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Reisende oder Touristen?

Der Reisende ist ein geschichtlich interessierter Entdecker, der die Identität eines Volkes erkunden möchte. Er will neue, andere Erfahrungen machen, das Erlebte festhalten und daraus lernen. Der Tourist hingegen konsumiert lediglich ein speziell für ihn entwickeltes Produkt, er ist sozusagen eine „Fast-Food“-Version des Reisenden.
Reiseliteratur, die über die Algarve berichtet, ist voller Erzählungen von Reisenden, die das Pulsieren des Landes spüren, die Lebensart seiner Bewohner kennenlernen, und vorurteilslos mit ihnen in Kontakt treten. A. H. Stuart (1) schreibt: „Der englische Tourist kann als eine Person beschrieben werden, die zum Vergnügen reist, oder um Erfahrungen zu machen und Wissen zu vermehren. Ein Tourist, der die gesellschaftlichen Verhaltensregeln nicht beachtet, wird zum „Reisenden”, während diejenigen, deren Benehmen einem hohen Standard entspricht, die mit Privatflugzeugen, Jachten oder möglicherweise im Rolls Royce anreisen, in der Regel sehr hoch eingestuft und als „verehrte Gäste“ bezeichnet werden. “

Diesen Unterschied, der den Reisenden vom Touristen unterscheidet, beschreibt Carminda Cavaco (2) so: „Der moderne Tourist, der mit dem Flugzeug oder sogar mit dem Auto anreist, durchquert das Land schnell und fast immer ohne jegliches Interesse, um schnell an den von ihm als Reiseziel gewählten Strand zu gelangen. Wie viele verbringen ihren Urlaub an der Algarve, ohne jemals die wunderschönen Kacheln der Kirche São Lourenço in Almancil zu bestaunen, oder das „strahlende“ manuelinische Portal der Kirche Matriz de Monchique (…)?“

Mir gefällt der Gedanke, mein ganzes Leben lang eine Reisende zu sein, egal wie weit ich von zu Hause weg bin. Manuel Teixeira Gomes (3) selbst sprach von den Schwierigkeiten, als Junge die Algarve zu besuchen. Der ehemalige Präsident der Portugiesischen Republik (1923-1925) fuhr mit dem Zug von Lissabon nach Beja. Von dort ging es per Pferdekutsche weiter nach Mertola, dann den Guadiana mit dem Dampfschiff hinunter bis Vila Real de Santo António und anschließend wieder mit der Kutsche die Küste entlang.

Im Jahr 1941 gab Stuart wertvolle Tipps für diejenigen, die sich auf das Abenteuer der Entdeckung des Südens einlassen wollten: “(…) there are two good motor roads from Lisbon and in normal times the Sado and Southern railway, simple track, maintains a good service.” Von Lissabon aus hatte man die Wahl zwischen Zug (Normal- oder Schnellzug), Auto, Bus oder dem Flugzeug (das bis zur Landung auf dem Fluss Arade 1 Stunde und 15 Minuten benötigte). Von hier aus war es laut Mário Lyster Franco (4) möglich, mit dem Boot nach Praia da Rocha, der „Perle der Algarve“, zu fahren.

Für diejenigen, die mit dem Zug anreisten, empfahl Stuart, ein Taxi vom Hotel aus zu bestellen, da der von Pferden gezogene “Karren” zwar äußerst preiswert (1,50 Escudos), aber ziemlich unbequem war. Mit dem Auto konnte die Fahrt 15 Escudos kosten, mit dem Bus 1,20 Escudos. David Wright und Patrick Swift (5) sind jedoch der Ansicht, dass „die Bewohner der Algarve nicht so klug sind, zu begreifen, dass Ausländer eine pittoreske, traditionelle Beförderung bevorzugen und dafür auch gerne mehr bezahlen würden.“

Der Strand „Praia da Rocha“, nach den Worten von Gilbert Renault (6) “the most beautiful in the whole of Portugal”, „(…) is the only place in Algarve with hotels. There are two, both marked with three stars (…) “, berichtet Stuart.

Schon 1894 schätzten Reisende bereits die Spaziergänge im benachbarten Monchique „Es ist anstrengend, diese steilen Hänge zu erklimmen, die für den bergerfahrenen Wanderer gemacht sind (…)“, gesteht Julio Lourenço (7). „Der Weg ist beschwerlich, verläuft in gewundenen Pfaden, ist manchmal kaum passierbar, steinig, aber immer angenehm von dichtbelaubten Kastanien und alten Korkeichen beschattet…“, sagt er.

Einige legten ihn mit der „carrinha“ dem Pferdekarren zurück, für Dan Stanislawski (8), “das eleganteste Transportmittel” und laut J. Mimoso Barreto (9) das von Manuel Teixeira Gomes an der Algarve bevorzugte. Für Julio Lourenço Pinto war es eine unvergleichbare Reise: „Und die Einwohner vertrauen sich diesem schrecklichen Folterinstrument gleichgültig und phlegmatisch an, ohne irgendwelche Anzeichen von Leiden oder Ungeduld, stoisch wie die indischen Fanatiker, die sich am Ausmaß ihres schrecklichen Martyriums erfreuen.“ “Die Aussicht ist atemberaubend“, fügt er hinzu, “das Hin und Her  der von Maultieren  und Stuten aus dem Alentejo gezogenen Karren mit ihren bunten Planen, die dem pittoresken Panorama Leben verleihen und wie kleine, sich bewegende  Tunnel erscheinen.”

Und wie soll man die Bevölkerung beschreiben, die diese Touristen und Besucher vorfinden? Suzanne Chantal spricht in „Algarve – Le midi Portugais“ (10) von einer brüderlichen Algarve, wie sie von Artur Pastor so einzigartig beschrieben wurde. In einem Interview mit Barlavento (vom 27. August 2015) erklärt Artur Pastor (Sohn), der Vater habe “immer versucht, das Ursprünglichste, das Schönste einzufangen”. „Er glaubte, dass die Algarve ein großes touristisches Potenzial habe, aber er gab auch zu bedenken, dass es notwendig sei, diese Entwicklung derart zu gestalten, dass die Region nicht darunter leidet. Ich denke, dass ihn dieser Prozess zunehmender Betonisierung sehr traurig gemacht hat“, erinnert er sich.

1  “Algarve”, A.H. Stuart, drawings Maria Keil do Amaral, SNI Books, Lisbon, 1941
2  “Geografia e turismo no Algarve. Aspetos Contemporâneos” – Carminda Cavaco, separata de Finisterra. Revista Portuguesa de Geografia, Vol. IV – 8, Lisboa, 1969
3 Manuel Teixeira Gomes – uma vida entre dois séculos”, Manuel Filipe Canaveira, Edicarte, Câmara Municipal de Portimão, Lisboa, 1999
4  “O Algarve”, Mário Lyster Franco – Exposição Portuguesa em Sevilha, Imprensa Nacional, Lisboa, M.CM.XXIX, 1929
5  “Algarve – A portrait and a guide”- David Wright and Patrick Swift, Barrie & Rockliff, London, August, 1965
6  “Portugal – Hachette World Albums”, Gilbert Renault, Hastings House Publishers, New York, 1957
7   “O Algarve (notas impressionistas)”, Júlio Lourenço Pinto, Livraria Portuense, Porto, 1894
8  Portugal’s other kingdom – The Algarve – Dan Stanislawski, University of Texas Press, Austin, 1963
9 “O Algarve”, J. Mimoso Barreto, Colecção Educativa – Série E, N.º 8, Ministério da Educação Nacional, Direcção-Geral de Educação Permanente, 1972
10 “Algarve – Le midi Portugais”, Suzanne Chantal et Fulvio Roiter, La guide du livre, Lausanne, 1971, Vol. N.º 854

Dina Adão

traduções: Chris Young & Kersten Funck-Knupfer | fotografia: Dina Adão

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