Tamera am see
In Tamera im Landkreis Odemira, Alentejo, lebt eine Gemeinschaft von inzwischen 200 Menschen. Sie schuf mit der Hilfe des naturnahen österreichischen Landwirts Sepp Holzer ein Modell, das zeigt, wie auch in einer sommertrockenen Region nur durch Regenwasser-Retention ertragreiche Landwirtschaft möglich ist. Sepp Holzer gegenüber ECO123 „Tamera lud mich im März 2007 zu einer Beratung ein. Die Frage war: Kann in einer trockenen Landschaft wie Südportugal auf einer Fläche von 134 ha ein Modell für eine Produktion von gesunden Lebensmitteln für 300 Menschen aufgebaut werden? Um es vorweg zu nehmen, meine Antwort war: Ja, mit Leichtigkeit. Ein solch schönes und fruchtbares Land sollte sogar mehr Lebensmittel produzieren können, als die Bewohner brauchen, so dass sie den Überfluss verkaufen oder den wilden Tieren lassen können.
Ich sah sofort: Die sommerliche Trockenheit, unter der Südportugal leidet, ist kein Naturphänomen, sondern ein Ergebnis falscher Bewirtschaftung, und zwar seit Jahrzehnten, wenn nicht seit Jahrhunderten. Die jährliche Niederschlagsmenge ist kaum niedriger als die in Deutschland, nur fällt fast der ganze Regen im Winter.“
Wenn ich meine Beratungen mache, dann überlege ich immer: Was würde ich tun, wenn ich der Besitzer wäre? Wie würde ich eingreifen, damit ich möglichst rasch gut leben kann und die Ressourcen der Natur, die sich hier anbieten, nutze?
Ich sage ganz bewusst nutzen, nicht ausnutzen oder übernutzen. Man darf nicht gierig sein und die Natur übernutzen. Sondern man soll sie nutzen. Ich versuche, bei all meinen Projekten und Beratungen aufzuzeigen, was möglich ist, damit die Natur für mich oder für die Besitzer arbeiten kann.
In Tamera ging ich mit einer Gruppe von etwa 30 Leuten über die ganze Fläche, alle wichtigen Entscheidungsträger waren dabei. Gleich beim Gehen habe ich meine Beratungsvorschläge geäußert. Das Allerwichtigste ist das Wasser. Tamera war staubtrocken. Das Wasser floss den Bach hinunter, das heißt, wenn überhaupt welches floss. Das geschah nur, wenn es regnete. Ansonsten war der Bach trocken, und rundherum war es braun. Der Wald darum herum war schwer krank.
Aber nicht nur in Tamera, sondern schon auf der Fahrt hatte ich Wald in einem extrem schlechten Zustand gesehen: Korkeichen, Steineichen, Pinien. Aber das erlebe ich ja überall, in den verschiedensten Ländern der Welt, so auch hier.
Ich habe den Zustand des Waldes in Tamera und in der Nachbarschaft mit einbezogen in die Beratung. Die Agrarsteppen in Portugal, die Monokulturen und auch die Tierhaltung habe ich berücksichtigt. Meine Idee war sofort, dass die Friedensgemeinschaft Tamera ein Beispielprojekt, ein Pilotprojekt errichten sollte. Sie muss der Nachbarschaft und dem ganzen Land ein Beispiel geben und eine Alternative gegenüberstellen. Aber dazu muss sie auch größere Schritte tun.
Beispielprojekt für Südeuropa
Anfangs wurden meine Vorschläge als etwas zu weitgehend aufgefasst. Ich habe aber nicht nachgegeben. Nach den Erfahrungen bei vielen anderen Projekten weltweit, auch in Trockengebieten auf der ganzen Welt, habe ich darauf aufmerksam gemacht. Wenn eine Arbeit Sinn haben soll, sollte sie auch wirklich beispielgebend sein. Das vorgeschlagene Projekt der Wasserlandschaft muss, um zu funktionieren, als Ganzes entsprechend den Höhenlinien des Geländes umgesetzt werden. Alles andere wäre nur eine Tümpel-Wirtschaft und keine funktionierende, natürliche Gestaltung im Sinne der Landschaftsästhetik. Wasser ist eben ein Lebewesen und muss sich bewegen können, sonst stirbt es, das heißt, es veralgt und fault. Die Mehrheit war schließlich sehr positiv, ja sogar geradezu begeistert von den Vorschlägen, so dass nach dem Hochsommer mit dem Projekt begonnen wurde.
Mein Vorschlag ganz grob: gleich am Anfang, wo der Eingang des Geländes ist, ging die Straße mitten durch das Dorf. Es ist die tiefste Stelle des Geländes. Die Straße war eine öffentliche Gemeindestraße mit Lehm und Erdbedeckung. Wenn da ein Auto durchfährt, gibt es fast das ganze Jahr über große Staubwolken. Nur in der Regenzeit nicht, denn dann ist dort so viel Matsch, dass man kaum durchkommt. Diesen Zustand, dass Wege und Straßen immer an der Talsohle geführt werden, habe ich in ganz Europa festgestellt: An der tiefsten Stelle verläuft immer die Straße und gleich daneben werden die Häuser gebaut. Wenn dann in der kurzen Regenzeit die starken Niederschläge kommen, gibt es Hochwasserschäden an Straßen und Häusern
Die Natur zeigt uns, wie es geht.
Die Natur selbst zeigt uns aber, wie es besser geht. Die tiefsten Stellen des Geländes gehören dem Wasser. Mein Vorschlag war also, Naturdämme mit einer Sperrschicht zu bauen, beginnend gleich beim Eingang. Dahinter kann sich das Niederschlagswasser stauen. Tamera hat ein großes Wassereinzugsgebiet von mehreren hundert Hektar und 500-600 mm Niederschlag im Jahr.
Ein Mitarbeiter stellt heute Besuchern oft die schöne Rechenaufgabe: Wenn man den jährlichen Regen über dem Gelände von Tamera in Container von einem Kubikmeter füllen würde und die hintereinander stellt, wie weit würde die Kette von Containern reichen? Bis ins Nachbardorf fünf km weiter? Bis in die nächste Kreisstadt Odemira? Oder etwa quer über die ganze Iberische Halbinsel bis nach Barcelona? Das Letztere ist richtig.
Man kann sich vorstellen, was für Wassermengen hier ankommen. Von einem trockenen Land kann gar keine Rede sein. Ich war sicher, dass trotz aller scheinbaren Trockenheit der See hier voll wird. Und nicht nur der erste See, sondern mehrere.
Das war mein Vorschlag von Anfang an: eine Wasserlandschaft von mindestens zehn Retentionsbecken und Seen. Das Wichtigste ist in diesen Trockengebieten, um sie vor der Verwüstung zu schützen, ausreichend Retentionsräume für Niederschlagswasser zu schaffen.
Beim Bau der Wasserlandschaft ist darauf zu achten, dass an den Engstellen des Geländes die Mäanderdämme errichtet werden. So spart man Baukosten und arbeitet mit der Natur und zwingt ihr nicht an unpassenden Stellen Tümpel auf.
Die natürliche Geländeausformung wird dabei nicht verändert. Die Seen werden nicht extra ausgebaggert (bis auf die Tiefzonen), der Naturboden wird nur überstaut. Durch die Geländeausformung entsprechend den Höhenlinien entstehen natürliche Retentionsbecken (Seen), die das Niederschlagswasser aufnehmen können.
Die dezentral angelegten Wasserretentionsräume heben den Grundwasserspiegel, so dass sich die angrenzenden Grundflächen wieder regenerieren können. In diesem flachen Hügelland besteht auch keine Gefahr von Rutschungen oder Muren, so dass die Regulierung des Wasserhaushalts von unten geschehen kann und nicht von oben durch eine Sprenkler-beregnung. Darüber hinaus habe ich darauf aufmerksam gemacht, dass Wasserflächen hoch produktive Wirtschaftsflächen sein können. Wasserflächen können wertvoller sein als Ackergrund. Man kann sie für Fischerei, Wasserpflanzengärtnerei, biologische Geflügelhaltung, Haltung von Wasserbüffeln, aber auch für sanften Tourismus und sportliche Aktivitäten nutzen.
Sepp Holzer ist ökologischer Visionär und “Agrar-Rebell” aus Österreich und war für mehrere Jahre Berater von Tameras Ökologie-Team. Mehr über ihn unter www.sepp-holzer.at und in seinem letzten Buch “Wüste oder Paradies – Holzer´sche Permakultur jetzt!”, erschienen im Verlag Leopold Stocker, Graz