, die wir gar nicht mehr brauchen, entrümpeln wir umfassend unsere Lehrpläne. Das Ziel dabei ist, Schule sinnvoller zu machen, sie ihrer Zeit und den Herausforderungen gegenüber gerechter zu machen, herausfordernder, sinnvoller. Dazu investieren wir zuerst einmal einen Gedanken an die Nachhaltigkeit. Warum lernen wir in getrennten Disziplinen wie den verschiedenen Fächern der Naturwissenschaften, wenn wir heute für das Verständnis der Welt Zusammenhänge erkennen müssen und Hintergründe verstehen. Bündeln wir unser Wissen von der Mathematik, Physik, Chemie und Biologie in einem Superfach namens Wissenschaft und zielen wir darauf ab, diese Wissenschaft mit der Philosophie, der Psychologie, der Religion und der Wirtschafts- und Soziallehre zu versöhnen, zu vereinen und werfen wir einen Blick über den Tellerrand einer jeden Disziplin und des linearen Denkens auf die interdisziplinare Zukunft, das Ganze. Beginnen wir endlich, den Wert der Teamfähigkeit sowohl unter Lehrern als auch unter Schülern und Studenten zu propagieren.
Sie werden mir sicherlich unterstellen, ich sei ein Träumer. Ja, bin ich, denn in Zeiten von Krisen werden wir uns unserer Träume wieder stärker bewußt. Wir haben Zeit, die wir konstruktiv nutzen können, Zeit zum Denken, wie wir in Zukunft leben, lernen und lehren wollen. Beginnen wir heute Morgen damit uns vorzustellen, wie wir unsere Träume und die Vorstellungen unserer Kinder über die Zukunft miteinander in Einklang bringen können. Denn es gibt eine Zukunft und die soll nachhaltig sein. Holzen wir Bäume nicht nur einfach ab, um Papier daraus zu machen, nein, pflanzen wir Bäume und erfreuen uns an ihrer Schönheit. Beginnen wir im Kunstunterricht damit, allen Kindern zu vermitteln, dass Fragen stellen und neugierig zu sein ganz wichtige Grundvoraussetzungen sind, das Leben zu verstehen.
Und zum Schluß noch etwas zum Weiterdenken. Wir lernen aus unseren Fehlern, die wir tagtäglich machen, nicht wahr? Nur was? Sind wir uns unserer Unvollkommenheit bewußt? Wir benötigen ein völlig anderes Bewertungssystem in unserem Leben, ein anderes, überarbeitetes Prüfungsformat für Lehrer, Studenten und für Schüler. Nicht derjenige ist professionell, der keine Fehler macht, sondern derjenige, der im Fehler den Motor der Entwicklung sieht. Was also lernen wir aus der Covid-19 Krise?