Samstag, den 7. August 2021
Der innere Kompass ist das Wichtigste, was man für sein Leben braucht. Stimmt das? ECO123 beabsichtigt, die verschiedenen Bürgermeristerkandidaten der kommenden Kommunalwahl zu ihren Vorstellungen von Politik zu befragen. Intensiv haben wir uns damit beschäftigt, ob wir auch den Kandidaten der neuen faschistischen Partei ein Forum für seine Vorstellungen bieten sollen. Wir als demokratische Journalisten haben unsere Zweifel daran. Aber ja, Fragen hätten wir. Zum Beispiel diese: „Waren Sie schon mal auf der Insel Santiago auf den Kapverden?“
Um auf den Kapverdischen Inseln Urlaub zu machen? Nein, um das alte Konzentrationslager der portugiesischen Faschisten in Tarrafal zu besuchen. Es wurde 1936 gebaut und nahm sich ein Beispiel am deutschen KZ Dachau. Der Ort wurde strategisch gewählt, da er so weit abseits lag und perfekt war, um zu verhindern darüber Zeugnis abzulegen – einerseits und andererseits – dort herrschte ein so ungesundes Klima, es gab wenig Trinkwasser im Sommer und viele Mücken in der Regenzeit, was Krankheiten wie Malaria und Gelbfieber begünstigte. In Tarrafal, auch das Lager des langsamen Todes genannt, war es das Hauptziel, die portugiesischen und afrikanischen Gegner der Salazar-Regimes physisch und psychisch zu vernichten und sie unter unmenschlichen Bedingungen von Gefangenschaft, Misshandlung und Unmenschlichkeit vom Rest der schweigenden Mehrheit dieser Welt zu isolieren. Wollen wir diese 48 Jahre vergessen, wenn wir über Portugals neue faschistische Partei berichten?
In einer erste Phase, von 1936 bis 1954, war Chão Bom (Guter Boden), wie der Ort auch euphemistisch genannt wurde, nur für politische Gegner bestimmt: für Sozialisten, Kommunisten und Republikaner, für Andersdenkende. Am 29. Oktober 1936 trafen die ersten 157 Häftlinge aus Lissabon ein, einige von ihnen Teilnehmer des Matrosenaufstands von 1936. In den ersten beiden Jahren, als die politischen Gefangenen nur in Gruppenzelten untergebracht waren, mussten sie bei extrem hohen Temperaturen arbeiten, um die Lagermauer und andere Infrastruktur zu errichten. Als die ersten Krankheiten auftraten, hatte der einzige anwesende Arzt keine Medikamente, um die Patienten zu behandeln. Er beschränkte sich darauf, Totenscheine auszustellen. Von den 340 politischen Gefangenen, die das Lager durchliefen, starben zehn Prozent. Zu den berühmtesten Opfern gehören Bento Gonçalves, der damalige Vorsitzende der Kommunistischen Partei, und Mário Castelhano, der Vorsitzende des Allgemeinen Gewerkschaftsbundes.
Die “Frigideira”, von den Häftlingen auch “Eliminationskammer” oder “Folterraum” genannt, war ein Ort der Bestrafung, an dem die Häftlinge gefoltert wurden, da sie keine Nahrung und kein Licht bekamen und die Temperaturen zwischen 50 und 60 Grad lagen. Die “Frigideira” war für den Tod von 30 Häftlingen und die Erkrankung von Dutzenden von anderen verantwortlich. Das aktuelle Museum des Widerstands zählt 2.824 Tage, die in der “Frigideira” verbracht wurden. Irgendwann ging dem Regime der politische Feind aus, man hatte ihn entweder eleminiert oder völlig gebrochen wieder nach Hause geschickt. In 1954 wurde das Konzentrationslager vorübergehend geschlossen.
In der zweiten Phase, nachdem das Lager am 14. April 1961 wiedereröffnet wurde, begann das faschistische Regime, Kämpfer des nationalen Befreiungskrieges des portugiesischen Kolonialkrieges von Angola, Guinea-Bissau und Kap Verde aufzunehmen. 106 Angolaner, 100 Guineer und 20 Kapverdianer kamen nach Tarrafal. Anstelle der “Frigideira” wurde die “Holandinha” eingeweiht, die praktisch den gleichen Zweck erfüllte: Sie war “etwas höher als ein stehender Mann, etwas länger als ein liegender Mann, etwas breiter als ein sitzender Mann, mit einem kleinen vergitterten Fenster” und “ein echter Ofen”. Ein angolanischer politischer Gefangener und zwei Guineer starben sofort in diesem Lager.
Nach der Nelkenrevolution und dem Ende der Diktatur des sogenannten Neuen Staates (Estado Novo) wurde das Lager sofort geschlossen. Erst 2009 wurde es in „das Museum des Widerstands“ umgewandelt. Am 14. August 2016 erklärte die kapverdische Regierung das Konzentrationslager Tarrafal zum nationalen Kulturerbe. Zu Ehren des Kampfes wurde der 29. Oktober zum “Tag des antifaschistischen Widerstands” erklärt.
Am Sonntag, dem 26. September finden in Portugal Kommunalwahlen statt. Es werden 308 Bürgermeister neu gewählt. In vielen Landkeisen treten neuerdings wieder Kandidaten einer faschistischen Partei an und haben gute Chancen, mit weitaus weniger als 30% der Stimmen zu Bürgermeistern gewählt zu werden. In den meisten Kommunen treten sechs oder mehr Kandidaten an, die alle um dieses Amt buhlen. In Monchique stellen sich sechs Kandidaten zur Wahl. ECO123 stellt fünf von ihnen in den kommenden Online-Ausgaben vor.