Sonntag, der 3. Mai 2020
Von Alfredo Cunhal Sendim
Die Gemeingüter selbst sind der Planet, das soziokulturell-ökologische Erbe, urbane und digitale Körperschaften… Die Bürger verwalten diese Güter in selbstbestimmten Genossenschaften und etablieren Verfahrensweisen und ein Regelwerk, um die Teilhabe aller zu gewährleisten und so zu verhindern, dass nur einige Wenige davon profitieren. Daraus entsteht eine auf einem Netzwerk von Kooperationspartnern basierende Regierungsform, in der die Bedürfnisse der Gemeinden und unseres Planeten berücksichtigt werden. So wird auch ein politischer Prozess eingeleitet, der uns dazu anhält, über die tradierten Dogmen des freien Marktes und des modernen Staates hinauszudenken und entsprechend zu handeln.
In einer völlig anderen, auf dem Gegenseitigkeitsprinzip aufbauenden Wirtschaftsform, entstehen zwischen den Gemeinden – auf lokaler und globaler Ebene – von Großzügigkeit und Solidarität geprägte Beziehungen des Gebens und Nehmens, bei denen der reale gesellschaftliche Nutzen und nicht mehr der kommerzielle Gegenwert im Vordergrund steht. Im Zusammenspiel der Menschen und ihrer Schöpfungen mit anderen Lebewesen und dem Planeten – der ja selbst ein lebendes System ist – entsteht kollektives Leben. Mit anderen Worten: Durch kulturelle Transformation großen Ausmaßes, entsteht als Ergebnis eines von Fürsorge und Mitgefühl bestimmten Prozesses, ein völlig neuartiges sozioökologisches System. Das ist unser Weg zu einem Leben voller Freude und Fantasie. Der Fokus liegt auf dem, was wir wirklich brauchen, nicht mehr auf dem, was wir verkaufen können und somit werden wir von allem, was tatsächlich nötig ist, auch ausreichend zu unserer Verfügung haben.
Das Regierungshandeln ist bedarfsorientiert und von Pluralismus und Bürgerbeteiligung geprägt und wird nicht weiter durch Markt und Staatsräson definiert. Soziale Beziehungen und Macht sind dezentralisiert, der Zugang zu materiellen Ressourcen wird durch von den Benutzern festgelegte Grenzen und Regeln definiert, immaterielle Ressourcen stehen allen frei. Im Ergebnis wird sich unser Planet regenerieren und die Menschheit findet einen Weg zu sozialer Emanzipation und integrativer Konsolidierung. Diese Grundlagen definieren die Agrarökologie und können auch ganz einfach unter dem Begriff „Dienen“ zusammengefasst werden. Es ist eigentlich nichts weiter als das, was über Jahrtausende hinweg – zum Beispiel bei der Verwaltung der Lameiros (Dauergrünland) – geschafft haben.
Warum ersetzen wir das Arbeitslosengeld nicht durch ein Bedingungsloses Grundeinkommen und befähigen die Menschen, sich zu organisieren, anstatt den Blickwinkel weiterhin nur auf systeminhärente Erwerbstätigkeit zu beschränken? Das Gemeinwesen betrifft – wie die portugiesische Künstlerin Marta Wengorovius uns immer wieder gerne erinnert – den Einzelnen genauso wie die gesamte Gesellschaft und wir können dabei leicht die Perspektive verlieren, aber vielleicht schaffen wir es, durch Selbstvertrauen und die Beziehung zu unseren Mitmenschen als Solidargemeinschaft zusammenzuarbeiten.
Im vergangenen September erschien das interessante Buch „Frei, fair und lebendig: Die Macht der Commons“ (David Bollier, Silke Helfrich) und die gleichnamige Bewegung entstand. Professor Antonio Lafuente, ein spanischer Freund unserer Lehrerin Ana Luísa Janeiro, hat auch in der iberoamerikanischen Gemeinschaft einen bemerkenswerten Beitrag zu diesem Thema geleistet.
Warum können wir uns nicht in kleineren Gemeinschaften selbst regieren, anstatt immer darauf zu warten, gut regiert zu werden und weiterhin nicht über die Grenzen unseres persönlichen Lebensumfelds hinauszublicken? Und was ist mit den multinationalen Unternehmen? – würde Daniel Olivera fragen. Die finanziellen Mittel können leicht ausgehen, da wir mit unserem spekulativen Verhalten dafür Vorschub leisten. Vielleicht verstehen wir das in der jetzigen Situation, wo der aktuell aufgerufene Preis einer Atemschutzmaske nichts mit ihren Herstellungskosten zu tun hat, sondern eine einzig und allein auf spekulativem Verhalten basierende scheinheilige Ausbeutung darstellt, die wir freien Markt nennen und an dem wir selbst oft genauso agieren. Warum machen wir die Masken nicht selbst?
Um hier Veränderungen zu bewirken, brauchen wir offensichtlich eine weltweit anerkannte Regulierungsorganisation, genauso wie Institutionen der Rechtsprechung und zum Schutz unseres Planeten. Aber damit befasst sich bereits unser Paulo Magalhães auf produktive Weise durch das gemeinsame House of Humanity-Projekt.
Abschließend möchte ich noch einmal an Agostinho da Silva erinnern, der beim Nachdenken über die „zukünftige Welt“ einen Ausblick auf das gibt „was wir nicht Imperium nennen werden“ und hier Pater António Vieira zitiert: „Da es leider unmöglich war dieses Fünfte Imperium in Bezug auf all dies genau zu definieren und festzulegen wie es gelingen kann für ökonomische Gerechtigkeit zu sorgen, wie Bildung für alle ermöglicht werden kann, wie ein System von Befehl und Gehorsam überwunden und durch globales Denken zu ersetzten ist, das die Ideologien, Philosophien oder Theologien der verschiedenen Gemeinschaften respektiert und dies nicht nur im Sinne der jeweiligen Gründer, sondern auch derjenigen die nach diesen Prinzipien leben, so ist dies heute unsere Aufgabe, soweit wir denn dazu in der Lage sind.“ Wie genau das zu tun ist erklärt weder der Pater noch der Meister, aber sie hinterließen immerhin Hinweise. Und diese deuten auf eine Gemeinschaft der mündigen Bürger. Ja, wir werden es dahin schaffen. Die Vision des Don Sebastião kann nur aus uns selbst heraus verwirklicht werden.