Unser Hund bekommt von Andreia Silva sofort einen Napf mit Wasser hingestellt. In Tavira treffen wir zur besten Mittagszeit in einem guten vegetarischen Restaurant auf die argentinische Ameise. Sie spaziert von rechts nach links vom Holztisch kommend über meinen Teller und wieder herunter. Sie schleicht sich davon, denn der Teller, (IKEA, Made in Portugal) ist leer, noch. In den vergangenen Jahrzehnten hat es diese sehr spezielle Ameisenart geschafft, sich von einer südfranzösischen Hafenstadt aus über Spanien bis nach Tavira und sogar schon über Silves bis Monchique und von dort oben letztendlich bis nach Aljezur wieder runter und zum Südwestkap durchzuschlagen. Sie ist eine wandernde Kampftruppe. Mehr als 160 einheimische Ameisenarten gibt es im erweiterten Mittelmeerraum. Portugal liegt jetzt – seit es den Reiseführer gibt – nicht mehr am Mittelmeer. Bis zum letzten Touristen ist es in den vergangenen 50 Jahren (Herzlichen Glückwunsch RTA!) durchgedrungen, dass man das Meer vor unserer Haustür Atlantik nennt. Und über genau jenen Atlantik kam diese kleine, circa zwei Millimeter große Kampfameise als blinde Passagierin auf Handelsschiffen zwischen Palmen und feuchten Kaffeesäcken versteckt und ging mit ihnen Mitte des letzten Jahrhunderts in Marseille an Land. Anfang des 20. Jahrhunderts tauchten sie bereits erstmals auf Madeira auf; später überall in Südeuropa. Der Mensch hatte sie eingeschleppt wie den Zika-Virus mit den Stechmücken. Wir trinken einen frischen Maracuja- und Melonensaft als Aperitif vor dem Mittagessen. (3,50) Die argentinische Ameise ist von roter Farbe. Auf der Futtersuche für ihre Kolonie, die irgendwo in einem der umliegenden Bäume unter einem Stein versteckt sein muss, spielt sie im komplexen System der Natur eine ganz spezielle Rolle. Seit sie Frankreich erreichte, vernichtet sie auf ihrem Kreuzzug durch Südeuropa jede heimische Ameisenart. Sie kämpft im Verbund mit bis zu zehn anderen Kampfameisen gegen die bisweilen zehnmal größeren schwarzen einheimischen Ameisenarten und frisst sie auf. Im Sommer sammeln und tragen Ameisen Samen und Blüten in ihren Bau. Sie füllen die Nahrungsvorräte der Kolonie für den Winter. Bei jeder Ameisenart arbeiten die einzelnen weiblichen Mitglieder ausschließlich zum Wohl der Kolonie. Langsam füllt sich auch unser Tisch mit einem Couvert aus Humus, eingelegten Karotten, Oliven (6,90) und dunklem Brot. (1,50) Es riecht verführerisch. Prompt dreht sich die kleine rote Ameise wieder um und macht sich auf den Weg zum Brot. Das milde Klima begünstigt ihr Ausschwärmen. Jedes Jahr erweitern sie ihre Macht. Dazu müssen sie neue Nester gründen, neue Futterquellen erobern und die einheimischen Konkurrenten verdrängen.
Bei einer als Zucchinisuppe ausgeschriebenen Vorspeise (3,90) gehe ich davon aus, dass sie keinen Sellerie enthält. Auf Sellerie reagiere ich ausgesprochen allergisch. Gott sei Dank hält sich der Geschmack in Grenzen. Mit dem Messer (IKEA, Made in Vietnam) streiche ich mir etwas Humus auf mein Brot. Köstlich. Auch die argentinische Kampfameise findet das Brot ansprechend. Mit einer Brotkrume macht sie sich auf den Rückweg zu ihrem Nest, will damit angeben, was sie bei uns geklaut hat. Diese Ameisenart zieht einfache Quartiere vor und ist nicht so wählerisch wie ihre einheimischen Kolleginnen, lese ich später in einem Buch. Für uns beginnt jetzt ein Wettrennen gegen die Uhr, denn bald wird unser Hauptgericht serviert und wir müssen es gegessen haben, bevor die Rote Armee Fraktion anrückt. Denn wir sind nicht gewillt, mit der argentinischen Ameise zu teilen. In einer Welt der Gerüche kommunizieren sie mit chemischen Signalen. Ich entscheide mich, ein Falafel mit Humus und Salatbeilage zu testen. Meine Kollegin entscheidet sich für einen Kinoa-Hamburger mit karamelisierten Zwiebeln und veganem Cheddar/Bacon auf Roggenbrot. (12,90) Das Wasser kommt in Glasflaschen (2,50). Die Zutaten für die Kompositionen des Essens kommen aus unmittelbarer Nähe eines Bio-Bauernhofes namens Maria Flaminga, erfahren wir. Die Gläser stammen aus Frankreich und Spanien, Made by IKEA. In einem Nest der argentinischen Ameise leben bis zu 15 Ameisenköniginnen, während sich bei unseren einheimischen Ameisen immer nur eine Königin betütteln läßt. Sie wissen schon, was jetzt kommt, oder?
Der Nachtisch. (4,90) Klassischer Käsekuchen ohne Gluten, ohne Zucker, ohne Laktose und mit einem Hauch von Maracuja-Soße beträufelt. Der Nachtisch-Löffel stammt von Ernesto Esmeyer. Die Vielzahl von Königinnen in einem Nest ist eine Strategie, um erfolgreicher zu sein als die portugiesischen Konkurrentinnen. Denn sie alle legen Eier und vermehren sich schneller. Der Angriff der argentinischen Kampfameisen kommt schnell und präzise. Wir beobachten, wie sie gekrabbelt kommen und sich der Krümelreste des Fressnapfes unseres Hundes bemächtigen. Es ist nicht ihre Größe, sondern ihre schiere Anzahl. Innerhalb von Minuten werden aus einigen wenigen hunderte, ja tausende, die da zusammenströmen und alles mitnehmen, was nicht niet- und nagelfest ist. Wir zahlen die Rechnung von 57,40 Euro (NIF 247509566), was für unsere bescheidene Kasse viel zu hoch ist. Warum zum Teufel, fragen wir uns, ist ein Fleisch- oder Fischgericht immer noch so viel billiger (unter zehn Euro) als ein nahezu gutes veganes Essen aus lokaler Erde?
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Bewertung 9/15 ***************