Die gute Nachricht gleich zu Beginn. Portugal befindet sich auf Platz 6 des weltweiten Klimaschutzindexes (1), gleich hinter Dänemark und Schweden und noch vor der Schweiz und Deutschland. Die schlechte Nachricht? Die Reduktion an Treibhausgasen durch Emissionen aus Industrie, Land- und Forstwirtschaft, durch Kraftwerke, aus Gebäuden und Haushalten, insbesondere aber durch Transport und Mobilität gehen hauptsächlich aufgrund drastischer Einsparungen während der Wirtschafts- und Finanzkrise zurück.
Sparen allein, so wichtig ein ausgeglichener Staatshaushalt auch ist, hilft wenig, wenn wichtige Investitionen in die richtigen Ideen und Projekte fehlen. Politischer Wille und das Bewusstsein für eine neue Klimapolitik gepaart mit finanziellen Anreizen durch neue Finanzierungsmodelle unterstützt durch einen Abbau von Bürokratie könnten – kämen die Investitionen jetzt – eine ökologisch-ökonomische Wende einleiten und nachhaltiges Wachstum in Portugal erzielen. Auf diese Weise entstünden hunderttausende neuer Arbeitsplätze – und – auch neue Steuereinnahmen. Während die alte Elite des Landes im politischen Streit wertvolle Energie (und wertvolles Geld) verschwendet, ob und wenn ja, wie gespart wird, sagt Ihnen ECO123 in dieser Ausgabe wie, wo und warum ökologisches Wachstum in Portugal möglich ist.
Mehr als sieben Milliarden Menschen herrschen über die Erde. Das Bevölkerungswachstum Portugals jedoch geht durch Auswanderung und Geburtenrückgang leicht zurück. Ein Glücksfall? Energieeinsparung, Verringerung von Co2 Emissionen bei gleichzeitiger Investition in Sonne, Wasser und Wind, in nachhaltige Bildung, in ökologische Landwirtschaft, in grüne Industrie (Möbel & Mode, IT, Kommunikation, natürliche Kunststoffe, Metallrecycling, Reisen), in eine sozial gerechte und auf Harmonie mit der Natur ausgerichtete Mobilität bewirken bereits jetzt anderswo Wunder: in Dänemark, in der Schweiz, in Island und in Norwegen, sogar bei den größten Umweltverschmutzern USA, China und Deutschland.
Investitonen in E-Mobilität
Der Mensch beeinflusst Klima, Ökosystem, Gesundheit, Wasserressourcen, Lebensmittelproduktion. Er hat die Wahl, im Guten wie im Schlechten. Sich weniger bewegen, mehr in sich ruhen? Noch verbrauchen wir gigantische Mengen an fossiler Energie. Unsere Industrien erzeugen schädliche Emissionen, Gebäude und Haushalte emittieren große Mengen CO2, Strom- und Energieerzeugung verbrauchen fossile Ressourcen und emittieren zugleich u.a. hohe Mengen Kohlendioxyd. Mensch sägt sich langsam den Ast ab auf dem er sitzt. Durch Mensch, seine Landwirtschaft und Ernährung und besonders durch seine Mobilität, durch den Luft-, Straßen- und Seeschifffahrtsverkehr gelangen rund 30 Prozent aller Emissionen in die Atmosphäre. Zugleich entwaldet Mensch den Planeten Erde mit atemberaubender Geschwindigkeit. Genau das Gegenteil könnte in Portugal jetzt in die Wege geleitet werden. Jede Krise birgt eine Chance. Ökologen und Ökonomen sind sich einig: Portugal besäße gute Chancen, in einer schweren Zeit seine Klimapolitik synchron mit einer neuen ökologischen Wirtschaftspolitik völlig neu zu auszurichten, mit Energie aus Sonnen-, Wind- und Wasserkraft.
Weder der Auto- und Schifffahrtsverkehr noch die Luftfahrt wurden im Kyoto-Protokoll reglementiert. Sie unterliegen damit keinerlei Verpflichtungen zur Reduktion von klimaschädlichen Emissionen. Über solche aber verfügt der Flugverkehr in hohem Maße. Bis heute zahlen die Fluggesellschaften – anders als jeder Autofahrer – keine Steuern auf das Flugbenzin. Warum nicht? Nach Schätzungen des IPCC (Intergouvernemental Panel on Climate Change, UN Genf) sind die Luftfahrt-Emissionen durch ihren Ausstoß in großer Höhe ungefähr drei Mal so klimaschädlich wie vergleichbare Emissionen am Erdboden. Berechnungen von Nichtregierungsorganisationen gehen davon aus, dass der Flugverkehr im Jahre 2013 sämtliche bis dahin eingesparten Emissionen an anderer Stelle neu verursachen wird. Damit wäre die erste und bis heute einzige internationale klimapolitische Initiative vollständig neutralisiert. Dabei ist eine neue Mobilität der zentrale Schlüssel, nicht nur um Treibhausgase einzusparen, sondern auch um den falschen Weg, den wir bisher gegangen haben, zu korrigieren.
Die postulierte Absicht der Regierung Passos-Coelho und Portas, unsere traditionelle Bahngesellschaft CP in der aktuellen Krise zu privatisieren, gleicht einem einmal falsch eingeschlagenen Weg mit einer weiteren falschen Weichenstellung zu toppen. In einer Krise müssen sich die Dienstleistungen für den Bahnkunden verbessern, intensivieren – zusätzliche Strecken angeboten – nicht aber geschlossen werden. Warum nicht die Einnahmen aus den Autobahngebühren, warum nicht die Steuereinnahmen aus dem individuellen Autoverkehr, Steuern auf fossile Brennstoffe wie Benzin, Diesel und Kerosin dafür verwenden, die alte Bahngesellschaft zu modernisieren, fit zu machen für eine Zukunft, in der 80 Prozent einer Nation wieder umweltfreundlich Bahn fährt? Warum nicht Jugendliche, Schüler, Studenten, Rentner und andere ausgewählte Gruppen der Gesellschaft gratis Bahn fahren lassen?
Neue Unternehmer braucht das Land
In einer Krise müssen wir uns öffnen für neue Ideen, für neue Vorschläge, für neue Horizonte. Wir sind dazu aufgerufen, die Grundlage für Vertrauen in einer Gesellschaft wiederherstellen, in der heute jeder jedem misstraut. Wir müssen uns fragen, wie es zu der gegenwärtigen Krise kam. Haben wir Fehler gemacht und wenn ja, welche? Wo liegen die Ursachen unserer Krise in Portugal? Wie haben wir gelebt, mit welchen Mitteln haben wir ein Volk regiert, wie sind wir mit unserer Freiheit 40 Jahre lang nach der Diktatur umgegangen? Warum ein Volk mit Steuererhöhungen wieder und wieder strafen, wenn die Steuereinnahmen vorn und hinten nicht reichen? Mit Bußgeldern, Strafbefehlen und Pfändungen Menschen drangsalieren, mit praktizierten Methoden wie bei schwer erziehbaren Heimkindern aus der Zeit Salazars? Ist das unser Portugal? Ist das Portugal, wie wir es uns träumen?
Wie wäre es denn mal mit dem Gegenteil, mit einer Belohnung für pünktliche Steuerzahlung? Jeder Steuerzahler, der pünktlich seine Steuern deklariert und auch zahlt, erhielte einen Monat im Jahr einen Gratisfahrschein für die staatliche Bahngesellschaft CP. Wie wäre es mit einer Belohnung für umweltfreundliches Verhalten? Wer weniger als 3.000 kg Co2 pro Jahr emittiert, erhielte eine staatliche Steuerrückzahlung in Höhe der Differenz, oder gleich noch besser, ein Gratis-Jahresabonnement für die Metro, den Bus, die Straßenbahn. Wie wäre es mit Belohnungen für Kreativität und Erfindergeist? Es ginge ein Ruck durch unsere Gesellschaft, aus Lethargie entstünde Produktivität, aus Staatsdefizit ein Budget-Überschuss. Für jede nachhaltige Erfindung auf dem Gebiet des Recyclings, in den Bereichen ökologische Landwirtschaft, natürliches Reisen, umweltfreundliches Bauen und Wohnen, gesunde Nahrungsmittel und grüne Mode, für jede nachhaltige Erfindung im Sektor Nachhaltige Mobilität erhielte der Erfinder eine Belohnung: eine Starhilfe, eine Förderung, eine Belohnung.
Vom Alfa Romeo auf die Straßenbahn.
Gesunde Mobilität beginnt in unseren Träumen und mit dem Erzählen von Erfolgsgeschichten. Lissabon und Porto, Coimbra und Faro autofrei? Warum nicht. Warum nicht Fußgängern, Fahrrädern, Bussen, Straßenbahnen und Elektroautos Vorfahrt gewähren? Wir sollten uns einmal ernsthaft fragen, warum der Kauf eines PKW und der Kauf eines Flugtickets „just for fun“ seit 1995 real stetig billiger geworden – während Zugfahrten und die Personenbeförderung mit Bussen und Straßenbahnen immer teurer geworden sind. Waren unsere Entscheidungen richtig, die uns dazu verleitet haben zu denken, das Wachstum schnell und unendlich zu sein habe, wir jede neue Mode mitzumachen hätten, wir den Weg des geringsten Widerstandes nehmen könnten? In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, warum wir weiterhin eine kurzsichtige Politik unterstützen sollen, die morgens Blech an Blech nach Lissabon, Porto etc. hinein und abends wieder heraus leitet? Stau an jeden Wochentag, die Luft ist schlecht, der Lärm unerträglich. Das alles macht krank und so ist Portugal: krank.
Am Sonntag, dem 29. September werden in Portugal neue Stadt- und Gemeinderäte, neue Bürgermeister gewählt. Warum die alten politischen Eliten wiederwählen, wenn sie nicht in der Lage sind, die Weichen neu zu stellen und das Land auf eine gesunde Zukunft vorzubereiten? Warum immer weiter jammern, wenn es auch anders ginge? In Portugal – wie in Europa – global geht es um einen Paradigmen-Wechsel. Es geht nicht mehr nur um uns und heute, sondern um unsere Kinder und die Lebensgrundlage zukünftiger Generationen. Beginnen wir jetzt mutiger, kreativer und vorbildhafter zu denken und zu handeln. Portugal kann sich noch mindestens um fünf Plätze im Ranking des weltweiten Klimaschutzindexes verbessern.
Die zehn größten Umweltverschmutzer und CO2 Emittenten sind China (21,42%), die USA (16,26%), Indien (4,94%), Rußland (4,84%), Brasilien (4,19%), Japan (3,52%), Deutschland (2,34%), Indonesien (2,33%), Südkorea (1,73%) und Kanada (1,65%).