Die individuelle Verantwortung beim Kampf gegen den Klimawandel spielt in Zukunft eine immer wichtigere Rolle. Vermeiden wir Müll bereits an der Quelle, beim Einkaufen? Produzieren oder kaufen wir Elektrizität aus erneuerbaren Energien? Fahren wir mit dem Zug, dem Auto oder mit dem Flugzeug in die Ferien oder bleiben wir zuhause?
Ein Beispiel: Eine 15-tägige Leserreise in die Wanderferien nach Portugal, kostet jeden Teilnehmer 1.590 Euro. In dem Preis sind alle Übernachtungen, drei Mahlzeiten am Tag, alle Führungen, Unfallversicherung und Transfers inbegriffen, allerdings nicht die An- und Rückreise. Jeder Teilnehmer ist selbst für die Wahl seines Reisemittels verantwortlich. Wer mit dem Zug z.B. aus der Schweiz oder Deutschland u.a. anreist, erhält einen Ökorabatt von 200 Euro und zahlt nur 1.390 Euro. Vor kurzen weigerte sich erstmals ein Interessent aus Deutschland, den Normalpreis zu zahlen und bezeichnete den Rabatt als Aufschlag, als Bestrafung, als sogenannten Kerosinaufschlag, den er nicht bereit sei, zu entrichten. Er bestand darauf, mit dem Flugzeug anreisen zu können und trotzdem in den Vorteil des Bahnrabatts zu kommen. Die Diskussion war lang, die Erklärungen geduldig, letztlich unergiebig. Er wurde als Mitwanderer abgelehnt.
Wie werden nun jene 200 Euro derjenigen Teilnehmer verwendet, die das Flugzeug in die Wanderferien gewählt haben? Man nimmt den Betrag und investiert. Und so wird‘s gemacht: der Verein A Nossa Terra in Monchique bekam vor kurzem drei abgebrannte Waldgrundstücke zur weiteren Nutzung langfristig vom Rathaus verpachtet. Dort sollen in den kommenden fünf Jahren neue nachhaltige Wälder entstehen. Neben Korkeichen und Eichen, Kastanien auch viele andere heimische Baumarten. Die 200 Euro werden genau hier investiert, in den Wald und in den Naturschutz, zum Kauf von Bäumchen und in Extra-Sicherungsmaßnahmen gegen Waldbrände.
Marktforschung macht sich die Mühe, der Moral auf die Spur zu kommen.
Szenenwechsel. Wir beamen uns in das Berliner Wissenschaftszentrum nach Deutschland. Dort stellen sich vier junge Wissenschaftler die Frage, ob man Verantwortungsbewusstsein wissenschaftlich beweisen kann. Handeln Menschen moralisch, wenn sie vor eine Wahl gestellt werden, entweder die Umwelt zu schützen oder eher viel Geld verdienen zu können. Bei der Aufstellung ihres Experiments stellen sie sich die Frage, ob dem Menschen Gewinn wichtiger sei als Moral.
Die vier Wissenschaftler (Michael Jakob, Dothea Kübler, Jan Christoph Steckel und Roel van Velduizen) konstruieren einen Modellversuch mit einem Konflikt. Wer entscheidet sich für die Gewinnmaximierung und wer für die Moral? Die Versuchsteilnehmer, die sich nicht kennen und generell fünf Euro für ihre Teilnahme erhalten, werden in Paare aufgeteilt, die in der ersten Runde des Versuchs getrennt voneinander bestimmte Aufgaben zu lösen haben. Je rascher sie diese lösen, desto höher wird hinterher der gemeinsame Gewinn sein, den die Teilnehmer dann auch mitnehmen können. Der erste Teilnehmer (A) muss ein Geschicklichkeitsspiel absolvieren: er soll innerhalb von vier Minuten Kichererbsen aus einem Säckchen nehmen und einzeln in ein Gefäß werfen. Der zweite Teilnehmer (B) soll einfache Rechenaufgaben am Computer lösen. Auch dafür gibt es finanzielle Anreize, für jede Kichererbse im Gefäß und für jede gelöste Aufgabe gibt es zehn Cent. Leider fallen die meisten Kichererbsen nicht ins Gefäß, sondern verfehlen es und verteilen sich so im Raum.
In der zweiten Runde wird den beiden Teilnehmern verschiedener Teams klarer, dass es weniger auf den Erfolg beim Spiel, sondern eher auf dessen Folgen ankommt. Den verschiedenen Zweier-Teams werden die Ergebnisse als Zwischenbilanz mitgeteilt. Zu Beginn der zweiten Runde werden die Teilnehmer mit Buchstaben A in die Zimmer zurückgeführt, in denen viele Kichererbsen auf dem Boden liegen. Man erklärt ihnen, dass sie nun Rechenaufgaben zu lösen hätten und dass Mitspieler A nun die Position aus der ersten Runde einnehmen würden, allerdings habe die Sache einen Haken. Zuerst müsse das vermüllte Zimmer aufgeräumt werden. Sollte der Spieler A das Zimmer nicht selbst aufräumen, müsste B das machen, bevor er, A, sich an den Computer setzen könne. Beide müssten sich aber beeilen, denn die für das Aufräumen benötigte Zeit würde ihnen beim anschließenden Spiel am Computer fehlen. Je schneller das Aufräumen, desto höher also der gemeinsame Gewinn am Ende des Spiels. Dieser solle am Ende geteilt werden und zwar unabhängig davon, wer mehr oder weniger zum Gesamtgewinn beiträgt.
Bliebe es bei der Versuchsanordnung, wäre es egal, wer von den Beiden aufräumt. Da sich die Teilnehmer vor dem Versuch nicht kannten und nach dem Zufallsprinzip ausgesucht wurden, können sie nicht wissen, wie geschickt der jeweils andere beim Einsammeln von Kichererbsen ist. Nun fügen die Marktforscher eine entscheidende Zusatzbedingung in die Versuchsanordnung ein. Teilnehmer A, dem Verursacher der Kichererbsen am Boden, wird mitgeteilt, er bekomme in der zweiten Runde des Versuchs doppelt so viel Geld für jede gelöste Rechenaufgabe am Computer als sein Partner B vorher erhalten hat. Würde A also zunächst einmal Zeit beim Einsammeln der Kichererbsen verlieren, würden die Beiden auf jeden Fall einen finanziellen Verlust erleiden. Würde A jedoch das Aufräumen B überlassen, würde am Ende für beide mehr herausspringen. Damit steht A vor der Frage, was ihm wichtiger sei, sein moralisches Verantwortungsgefühl für den von ihm verursachten Müll oder sein Interesse an einer möglichst hohen Vergütung für die Teilnahme am Versuch.
Ist Menschen Gewinn wichtiger als die Moral? Wer entscheidet sich für Moral, wer für das Geld? Was schätzen Sie? Wie viele der Teilnehmer mit dem Buchstaben A räumten ihre Kichererbsen selbst auf, auch wenn sie dafür einen Verlust machten: 10, 30, 50 oder 60 Prozent?