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Nº 140 – Wir sind doch alle gleich oder doch verschieden?

Samstag, der 14 Januar 2023.

Die Nachricht des Tages: die Menschheit hat die Grenze der acht Milliarden überschritten. Und was machen die Lehrer Portugals? Was wird uns von ihnen in Erinnerung bleiben? Richtig, sie streiken. Mal wieder. Dieses Mal geht es um ihre eigenen Karrieren im staatlichen Schulsystem. Sie streiken, weil sie so selbstlos an ihre verpaßten Aufstiegschancen im Schulsystem denken. Hahaha. Das muß man sich einfach mal bildlich vorstellen. Diese armen Lehrer.

Ja, sie sind arm dran. Die Einstiegsgehälter sind karg, kaum 1.000 Euro. Und dafür ist man vier bis bis fünf Jahre auf die Uni gegangen und hat sich durch die Klausuren gekämpft. Und nun? Nehmen wir Portimão als Beispiel. Da bekommt man Wohnungen kaum unter 600 Euro. Das sollte das Bildungsministerium auch wissen. Die Lebenshaltungskosten an der Algarve sind exorbitant. Da kommt man mit einem Lehrergehalt nicht weit. Da ist das Existenzminimum greifbar nahe. Und deshalb wollen die Lehrer nicht in Portimão arbeiten und die Schule vor Ort, (António Aleixo) sie hat viel zu wenige Lehrer. Das staatliche portugiesische Schulsystem ist marode. Es fehlt an Ressourcen an allen Ecken und Kanten. Die Politik läßt ihre staatlichen Schulen am langen Arm verhungern.

Es geht gar nicht mehr darum, den Lehrstoff von gestern zu modifizieren und ein humanes Schulsystem mitzuentwickeln, in dem eine Vielzahl der Kinder und Jugendlichen ihren exklusiven Platz bekommen, sich wohl fühlen können, aufgehoben und geachtet werden. Es geht nicht um die Zukunft der Schüler. Es geht vor allen Dingen nicht darum, den antiquierten Unterrichtsstoff an die Herausforderungen der Gegenwart anzupassen. Schon mal was von Klimawandel gehört? Es geht auch nicht darum, die asbestverseuchten Dächer vieler maroder Schulen auszutauschen. Und vor allen Dingen, die Lehrer streiken nicht wirklich für ihre Schüler, sie streiken nur für sich selbst. (Lesen Sie dazu das ECO123 Interview mit José Pacheco in der aktuellen Ausgabe 33)

Die Lehrergewerkschaften sprechen von hehren Werten wie „die Würde“ bewahren. Papperlapap. Wessen Würde bewahrt ein Lehrer, der auf dem Rücken seiner Schüler nicht zum Unterricht erscheint? Die Kinder sind in einem schulischen Zwangssystem eingepfercht. Werden die Schüler gefragt, ob sie dem Streik der Lehrer zustimmen? Nein. Sie müssen zur Schule kommen, lernen, in einem Konkurrenzsystem gute Noten erbringen und jetzt streiken diejenigen, die unsere Kinder bis zu ihrem Abitur begleiten sollen? Was sind das für Begleiter, die nur an ihre eigenen Interessen denken und die kids bei Streik nach Hause schicken

Ja, es geht um unsere Kinder. Dafür zahlen wir dem Staat sogar noch Steuern, damit er ein gut funktionierendes Schulsystem entwickelt, Lehrer bezahlt, Krankenschwestern, Polizisten und auch Soldaten. Geht es nicht in erster Linie darum, daß sich unsere Damen und Herren Lehrer (und Politiker) weniger wichtig nehmen und sich in erster Linie um unsere Kinder, um ihre Schüler kümmern, um die Vermittlung von Lehrinhalten? Und dazu gehört kein Streikrecht für Bedienstete eines Staates, die festangestellt sind – Festgeld verdienen und keinen Hunger leiden. Ich betrachte alle in diesem System. Auch die unsäglichen Politiker, die dieses Spiel mitspielen – gegen die Interessen der Schüler und Lehrer. Was wäre, wenn die Schüler mal streiken täten? Für das Klima? Nicht mehr in die Schule gehen wüden? Warum eigentlich noch Schule in diesen Zeiten? Welche Zukunft hat ein Jugendlicher in diesen Tagen? Stattdessen werden Schüler nach Hause geschickt oder anders gesagt: sie lassen sich nach Hause schicken. Noch. Greta Thunberg hingegen nahm sich pro Woche ihren freien Tag und streikte fürs Klima. Andere Länder, andere Sitten.

Wer einen unkündbaren und nicht befristeten Arbeitsvertrag im Öffentlichen Dienst hat, wer Beamter ist, sollte kein Streikrecht besitzen. Es geht um unsere Kinder, es geht um die Schüler, auf deren Rücken jeder Streik ausgetragen wird. Und es tut mir leid, da kann ich mit den Lehrern nicht solidarisch sein. Wir sind jetzt acht Milliarden Menschen auf der Erde und müssen daran denken, was wir unseren Kindern mit solchen Streiks antun. Es gibt bessere Methoden, um miteinander ins Gespräch zu kommen. Das ist heute kein Mittel mehr, um einen Dialog zu einem guten Ende zu bringen. Wurden die Schüler gefragt, die Eltern konsultiert? Nein. Also was?

Wieder einmal sind die Weihnachtsferien zu Ende. Meine Tochter geht einen Tag in die Schule, dann wird sie wieder nach Hause geschickt. Wenn es nur dieser eine Tag Streik wäre! Dieser unsinnige Streik geht nun bereits in die zweite Woche und dann kommt Karneval. In Portugal wird aneinander vorbeigeredet und gestreikt. Der Minister selbst weilt zur Zeit in Angola. Ich würde mir von den Lehrern wünschen, daß sie mal wieder pünktlich in der Schule zum Unterricht erscheinen und vernünftig mit den Schülern arbeiten: Vorbild sein. Die streikenden Lehrer der staatlichen Schulen bekommen zur Zeit bei mir ganz schlechte Noten – und der Bildungsminister, er gehört gefeuert. Am Besten bleibt er gleich in Angola…

 

Uwe Heitkamp (62)

ausgebildeter Fernsehjournalist, Buchautor und Hobby-Botaniker, Vater zweier erwachsener Kinder, kennt sei 30 Jahren Portugal, Gründer von ECO123.Translations Dina Adão, John Elliot, Ruth Correia, Patrícia Lara, Kathleen Becker
Photos: Uwe Heitkamp

 

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