Es waren einmal zwei Königskinder, die wurden von zwei Habichtsadlern aufgezogen. Am 15. und am 18. März 2013 schlüpften sie aus ihren beiden Eiern, die in einem sicheren Nest aus Ästen und Blättern hoch in einer Pinie sorgsam im tiefen Wald versteckt, gelegt worden waren.
Die Königin hatte sich 42 Tage auf die Eier gesetzt und sie ausgebrütet. Unterdessen zog der König aller Vögel seine Kreise in guter Thermik. Langsam schraubte er sich mit seinen 175 cm breiten Flügeln in luftige Höhen. So bekam er einen besseren Überblick über sein Jagdrevier. Ihm entging nichts. Mit Vorliebe ernährte er sich und seine Familie von wilden Hasen und Tauben. Wenn er ein Tier von dort oben sah, stürzte er sich aus großer Höhe auf sie herab und griff sie mit seinen bernsteinfarbenen Krallen. Dann brachte er sie als Futter mit ins Nest. Schon oft begegnete ich dem König bei meinen Wanderungen in den Wäldern. An sonnigen und stürmischen Tagen, meist gegen Mittag, begleitete ich ihn hinauf ins Gebirge. Nur noch vier Pärchen vom Bonelli Habichtsadler (Hieraaetus fasciatus oder Aquila fasciata) leben zur Zeit in dem schwach besiedelten Gebiet im Süden Portugals.
José Carlos Lopes (siehe Autorenhinweis auf Seite 4) ist ein behutsamer Hobbyfotograf aus Monchique. Es interessierte ihn schon seit seiner Kindheit, wie die Könige der Lüfte im Gebirge leben. So beobachtete er vergangenes Jahr an 20 Tagen zwischen Januar und April still und geduldig das Adlerpaar beim Nestbau und der Fortpflanzung. Kurz bevor das erste Eier gelegt war, baute er sich in einiger Entfernung einen Unterstand und versteckte sich, so dass die Könige der Lüfte ihn nicht bemerkten, denn er wollte sie nicht stören. Wenn er nicht fotografierte, schrieb er Tagebuch. Es war eine wunderbare Atmosphäre des Friedens.
Edel kamen die beiden Kleinen im weißen Pelz zur Welt. Langsam wuchsen die Königskinder unter der Obhut der Königin heran. Der König brachte fleischiges Futter ins Nest, das die Königin den beiden zubereitete und in die Schnäbel hievte. Wenn es zu regnen begann, setzte sie sich schützend auf ihre Jungen. Doch schon bald schien die Sonne wieder. Dann machte sie großen Hausputz und reinigte das Nest. Sie war immer sehr wachsam und immer auf der Hut vor möglichen Räubern.
Stille lag über dem Wald und über dem Nest, aber auch Spannung. Die beiden Königskinder wurden mit jedem Tag größer. In unmittelbarer Nähe nisteten zwei Rebhuhnpaare. Die Könige der Lüfte tolerierten sie. Langsam wurden die beiden Kleinen flügge. Sie streckten ihre Arme und aus ihnen wuchsen Flügel. Ihre Farben glichen mit jedem Tag mehr den Farben des Waldes. Zweimal mausern, im dritten Lebensjahr werden sie sich nicht mehr von adulten Bonellis unterscheiden. Es wäre schön, ihnen bald wieder zu begegnen…
Alle Rechte der Fotografien © José Carlos Lopes
Die Wanderausstellung „A Vida No Ninho“ reist durch Europa und kann bei Senhor José Carlos Lopes per E-Mail für Schulen, Universtäten und andere Bildungseinrichtungen reserviert werden: jotaclopes@sapo.pt