Samstag, der 6. Mai 2023.
Essen gehen? Es ist Freitag 14 Uhr. Wir sind auf dem Weg nach Monchique und testen im soeben wiedereröffneten Restaurant Miradouro oberhalb von Caldas de Monchique eine Pizza Magharita. Mein italienischer Chefkoch Carlo Padulo, bei dem ich vor langer Zeit Pizza machen gelernt habe, gab mir ganz früh im Leben den Tipp, immer erst mit einer Pizza Margharita zu beginnen. Bei Tomatensouße und Käse kann man sich kaum den Magen verderben. Der Teig heute ist sehr komisch und kaum gar. Das Gleiche bei einer zweiten Pizza namens „Quatro Estações“. So frage ich und mir wird gesagt, daß der Pizzateig aus dem Kühlregal eines Supermarktes stammt. Wir beenden das Testessen kommentarlos. In den Toiletten quillt uns aus den Eimern das Toilettenpapier entgegen. Es ist besser zu gehen. Wir zahlen für drei Personen € 30,50. Die Besitzerin ist (noch) nicht in der Lage, die Cafémaschine souverän zu bedienen und eine Rechnung am Computer will auch nicht gelingen. Nach einer Viertelstunde Warten verabschieden wir uns freundlich. Wir sollen doch später noch einmal vorbeischauen. Sollen wir?
Zweiter Anlauf. Einen Tag später. Mittlerweile ist es Samstag, 13h15. Jetzt sind wir in Loulé. Wir besuchen das Restaurant Cantina dos Sabores zum Mittagessen. Ich habe dort in 32 Jahren genau 113 Mal gegessen und war immer sehr zufrieden. Deswegen habe ich das Restaurant ausgesucht – auch, um den Freitag irgendwie vergessen zu machen. Ich begreife die Diversität der Cantina dos Sabores als Chance, so daß hier jedeR von uns etwas Gutes und Gesundes zum Essen und Trinken aussuchen kann. Weil Loulé von der Redaktion 80 km entfernt liegt, habe ich tags zuvor die Webseite des Restaurants aufgerufen und eine Reservierung geschrieben, denn ich wollte sicher gehen, einen Tisch für vier Personen zu bekommen. Sehr oft ist das Restaurant voll und eine Menschentraube wartet davor, um eingelassen zu werden. Wartezeiten von einer halben Stunde haben zur Mittagszeit keinen Seltenheitswert.
Der Wagen ist mit Solarstrom aus den eigenen Modulen voll aufgeladen. Los geht die Fahrt. Nach einer Stunde Fahrzeit mit dem Elektroauto und Null-Emissionen erreichen wir das Restaurant. Ich erfahre, daß die Reservierung des Tisches per Email nicht funktioniert hat, weil das Management des Restaurants kein Passwort zum geschützten Bereich der Webseite mehr besitzt und meine Reservierung nicht annehmen konnte. Ich hätte anrufen sollen. Ja und woher soll ich das wissen? Jetzt warten wir also 25 Minuten, bis wir einen freien Tisch zugewiesen bekommen. Innerhalb der Wartezeit (im Stehen) sollen wir uns entscheiden, was wir zu essen wünschen. Das würde die Wartezeit erheblich verkürzen. So wird uns das gesagt…
Ich besuche das WC, um mir erst einmal die Hände zu waschen. Gerade nach der Corana-Pandemie – aber auch sonst – bin ich sehr bemüht, die Handhygiene nicht zu vernachlässigen. Der Automat mit der Handtuchrolle ist am Ende angekommen. Das letzte Ende, das lose aus dem Automaten heraushängt, ist bereits mehrfach benutzt. Es ist Samstagmittag, das Wochenende naht, warum also dem Kunden noch ein sauberes Handtuch anbieten? Ich gehe zu den „Damen“ und schaue, ob es dort möglichweise noch ein sauberes Handtuch gibt, um meine Hände abzutrocknen. Aber auch im Damen-WC und auch beim dritten Waschbecken, im Vorraum, gibt es keine sauberen Handtücher mehr. Das Testessen beginnt also mit feuchten Händen.
Rafael hat die Tageskarte im Stehen studiert und schnell herausgefunden, was er essen möchte, nämlich einen Hamburger mit Süßkartoffeln und Salat. Auf meine Nachfrage, wie der Hamburger gemacht wird und woher das Fleisch stammt, erhalte ich die Antwort, daß Fleisch stamme aus Argentinien. Ach so, argentinisches Fleisch ist jetzt ein Qualitätsmerkmal? Das wußte ich noch nicht. Ich ging davon aus, dass Fleisch auf dem Teller eines Restaurants in Portugal aus dem nächstgelegenen Schlachthof stammt. Ich bin sprachlos und sage erst einmal nichts. Beim Fleischer des Restaurants in Loulé kauft der Koch der Cantina dos Sabores das argentinische Rindfleisch ein, erzählt die Wirtin. Fleisch von Qualität.
Dieses tote Tier, so stelle ich es mir bildlich vor, reist in Zeiten des Klimawandels sage und schreibe 7.000 Kilometer von Buenes Aires über Lissabon nach Loulé ins Restaurant Cantina dos Sabores: Gute Reise. Dann bin ich ja beruhigt. Bin ich denn nicht in einem vegetarischen Restaurant gelandet, in dem die fleischlose Küche einen hohen Stellenwert besitzt, (wie es die Webseite sugeriert) oder wo bin ich jetzt? Hat „die Geschäftsführung“ gewechselt, frage ich noch, oder ist der Koch neu? Nein, alles beim Alten.
Catarina wählt aus der Speisekarte die Spaghetti mit Krabben aus. Graciete nimmt die Canneloni mit Ricotta-Käse und Spinat. Ich entscheide mich für die Seitan-Frikadellen mit Tomatensouße und Süßkartoffeln. Eigentlich könnte ich die Geschichte hier beenden, denn manche Küchen arbeiten, in dem sie die Tagesgerichte bereits vor der Bestellung des Kunden anfertigen und bei Bestellung nur noch den Salat auf den Teller packen.
Die Seitan-Frikadellen müssen schon Stunden vorher zubereitet worden sein. Die Souße über den Frikadellen ist eingetrocknet, die sieben Scheiben Süßkartoffeln sind kalt und trocken und beim Salat fehlt das Dressing. Ich probiere die Spaghetti des Nachbartellers. Noch nie habe ich so trockene Spaghetti mit Krabben gekostet. Kennt man denn kein gutes Olivenöl in der Cantino dos Sabores? Bin ich wirklich in einer Großküche, einer Kantine? Enttäuschung macht sich breit. Entweder der Koch kann es nicht, oder aber die Arbeitsbedingungen in der Küche stimmen nicht. Irgendetwas läuft hier heute grundlegend falsch. Zuviele Gäste?
Zum Nachtisch nehme ich eine Mousse mit Früchten aus Waldbeeren. Ich suche die Waldbeeren (frutos silvestres) vergeblich. Es gibt ja auch keinen Wald mehr an der Algarve. Das erklärt vieles. Am Ende des Ganzen nehme ich dann doch noch eine Scheibe vom weißen Schokoladenkuchen mit dunkler Schokoladensouße. Ich habe nicht nur noch Hunger, mir fehlt der Abschluß. Ich stelle fest, daß es sich auch nicht um weisse Schokolade handelt, sondern eher um eine „Tarte de Natas“, die in dunkler Schokolandesouße ertränkt wurde.
Wären nicht die frisch gepressten Fruchtsäfte gewesen, das Highlight – würde die Cantina dos Sabores einen Eintrag ins Reklamationsbuch bekommen. Am Ende zahle ich eine Zeche von 82 Euro für vier Personen. Das war vielleicht mein letzter Besuch in der Cantina dos Sabores in Loulé.
Ende gut, alles gut? Nein. Es kommt noch besser.
Am Sonntag besuchen wir „Mc Doof“ in Portimão, um den neuen Veggyburger aus Kunstfleisch zu testen. Ich verrate ihnen hier schon einmal, wie er schmeckt: nach Torf und Regenwurm. Der Hamburger aus Fleisch stammt immerhin aus Spanien, was keine Aussagekraft besitzt. Die Toilette aber ist sauber und ich kann die gewaschenen Hände trocken phönen. Das Essen mit all den Hamburgern kostet dann nur noch € 36,60 für vier Testesser. Immerhin bekomme ich eine Rechnung. ECO123 hat in drei Tagen drei Restaurants getestet. Fazit: die Algarve hat eindeutig viel zu viele Restaurants. Jeder, der meint, einen Kochlöffel halten zu können denkt auch, ein Restaurant eröffnen zu müssen. Es ist eine echte Herausforderung herauszufinden, welches Restaurant man wirklich empfehlen kann. Vielleicht wäre es gut, für Restaurants einen Idiotentest einzuführen, wie beim Führerschein. Eine Benotung schenke ich mir heute einmal.
Um an diesem Wochenende noch ein weiteres Restaurant zu testen, fehlt mir der Wille. Am Tag der Arbeit, dem 1. Mai, koche ich besser selbst zuhause, stehe also selbst hinter dem Herd und bereite meiner Familie etwas Gutes zu. In der nächsten Ausgabe gibt es dazu ein ganz einfaches Rezept. Denn ich brate gern meine eigenen fleischlosen Hamburger. Wie? Das verrate ich Ihnen nächste Woche.
Die ECO123 Restaurantkritik. Wir suchten jede Woche nach einem guten Restaurant, in dem die Balance zwischen Preis und Qualität stimmt. Ich vergebe Noten. 15 Punkte bedeutet „exzellent“, 12 Punkte ist „gut“, acht Punkte immerhin noch „befriedigent“. Diese Woche sehen wir einmal milde über die Unzulänglichkeiten der getesteten Restaurants hinweg. Denn auch Köche haben mal schlechte Tage…