Schlagen wir im portugiesischen Wörterbuch „Priberam“ unter solo (Boden) nach, so finden wir die folgenden Definitionen „1. Teil der Erdoberfläche (Grund, Erde), 2. Oberfläche, über die man geht (Fußboden, Bodenbelag), 3. Teil der kultivierbaren Planetenoberfläche auf der Pflanzen wachsen, 4. Gelände.“ Als studierter Biologe halte ich den Boden für das Bindegewebe der planetaren Haut. Somit müsste der Definition von totem Boden, wie sie im Priberam Wörterbuch zu finden ist, auch eine Definition von lebendigem Boden gegenübergestellt werden, die ein für alles Leben fundamentales Ökosystem beschreibt, aus dem wir kommen, dass uns ernährt und in das wir zurückkehren werden. Der Boden könnte eines der wertvollsten Güter sein, das wir nachfolgenden Generationen überlassen, denn er ist eines der natürlichen Ökosysteme, deren Entstehung und Entwicklung einen langen Zeitraum beanspruchen.
Im Allgemeinen entsteht der Boden durch Regen, Temperaturänderungen und Wind verursachte Verwitterung und Erosion der Felsen. Auch Flechten und erste sich durch die Luft verbreitende Pflanzen üben chemisch und physikalisch einen felsenschädigenden Einfluss aus, und verändern gleichzeitig die Zusammensetzung des sich bildenden Bodens, indem sie ihren Anteil an der Biomasse vergrößern. Dieser Humus ist eine Oase für Kleinstlebewesen (wie Bakterien), Pilze und verschiedene Tiere, die sich von dem Material ernähren, es zersetzen und so einem immer komplexer werdenden Ökosystem die nötigen Nährstoffe zur Verfügung stellen. Wenn der Boden wächst und reift, wird er nicht nur „höher“ (bzw. tiefer), auch die Zusammensetzung seiner Biomasse verbessert sich. Eine Grundregel der Natur besteht in der Ausgewogenheit von Gegensatz und Ergänzung, in diesem Fall in einem Gleichgewicht von oben und unten. Das heißt, dass die Biomasse, die sich an der Oberfläche entwickelt, proportional zur Biomasse und Biodiversität im Boden ist. In einer Wüste gibt es im Untergrund wenig Leben, während in einem tropischen Regenwald ein rauschendes Fest der Artenvielfalt stattfindet.
Seit Anbeginn der Menschheit waren die Böden von äußerster Wichtigkeit und wurden durch anthropogene Nutzung in ihrer Produktivität beeinflusst (1). In der heutigen Zeit verstehen wir besser, dass die Methoden der konventionellen Landwirtschaft (Monokulturen) den Boden geschädigt haben. Unser Missmanagement führt weltweit zum Verlust von jährlich 24 Milliarden Tonnen Biomasse durch Erosion (2). Glücklicherweise werden auf Grund (gar nicht so) neuer Philosophien und landwirtschaftlicher Methoden – wie beispielsweise die Permakultur und die syntropische Landwirtschaft – Modelle zur Regeneration des Bodens entwickelt und getestet. Gleichzeitig wurde das Bewusstsein für eine größere Verbundenheit mit der Natur gestärkt, der auch wir angehören, was wir nur langsam begreifen, ungefähr so wie ein Jugendlicher, der nachdem er ausgerissen war, wieder nach Hause zurückkommt.
Der Boden spielt eine wichtige Rolle bei den Kreisläufen von Wasser, Kohlenstoff und Nährstoffen – er ist auch zentrales Element beim Umgang mit dem Klimawandel und ein wichtiger Verbündeter bei der Realisierung vieler Ziele im Zusammenhang mit einer nachhaltigen Entwicklung (2). Im Boden werden 80 % des planetaren Kohlenstoffs gebunden, das ist mehr als das Dreifache des Kohlenstoffs in der Atmosphäre (3). Zudem ist ein gut entwickelter Boden wie ein Schwamm der Wasser hält und auch ein Filter, der die Aquifere auffüllt, die – wie wir in der letzten Ausgabe dieses Magazins gelernt haben – auch eine musikalische Dynamik besitzen. Vielleicht haben die Böden auch ihren eigenen Rhythmus und ihre Melodie, und es bedarf nur ein paar nackter Füße, damit wir auf diesem lebenden Planeten Wurzeln schlagen können.
Liegt der Ursprung der menschlichen Herausforderung dieses Jahrhunderts vielleicht im Boden … direkt unter unseren Füßen?
• Neill J. R. & Winiwarter V. Breaking the sod: humankind, history, and soil. Science 304, 1627-1629 (2004);
• Safeguarding our soils. Nat. Commun. 8, 1989 (2017);
• Ontl, T. A. & Schulte, L. A. (2012) Soil Carbon Storage. Nature Education Knowledge 3(10):35.