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Nº 57 – Glaubt man an Montepio?

Samstag, der 17. Oktober 2020

Es gibt Themen, die sind weitaus wichtiger als Covid-19 oder ein Wahlkampf mit Donald Duck. Mich würde beispielsweise interessieren, wie es weitergehen soll mit uns Menschen und das, was wir unsere (Volks)Wirtschaften nennen? Das ist eine grundsätzliche Frage, die jetzt gestellt und beantwortet werden muß. 2020 ist das Jahr, sich eine Pause zu nehmen, sich Zeit zu gönnen und sich Gedanken grundsätzlicher Art zu machen: ob und falls ja, wie Ökologie und Ökonomie eine Gemeinschaft eingehen können.

Es ist interessant zu beobachten, wie sich in den vergangenen Monaten die Inhalte der Presseerklärungen großer Unternehmen verändert haben. Wurden bis vor kurzem noch die Gewinne eines Unternehmens in den Mittelpunkt des allgemeinen Interesses gestellt, so ist es heute die Farbe Grün. Die Farbe Grün? Ja, klimaneutral wirtschaften ist en vogue. Denn die Angst vor der Zukunft grassiert. Der Lobgesang der Umweltfreundlichkeit multinationaler Unternehmen steht nun dort, wo früher die Rendite stand. Ganz einfach ausgedrückt: Wer Geld in ein Unternehmen investierte, hoffte ich bis vor kurzem, nach einer gewissen Zeit mehr Geld als vorher zu besitzen. Je größer die Steigerung, desto besser, nahm man an. Nun kommt alles anders. Man fragt sich in Krisenzeiten, wohin soll die Reise in Zukunft gehen?

Tetrapac aus Schweden könne in kürze nahezu klimaneutral wirtschaften, lese ich. In kürze nahezu? Und Nestle, Volvo, Airbus und viele andere auf einmal auch. Soweit so gut? Die CO2-Betrüger von Volkswagen, nebenbei bemerkt, auch. Übrigens sehe ich nichts an dem Produkt Tetrapac, was wirklich klimaneutral wäre, denn den Müll, den Tetrapac verursacht, können wir uns  sparen, indem wir lokal einkaufen. Tetrapac besteht aus Rohöl. Was also ist klimaneutral? Klimaneutral sind Orangen (frisches Obst) die man auspresst, um Saft zu haben. Tetrapac? Wofür? Ich nehme meine Kanne und kaufe die frische Milch beim Bauern direkt ein und mache manchmal sogar noch Joghurt, Kefir und Käse daraus. Ich spare mir den Müll von Tetrapac. Dasselbe gilt für Nestle und die vielen anderen, die sich nun ins Grüne zu retten versuchen. Ich boykottiere Néstle Zeit meines Lebens. Nehmen wir ein anderes, sehr aktuelles Beispiel.

Der ältesten portugiesischen Genossenschaftsbank Montepio Geral (gegründet 1844, 328 Filialen, Verlust 2019: 408,8 Mio. Euro) mit den meisten (mehr als 600.000) eingeschriebenen Mitgliedern, soll es schlecht gehen. Es wird spekuliert, sie stehe zur Übernahme durch die  größere BCP Millenium, einer 1985 gegründeten Universalbank aus Porto bereit, weil ihr Vorstand sich in den vergangenen Jahren verspekuliert habe. Mir stellt sich die Frage, ob Montepio allein durchstarten könnte, wäre sie transparent aufgestellt, würde sie nachhaltig wirtschaften, hätte sie einen Pakt mit der Ökologie geschlossen? So eine Therapie (Strategie) kann natürlich nicht von heute auf morgen und nicht von oben nach unten verschrieben werden. Nachhaltigkeit wächst immer von unten nach oben, wie ein Baum mit fest verankertem Wurzelwerk. Und das braucht seine Zeit. Aber diese Frage stellt sich nun. Wie grün könnten Banken, kann die Finanzwirtschaft in Portugal arbeiten?

Screenshot Montepio

Sollte sich eine Bank ethische Richtlinien setzen? Sollte sie nur in Werte investieren, die nachhaltig sind? Nachhaltige Werte garantieren Stabilität. Das ist die Antwort für jedwede wirtschaftliche Aktivität. Und deswegen wird die Farbe Grün zur Gretchenfrage der Wirtschaft, im Besonderen der Finanzwirtschaft. Warum in die Aktiengesellschaft GALP investieren oder in die EDP (SU) und nicht in die Genossenschaft COOPERNICO? Tragfähige Fundamente haben  ökologische Standards und Richtlinien. Diese stehen morgen noch genauso da wie heute. Dazu gehören Transparenz-Richtlinien ebenso wie eine Geschäftspolitik, die Ressourcen schont, damit sie kommenden Generationen Leben ermöglicht. Das ist die tiefere Bedeutung von Nachhaltigkeit. Eine Bank wie Montepio, zudem eine Genossenschaftsbank, muß sich jetzt neu erfinden, oder sie wird geschluckt und liquidiert. Das gilt übrigens für alle Unternehmen, nicht nur für Banken.

Wie aber können Banken in Werte investieren, die nicht ihren Müll hinterlassen, die nicht in den Waffenhandel involviert sind, die Wasserquellen nicht um jeden Preis ausbeuten, die nicht auf Monokulturen setzen, die keine soziale Ausbeutung zulassen? Wir benötigen in Portugal mehr denn je eine echte Bank, die nicht in Gentechnik, sondern in heimische, nachhaltige Agrarwerte investiert; nicht in fossile Brennstoffe aber ja, in grüne und saubere Mobilität und Energiegewinnung, die nicht in Monokulturen wie Eukalyptus etc. aber ja, in gesunde heimische Mischwälder, die heute gesund sind und es morgen immer noch sein werden. Gibt es diese Werte in unserer Wirtschaft? Leider (noch) viel zu wenig.

Der Prozess der sogenannten Gesundschrumpfung unserer Wirtschaft in Corona-Zeiten hat begonnen. Fluggesellschaften gehen Konkurs. Autohersteller und ihre Zuliefer- und Händlerketten kämpfen ums Überleben, auch Hotels und eben Banken. Das gilt auch für die  Schulden eines Staates, der bankrotten Fluggesellschaften Geld hinterherwirft und einem Tourismus, dessen Immobilienwahn das Land zerstört. Wo bleiben die Menschen?

Vergebens suche ich bisher in Portugal eine echte Genossenschaftsbank, die nur noch in ethische Werte investiert: die ihren Mitgliedern die klimagerechte Sanierung von Häusern in Porto und Lissabon finanziert und in abgebrannte Immobilien auf dem Land investiert und sie sicherer macht vor den Hitzewellen, Stürmen und Waldbränden der Klimakrise; die in klein bäuerliche regionale Betriebe investiert, die biologische und sozial orientierte Landwirtschaft betreiben und in regionale Vertriebsketten von gesunden Lebensmitteln, in nachhaltiges business und in gute Bildung. Ich stelle mir vor, das Greenwashing keine Zukunft hat, sondern daß echtes, grünes Wirtschaften Wirklichkeit wird. Kreislaufwirtschaft. Dann wäre ein Projekt wie Acredita Portugal auch sinnvoll, nämlich dann, wenn eine Bank für sich selbst und ihre Kunden eine Lösung findet. Die Chancen für ein Acredita Montepio orientieren sich an der Antwort auf die Frage, werden Ökonomie und Ökologie eine Gemeinschaft eingehen.

Uwe Heitkamp (60)

ausgebildeter Fernsehjournalist, Buchautor und Hobby-Botaniker, Vater zweier erwachsener Kinder, kennt sei 30 Jahren Portugal, Gründer von ECO123.
Übersetzungen : Dina Adão, John Elliot, Kathleen Becker
Fotos: dpa

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