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Nº 76 – Zum Mars

Samstag, der 27. Februar 2021

Ist es nicht spannend, Spuren außerirdischen Lebens auf dem Mars zu sammeln? Vielleicht gibt es ja sowas wie Menschen dort? Manchmal frage ich mich, ob wir uns die Energie und das Geld sparen könnten, eine Rakete zu bauen, zu zünden, um damit 250 Millionen km zum Mars zu fliegen? Man stelle sich unsere Erde einmal ganz ohne Wald und ohne Wasser vor, ohne Wolken und ohne Wind, ohne wohlig warme Temperaturen und auch ohne die wiederkehrenden  Jahreszeiten. Denken wir uns die bald zehn Milliarden Menschen und die vielen anderen Arten der Flora und Fauna unseres noch blauen Planeten einfach mal weg. Vergessen wir für einen Moment auch mal den Begriff Pandemie. Was sähen wir dann? Die Erde als Mars, minimalistisch, als Monokultur? Die Erde, ein totes Lebewesen?

Ich gucke gerade in mein Portemonnaie. Da blicke ich auf ein paar Münzen und zähle die wenigen bedruckten Scheinchen aus Papier. Seit einiger Zeit habe ich einen Enkel und der heißt Janosch. In Gedanken unterhalte ich mich oft mit ihm. Denn uns trennen viele Kilometer. Er lebt in einem anderen Land. Und im Moment kann ich ihn nicht besuchen. Immer wieder und wieder stellt er mir imaginäre Fragen und ich ihm. Opa, warum ist ein Baum für uns Menschen nur ein Stück Holz? Könnte ein Baum nicht auch ein Freund sein, mit dem man spielt? Die Antwort? Bleiben wir sachlich? Das Fällen eines Baumes dient dazu, aus dem Holz das Papier und zum Beispiel daraus wieder eine bedruckte Geldnote zu machen. Das wäre so eine Antwort. Eine andere, ja, wenn wir uns demnächst mal treffen, bauen wir zusammen ein Baumhaus in einer Schirmpinie.

Wir Menschen eignen uns Fähigkeiten und Wissen an (weil wir es können?) üben ganz wichtige Berufe aus und könnten doch alles so belassen wie es ist – oder wie es einmal war: in bunter Vielfalt und weniger komplex. Janosch, wir Menschen pflanzen heute keinen Baum mehr für unsere Enkel. Unsere Maschinen pflanzen eine Plangage aus Monokulturen, zum Beispiel Eukalyptus, und sei es dafür, um aus dem Baum das Holz, den Zellstoff und daraus dann Papier zu machen. Ich schaue lange in die Ferne und wieder in mein Portemonnai. Der Wald dient dem Menschen als Ressourcen- und Ersatzteillager. Aber machen wir so die Erde auf lange Sicht nicht auch kaputt? Vorgefunden hatten wir vor langer Zeit einen Garten Eden in all seiner Schönheit. Haben wir uns nicht im wahrsten Sinne des Wortes damit den Ast des Lebens abgesägt, auf dem wir saßen? Und wohin führt der Sturz? In den Abgrund? Ins Nichts? Nein, Janosch, mit dem bedruckten Papier (aus einem Baum) im Portemonnaie kann ich mir etwas kaufen. Was denn?

Ist das nicht alles pessimistische Schwarzmalerei, ruft mein Gewissen? Wir Menschen sind doch in der Lage, (weil wir es können?) eine Rakete zum Mars zu schicken. We are the heroes! Mit beiden Füßen stehe ich auf dem Boden, auf der Erde meines Zuhauses und fliege doch jedes Jahr – nicht etwa zum Mars – aber immerhin in den Urlaub, oder gerade mal nicht. Und jetzt kommt da dieser Amerikaner und bietet mir eine Urlaubsreise zum Mars an. Was soll ich da? Die Reise kann ich mir sparen, denn in ein paar Jahren wird mein Garten hier unter meinen Füßen genauso aussehen. Ich muß mir nur einen bequemen Platz suchen, auf den ich mich begebe, mich dort hinsetzen, um in aller Ruhe zuschauen zu können, wie es stürmt, brennt und knallt. Am besten dafür geeignet ist ein Sofa in der guten Stube. Vor mir steht der Fernsehapparat oder der Laptop. Egal, ich schalte das Ding an und schaue zu, ohne einen Finger rühren zu müssen, wie eine Krise der anderen folgt. Vielleicht passiert auch mal wieder eine schöne Katastrophe? Wer weiß es.

In einer Sendepause, stellt mir mein Enkel dann die alles entscheidende Frage. Opa, wie wandeln Bäume Kohlendioxid in Sauerstoff um? Schwierige Frage. Das Faszinierende an Bäumen ist, dass sie bei der Energiegewinnung völlig autotroph sind, antworte ich ihm. Opa, was bedeutet das? Ein Baum stellt ganz ohne fremde Hilfe alle lebensnotwendigen Stoffe selbst her – nur mit Hilfe von Sonnenlicht, Kohlendioxid und Wasser. Und wie funktioniert das? Wir nennen das Fotosynthese. Dank ihrer grünen Blattfarbstoffe, den Chlorophyllen, sind Bäume in der Lage, aus dem Kohlendioxid der Luft und dem Wasser des Bodens wichtige Nährstoffe aufzubauen. Als Energiequelle nutzen Wälder dabei das Licht der Sonne.

Doch wie wandelt ein Baum das Kohlendioxid in Sauerstoff um? Dazu muss zuerst Luft durch die Spaltöffnung an der Blattunterseite ins Innere des Blatts gelangen. Dort ist das Chlorophyll dafür verantwortlich, die Lichtenergie aufzunehmen und mit Hilfe der einströmenden Luft das Kohlendioxid zu entziehen. In einem chemischen Prozess reagiert das Kohlendioxid mit Wasser, das durch die Wurzeln aus der Tiefe aufgenommen wird. Dabei wird nicht nur Sauerstoff freigesetzt, sondern auch wichtige Energie gewonnen.

Schau an. Und wie geht das mit dem Zucker? Das für die Pflanze so notwendige Endprodukt ist Traubenzucker, der auch als Glukose genannt wird. Dieser energiereiche Stoff ist wasserlöslich und kann innerhalb des Baumes überall hintransportiert werden. Als Kraftstoff wird Glukose zum Aufbau von Speicherstoffen wie Stärke und Zucker sowie von Baustoffen, aus den Holz, Rinde und Blätter gebildet werden, benötigt. Die Pilze im Wald helfen den Bäumen bei dieser Umwandlung. Bäume brauchen sehr viele Blätter, um viel Energie aufnehmen und überleben zu können. Auch Tiere und Menschen profitieren vom Wald. Durch die biochemischen Vorgänge in den Blättern der Bäume wird dabei der für uns notwendige Sauerstoff produziert. Eine 100jährige Korkeiche stellt pro Stunde circa zwei Kilogramm Sauerstoff her. Diese Menge benötigen etwa 50 Menschen im gleichen Zeitraum zum Atmen. Die Fotosynthse gilt als wichtigster biologischer Prozess auf der Erde. Was, um Himmels willen, wollen wir da noch auf dem Mars? Pflanzen wir nicht besser jeder einen Baum auf der Erde?

P.S.: Jeden letzten Samstag im Monat treffen sich um 10 Uhr die Freunde des Waldes in Esgravatadouro bei Caldas de Monchique. Sie arbeiten ein paar Stunden im neuen Botanischen Waldgarten an der frischen Luft mit den jungen Bäumen des dort im Jahre 2018 abgebrannten Waldes. Sie kreieren einen neuen Waldgarten. Nach getaner Arbeit  nehmen sie gemeinsam eine heiße Suppe ein.

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Uwe Heitkamp (60)

ausgebildeter Fernsehjournalist, Buchautor und Hobby-Botaniker, Vater zweier erwachsener Kinder, kennt seit 30 Jahren Portugal, Gründer von ECO123.
Übersetzungen : Dina Adão, Tim Coombs, João Medronho, Kathleen Becker
Fotos: dpa & Reuters

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