Was bisher über die Geschäfte der BES (Banco Espírito Santo) und über die Geschäftszweige der Grupo Espírito Santo bekannt geworden ist, ist alles andere als beruhigend.
Mit dem Wissen um die Verwicklungen ist man immer mehr geneigt, offen für Initiativen zu sein, die das Bankensystem mit anderen Augen sehen, auch hier in Portugal. In diesem Sinne führte ECO123 ein Interview mit Herrn Tito Damião, dem Geschäftsführer des Verbandes der Selbstfinanzierten Gemeinschaften (ACAF). Dieser engagiert sich für die Schaffung der Voraussetzungen zur Einführung einer ethischen Bank in Portugal.
ECO123: Bevor wir zum Thema kommen, können Sie uns bitte erklären, was ACAF bedeutet?
ACAF existiert seit 2009. Es handelt sich um eine Non-Profit-Organisation in sozialer Mission, Hand in Hand mit Mikrofinanzierung und Share Economy, zur Förderung und Stärkung der Menschen und Gemeinschaften mit Konzepten, die ihr Vertrauen, ihre Autonomie und Nachhaltigkeit verbessern. Ursprünglich entwickelt als gemeinnütziger Verein, führten zum einen die derzeitigen enormen Schwierigkeiten bei der Finanzierung von Organisationen für nicht staatlich unterstützte soziale Missionen und auf der anderen Seite das Innovationspotenzial und die Selbsterhaltung einiger Bereiche der ACAF zur Rekrutierung eines neuen Geschäftsführers und seinem Team im Oktober 2013 sowie zu einem Umwandlungsprozess von ACAF durch Einnahmen schaffende Projekte für die Finanzierung des sozialen Auftrags. Dieser Prozess steht noch in den Kinderschuhen und ACAF ist heute eine von vielen sozialen Unternehmerorganisationen mit Techniken, um Einzelpersonen oder Gemeinschaften zur Selbstständigkeit hinzuführen. Aber wir benötigen weitere Mittel, um zu überleben und zu wachsen. Die Landschaft des sozialen Unternehmertums in Portugal ist noch klein, und noch immer gibt es keine Formen der Finanzierung, die die Vielfalt der Modelle der Organisationen und die Phasen, in denen sie sich gerade befinden, berücksichtigt.
Welche Bedürfnisse verleihen in diesen Zeiten dem Bedürfnis nach einer ethischen Bank mehr Nachdruck als in der Vergangenheit ?
Ich würde sagen, es besteht Bedarf nach Fairness, Verlässlichkeit, mehr individuellen Anpassungsmöglichkeiten, mehr Selbstregulierung und einem wirksamen Verbraucherschutz.
Fairness, weil es zur Zeit keine Anzeichen für die Gleichbehandlung bei der Vergabe der Finanzdienstleistungen an Privatkunden, Firmen und Organisationen gibt.
Verlässlichkeit (einschließlich voller Transparenz), weil wir nur unter langfristig stabilen Gegebenheiten und mit Weitsicht arbeiten können. Im aktuellen System der freien Marktwirtschaft gibt es kaum Regeln. Das wirkt sich nachteilig und belastend auf unsere eigene Wirtschaft aus.
Personalisierung und Selbstregulierung, weil es heutzutage keinen Sinn mehr macht, bestimmte Aufgaben an Dritte zu delegieren, wenn Kunden zunehmend den Wunsch und die Bereitschaft zeigen, Lösungen gemeinsam zu erarbeiten, was mit der heutigen Technik zu geringen Kosten machbar ist.
Diese Anforderungen führen uns zu zwei Punkten, die die historische Bedeutung der Einführung einer ethischen Bank unterstreichen als eine Möglichkeit, das öffentliche Interesse an dieser Dienstleistung zu erhalten: Der erste ist, dass die Interessen der Bankkunden immer an erster Stelle stehen sollen, seien es die der Aktionäre oder der anderen Dienstleistungsempfänger, und dass diese Interessen stärker zur Selbstregulierung und zur Public Policy beitragen, als es zur Zeit der Fall ist. Zum Beispiel führen der kommerzielle Druck und der leichte Zugang zu Krediten, wie das für viele Jahre im Bereich der Eigenheimfinanzierung der Fall war, gehäufte Spekulationsgeschäfte, Mangel an Verhandlungskraft und finanzieller Kompetenz in ihrer Gesamtheit zu den strukturellen Faktoren eines großen sozialen Problems, nämlich dem Kreditverlust und der Überschuldung, dessen tragischer Verlauf durch die in den USA mit der Subprime-Kreditkrise ihren Ursprung nehmende Weltwirtschaftskrise im Jahre 2008 ausgelöst wurde.
Wenn auch diese Krise nicht in ihrem vollen Umfang vorausgesehen werden konnte, so waren die Bedingungen, die dazu führen können, umfassend bekannt und vorab schon von vielen Wirtschaftswissenschaftlern, NGOs und Politikern diskutiert worden. Das bedeutet, sie hätte vermieden werden können, wenn es eine Reform der Regulierung in diesem Sektor gegeben hätte. Die Verantwortung dazu liegt bei nationalen Regierungen wie den USA, länderübergreifenden Behörden wie in der EU und multilateralen Plattformen wie der WTO.
Der zweite Punkt ist, dass die Interessen der Bürgerinnen und Bürger, dass heißt, der Steuerzahler, als übergeordnetes öffentliches Interesse anzuerkennen sind. Die Einrichtung eines Rechtsrahmens zur Regulierung des Bankensystems dient diesem Interesse als präventive und nicht palliative Maßnahme.
Es soll zum Beispiel dabei helfen, kriminelle Verhaltensweisen in einem Stadium aufzudecken, bevor sie zu irreversiblen, verheerend auf Wirtschaft und den sozialen Frieden wirkenden Konsequenzen führen. Konsequenzen, die, wie wir das seit der Krise von 2008 beobachten, auch weiterhin von den Bürgern / Steuerzahlern ganz oder teilweise abbezahlt werden, jedoch nie, wie es eigentlich richtig wäre, von den Tätern, vielleicht mit Ausnahme von Island, denn dort wurden gekonnt alle mit der Krise in Verbindung stehenden Folgen an die Strafjustiz verwiesen, nicht aber an den Staat bzw. Steuerzahler.
Von welchen Interessengruppen wissen Sie, dass sie die Einführung einer Ethik-Bank in Portugal unterstützen, und welche Rolle spielt die ACAF dabei?
Kürzlich begann auf Initiative der Piaget Agentur für Integrale Entwicklung1 (APDES) eine Gruppe von circa 30 Unternehmen einen Prozess der Zusammenarbeit rund um die Themen Mikrofinanz und Share Economy (auch: Ko-Konsum, Kollaborative Wirtschaft). Im ersten Schritt wird es eine Veranstaltung geben, die noch bekannt gegeben wird, auf der sich sehr auf das Thema Ethik-Bank konzentriert werden wird, insbesondere anhand von internationalen Beispielen, wie der Ethik Bank Fiare in Spanien. Dort wird auch auf andere Ansätze zur Mikrofinanzierung und der Share Economy eingegangen werden, wie die Online-Kreditplattform peer-to-peer für soziales Sparen und Investieren, die nordamerikanische PUDDLE.COM2 , geführt von Jean Claude Ferrera, dem Gründer der ACAF Spanien und Schöpfer der Methodik CAF, neben anderen Ansätzen wie lokalen Währungen. Weitere Ziele der Veranstaltung sind: die Harmonisierung der Konzepte und die Identifizierung von ähnlichen Methoden, die in Portugal in diesen Bereichen in die Praxis umgesetzt werden; diese Fragen offen zu diskutieren und andere Organisationen aufzurufen, dem Netzwerk beizutreten, um ökonomische Skalierung zu kreieren und für rationelle und effiziente
Kooperationsbeziehungen im Ressourcenmanagement. Das verbindende Element ist dabei nicht so sehr die Schaffung einer ethischen Bank, sondern dass es sich um Organisationen mit sozialer Mission handelt, die nach gemeinschaftlichen Lösungen und Zusammenarbeit in diesen Bereichen suchen. Was sie allerdings noch entzweit und was sicherlich bei dieser Zusammenkunft und in Zukunft auf konstruktive Weise angesprochen werden muss, ist die ideologische Positionierung und die Verfügbarkeit der Projekte zur Zusammenarbeit auf diesen Gebieten mit dem öffentlichen und privaten Sektor. Nach Bestreben von ACAF sollen alle Abteilungen angehört werden. Alles, was verbessert werden kann und was dem öffentlichen Interesse dient, muss offen auf den Tisch gelegt und diskutiert werden, einschließlich des (non-profit) Dienstleistungssektors selbst. ACAF war das erste Unternehmen, das diesem informelle Netzwerk beigetreten ist. Sie ist Partner der Veranstaltung und beabsichtigt, die Aufmerksamkeit auf die Tatsache lenken, dass Portugal laut OECD zu den Ländern mit dem niedrigsten Indikator für zwischenmenschliches Vertrauen gehört – ein kritischer Faktor bei allen Formen der Zusammenarbeit und Transaktionen, insbesondere finanzieller Art, und etwas, dass auch bei der Diskussion über nachhaltige und soziale Entwicklung angesprochen werden muss. Vertrauen ist auch ein entscheidender Faktor für den Erfolg oder Misserfolg der Rationalisierung und des Ausbaus der Versorgung mit Mikrokrediten und der Share Economy in Portugal und als auf Gemeinschaft und Gleichberechtigung basierter Alternative zum traditionellen Bankensystem. Die aktuelle Zersplitterung der sich ähnelnden Kennzeichen und Methoden im dritten Sektor, selbst wenn sie nicht miteinander konkurrieren, birgt die Gefahr, dass potentielle Dienstleistungsempfänger bei der Wahl verunsichert werden und die Bereitschaft, sich zu beteiligen und das Potential für die soziale Wirkung schwächen sowie die Vertrauensbildung bei den Menschen behindert.
Ist eine Ethik-Bank in Portugal derzeit denkbar?
Im Großen und Ganzen gibt bereits sehr solide Mikrofinanzlösungen, wie sie ACAF auch schon anbietet, nur brauchen sie noch Investitionen und einen verbesserten Rechtsrahmen, der ihnen den Raum als Alternative innerhalb des Bankensystems schafft und mit der Möglichkeit zum Selbsterhalt, wie es das Recht dieser Organisationen und der Begünstigten ist. Ohne die Reformierung des Rechtsrahmens und Investitionen werden diese Organisationen kaum in der Lage sein, das Maß an Vertrauen zu gewinnen, das für uns alle als Nutznießer des traditionellen Bankensystems gewonnen wurde, das Vertrauen, das nun ebenfalls rückläufig ist, so dass die Menschen, in einen Zustand der Unsicherheit versetzt, Veränderung fordern. Entgegen dem, was man denken würde, gibt es nur wenige Einschränkungen für die Hauptbedürfnisse der überwiegenden Mehrheit der Menschen, die sie an der Beteiligung an einer nachhaltigeren Bank hindern würden, die auch Einlagen mit einschließt, auch wenn sie ein wenig anspruchsvoller in Bezug auf die Teilnahme ist, zumindest nach der Logik des Kunden / Unterstützers / Regulators . Die größte Hürde besteht nicht in einem finanziellen Analphabetismus, sondern im Vertrauen, und im Fall von eigenfinanzierte Gemeinschaften (CAF´s) und anderer Methoden ist es das gestiegene Vertrauen, das große soziale Auswirkungen bewirkt. Viel kleiner sind noch die technische Grenzen, die verhindern, dass diese Methoden zu Allgemeingut werden oder die Menschen bei der Wahl aus einem größeren Angebot behindern, wo sie entscheiden können, wo und unter welchen Bedingungen sie nicht nur ihr Geld anlegen, sparen und investieren, sondern auch andere völlig unterschätzte Hilfsmittel wie Fähigkeiten, ihre Zeit, ihr Ansehen unter Kollegen, Objekte, alles Ressourcen und Transaktionen, die keinen Sinn machen, wenn sie ineffizient auf Ebene einer Gemeinschaft, einem Gebiet oder einem Land verwaltet werden.
Gesamt gesehen wird es eine ethische Bank auch im derzeitigen Rahmen immer geben können. Bedürfnis, Legitimität und Motivation sind deutlich vorhanden, aber in Portugal ist die Mobilisierung von Ressourcen und Engagement bedeutend schwieriger als beispielsweise in Spanien, ein Prozess, den Fiare mit scheinbarem Erfolg gemeistert hat. Um es noch einmal zu betonen: Unser geringes zwischenmenschliches Vertrauen spielt eine zentrale Rolle. Dazu kommt noch, dass die Finanzierung einer neuen Bank durch eine Genossenschaft oder über Crowdfunding auf nationaler Ebene eine große Herausforderung darstellt, wenn man die mangelnden Liquidität der portugiesischen gegenüber der spanischen Mittelschicht betrachtet. Wenn jedoch in Portugal keine ethische Bank auf Betreiben des dritten Sektors zustande kommen sollte, so werden zweifellos trotzdem neue Banken entstehen, wie das interessante und innovative Beispiel der Aktivo Bank zeigt , die sich auf Online-Lösungen konzentriert, und ein weiteres Beispiel, das in gewisser Weise die Relevanz der anhaltenden Diskussion um mögliche Initiativen des dritten Sektors bestätigt und was die CTT in den letzten Tagen dazu bewog, ihre Absicht zu bestätigen, eine neue Bank namens Banco Postal zu gründen. Wie das Unternehmen mitteilte, “gibt es eine eindeutige Gelegenheit auf dem Markt, eine an eine finanziell konservative Bevölkerung mit mittlerem bis niedrigem Einkommen gerichtet Bank einzuführen“. Um eine Vorstellung davon zu bekommen, welch eine Herausforderung die Schaffung einer Ethik-Bank für den dritten Sektor darstellt: die geschätzten Investitionen für die neue CTT Bank werden sich auf rund 100 Millionen Euro über fünf Jahre lang belaufen.
Präsident und Geschäftsführer von ACAF Portugal (Shared Value Gemeinschaften), Berater für Soziale Auswirkungen bei Stone Soup Consulting.
Geboren 1973. Soziologe. Ehemals Stabschef im Europäischen Parlament, Planungsberater im Ministerium für Justiz und Management-Berater bei SDO (=Student Development Office)-Consultants. Früher Direktor in der Abteilung für Unternehmertum und Sozialwirtschaft der Santa Casa da Misericordia in Lissabon, wo er für die Erstellung und Verwaltung von Sozialen Unternehmertum-Programmen und nationalen und internationalen Partnerschaften verantwortlich war.
ACAF – Verband der Selbstfinanzierten Gemeinschaften Largo Intendant
Pina Manique 35, 1100-285 Lissabon
Web: www.acafportugal.org
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