Samstag, der 8. August 2020
Sehr geehrte Präsidentin der EU Kommission Frau Dr. Ursula von der Leyen.
Anfang der Woche flatterte ein Pressetext auf den Tisch der Journalisten, der sich sowohl mit Portugal als auch mit Europa beschäftigt, mit Stichworten wie Green Deal, Investitionen, Nachhaltigkeit, Waldbrand, Wiederaufforstung, Wirtschaft, Ökologie, Eukalyptus, Monokulturen, Zellstoff, Papier…
Investitionsoffensive für Europa?
Ich lese, daß die Europäische Investitionsbank (BEI) der The Navigator Company SA aus Setúbal genau 27,5 Mio Euro für eine neue Papiermaschine (in Figueira da Foz leihen wird. Die Gesamtkosten betragen 55 Mio Euro. Die Firma hatte in 2019 einen Überschuß von 168,3 Mio. Euro nach Steuern. Soll man überrascht sein? Es ist die bekannte Rolle-Rückwärts-Politik, in der die EU Monokulturprojekte direkt oder indirekt unterstützt und damit den Weg in den klimatischen Untergang. Ich recherchiere und finde heraus, dass der gleiche Konzern schon mal am 7. Juli 2016 ein Darlehen in Höhe von 25 Mio. Euro für die Modernisierung seiner Maschinen in Aveiro von der EU erhalten hat. In 2015 betrug der Gewinn 196,8 Mio Euro nach Steuern. Warum macht die EU so etwas?
Normalerweise mische ich mich nicht in politische Prozesse und Entscheidungen ein. Ich bin Journalist und lebe und arbeite seit 30 Jahren in Monchique, in Portugal. Allerdings kommentiere ich Entscheidungen. Ich gebe die dreisprachige Zeitschrift ECO123 in portugiesischer, englischer und deutscher Sprache mit einem Dutzend KollegInnen heraus, die in ganz Europa erscheint. In den vergangenen Jahrzehnten habe ich kontinuierlich die aggressive Expansionspolitik dieses Konzerns verfolgt, der nicht nur in Portugal, sondern auch in Mosambik aktiv ist und dort natürliche Wälder rodet – und die SEMAPA SA, der Mutterkonzern, dem rund 75% der Aktien gehören, arbeitet ähnlich brutal. Beide sind an der Lissabonner Börse im Aktienindex PSI 20 gelistet.
In diesen 30 Jahren wurde ich, weil ich hier lebe, fünf Mal von desaströsen Waldbränden heimgesucht und somit Zeuge, das die Zerstörungskräfte der Feuer auf der Basis der Vervielfachung industrieller Eukalyptusplantagen stattfanden. Ohne diese Monokulturen wären die Brände sehr viel glimpflicher verlaufen. Portugal mit einer Fläche von etwas mehr als 92.000 km2 ist das Land, in dem der Staat nur zwei Prozent der Waldflächen besitzt, oder genauer gesagt, gerade einmal 55 km2. 98 Prozent des Waldes sind in privatem Besitz. Allein The Navigator Company besitzt mehr als doppelt so viel Forstfläche im Vergleich zum Staat: 120 km2. Damit steht der portugiesische Staat an letzter Stelle der 27 Staaten in Europa und der Papierhersteller besitzt mehr als doppelt so viel Fläche im Vergleich zum Staat. Wer zahlt hier eigentlich wem die Steuern?
Der Arm des Staates ist kraftlos und nicht einmal gewillt, seine eigenen Gesetze anzuwenden und mit eigenen Beamten die Situation streng zu kontrollieren. Denn seit dem Waldbrand von Monchique 2018 sollte eigentlich Schluss sein mit noch mehr Eukalyptus. Das Gegenteil ist der Fall. Der Papierproduzent der Monokulturen pflanzt munter weiter Monokulturen, auch dort, wo es illegal ist und auch heimlich in den Zeiten des Corona Stillstands. Das spült Geld in die Staatskasse. Da drückt man mal ein Auge zu. Hohe Steuerzahlungen machen sich immer bezahlt. António Costa hat den Bock zum Gärtner gemacht, als er den ehemaligen Navigator Manager Tiago Oliveira zum Beautragten für Forst- und Waldbrandangelegenheiten der Regierung bestellte. Dieser regelt heute die Klassifizierung der Forstflächen und koordiniert die Waldbrandbekämpfung. Was soll ein Bürger also besseres erwarten dürfen außer, dass es weiter brennen und noch heißer wird. Sie kennen sicherlich das europäische Netzwerk Natura 2000. In Monchique dürfte demnach kein einziger Eukalyptus Baum gepflanzt werden. Ach Europa! Brüssel ist weit weg.
Die Folgen der Waldbrände? Noch höhere CO2 Emissionen, noch mehr Versteppung, noch höhere Temperaturen, immer größere Armut und noch mehr Monokulturen. Kein Wunder, dass die Menschen das Hinterland verlassen. Denn die abgebrannten Flächen werden sofort für weitere Pflanzungen mit noch mehr Eukalyptus wieder frei.
Möglicherweise sind dem Präsidenten der BEI, dem Deutschen Dr. Werner Hoyer und seinem Direktorium die Hintergründe und Zusammenhänge bei der Entscheidung nicht bewusst gewesen. Oder sie können es einfach nicht besser. Solche Entscheidungen werden an Schreibtischen weit weg in Luxemburg getroffen, bei funktionierenden Klimaanlagen. Vielleicht hat auch irgendeine Hand die andere gewaschen. Wer weiß es? Daß wir hier im Monchique Gebirge vom Eukalyptus eingeschlossen sind und man aus dem einst schönsten Mischwald Portugals jetzt Papier für Küche, Toilette und Büros macht, liest sich gut in der Bilanz einer Aktiengesellschaft. Unser Klima aber kennt keine Air Condition. Es wird durch die Waldbrände und den Eukalyptus bestimmt. Und das Wetter wird von Jahr zu Jahr chaotischer, trockener und heisser.
Daß wir Menschen jedoch in 30 Jahren fünf Mal abbrennen mußten und viele in Monchique alles, inklusive Haus, Hof und Tiere verloren haben, steht in keiner EU Bilanz. Im Gegenteil: Die The Navigator Company – weiß ja selbst, welche Schmerzen sie bei den beteiligten Geschädigten verursacht – fährt in diesen Tagen eine clevere PR Kampagne, die mich daran erinnert, dass Angriff immer die beste Verteidigung ist. Sie lobt sich selbst nachhaltig und strebt Klimaneutralität an. Ach ja? Wer es glaubt, wird selig. In Zeiten der fehlenden Orientierung gibt es immer mehr Manager, die beschreiben Missbrauch und Vergewaltigung mit einem einfachen Wort. Liebe. Wald ist etwas anderes als eine Eukalyptus Plantage.
Die Geschichte des Waldes und somit die Beziehung des Menschen zu seinem Lebens- und Ruheraum muss umgeschrieben werden. Es braucht ein Narrativ, das sich an der Wirklichkeit orientiert. Die Menschheit wird es eines Tages schwer bereuen, ihre traditionellen, gesunden Wälder zerstört – und industrielle Eukalyptus-Monokulturen als Rohstofflager eines Geschäftszweiges missbraucht zu haben. Ein dreijähriger Eukalyptusbaum säuft am Tag 20 Liter Grundwasser. Irgendwann werden wir merken, dass man fehlendes Wasser auch nicht mit noch mehr Geld kaufen kann. Dann jedoch werden wir schon auf dem Trockenen sitzen.
Herzlichst,
Ihr Uwe Heitkamp