Während Sie diese Geschichte lesen, bekommen die ersten Kunden der Stromgenossenschaft Coopérnico ihre ersten Rechnungen für Grüne Energie. Auf dem portugiesisch-liberalisierten Stromanbieter-Markt seit dem 22. Juni dieses Jahres vertreten, bietet das sozialverträglich angelegte Unternehmen für jedermann die Möglichkeit, in erneuerbare Energien zu investieren. Erfahren Sie durch ECO123
Wir sprechen von einem von 56 von der Generaldirektion für Energie anerkannten, Strom anbietendem Unternehmen. Nun fehlt nur noch die Registrierung bei der Regulierungsbehörde für Energiedienstleistungen (ERSE), auf deren Webseite alle derzeitigen Stromanbieter, in diesem Fall für Privatkunden, gelistet sind.
Die Geschichte ist simpel. Sie reicht zurück bis Ende 2013, als sich eine Gruppe von 16 Personen zusammenfand und Coopérnico ins Leben rief. Gemeinsam investierten sie rund 307.000 Euro in kleine Fotovoltaik-Anlagen, in der Mehrzahl in die sogenannte Mini-Produktion.
Heute besitzt die Genossenschaft sieben Produktionseinheiten mit einer Nennleistung von etwa 227 KW, die sich auf 350 Megawatt pro Jahr summieren. Dieser Ertrag reicht aus, um die Stromversorgung von 120 bis 150 Haushalten zu gewährleisten. Nun also sind sie auch auf dem Energiehandelsmarkt vertreten.
“Unsere ursprüngliche Idee war es, den Strom in Eigenregie zu vermarkten. Allerdings wurde diese Option während der Hauptversammlung der Genossenschaft im Dezember letzten Jahres revidiert”, wie Jorge Nuno Brito, Vorsitzender von Coopérnico, erklärt.
“Entweder hätten wir, um unabhängig in den Markt eintreten zu können, eine gewaltige Investition in Millionenhöhe tätigen müssen, oder wir gehen schrittweise vor”, zeigt er uns die beiden Alternativen auf.
“Das Problem ist, um auf den Markt zu kommen, müssen wir dem Stromversorger EDP und dem Netzbetreiber REN – Unternehmen, die die Stromversorgungsinfrastruktur in Portugal kontrollieren – Bankbürgschaften in einer Höhe von 50.000 Euro für jeden von uns geben “, führt er aus.
“Weiterhin bräuchten wir eine spezielle Software, drei Netzwerkadministratoren, ein Abrechnungsbüro und noch mehr Bankgarantien für den iberischen Strommarkt. Dass heißt, entweder besitzt man eine gewaltige Summe an Kapital, um die Aktivität unabhängig starten zu können, oder man muss einen anderen Weg finden”, fasst er zusammen.
“Wir entschieden uns für die zweite Möglichkeit. Wir schlossen uns einem portugiesischen KMU (EU-Definition für “Kleine und mittlere Unternehmen), dem Stromanbieter namens Enforcesco, an. Auf diese Weise gehen wir es langsam an, können zu wettbewerbsfähigen Preisen verkaufen, sodass sich uns mehr Menschen anschließen und erreichen damit vermutlich die nötige kritische Masse und ein höheres Stammkapital, um uns dann zu einem späteren Zeitpunkt selbstständig machen.”
Enforcesco arbeitet auf dem liberalisierten Markt bereits unter dem Markennamen Ylce (Yes Low Cost Energy) und ist einer der 11 Anbieter, die laut ERSE auf dem Strommarkt für private Haushalte aktiv sind. Nach den Erhebungen von ERSE im März dieses Jahres kaufen schon jetzt insgesamt 3,9 Millionen Kunden ihren Strom auf dem liberalisierten Markt ein. Das entspricht 69% aller Haushalte.
“Im Moment muss jeder Kunde von Coopérnico auch Mitglied der Genossenschaft sein, er kann bis zu fünf Verträge haben und hat Zugang zu den günstigsten Strompreisen für Privathaushalte”, fügte er hinzu. Um einen Vertrag mit Coopérnico zu schließen, müssen drei Anteile in Höhe von je 20 Euro gezeichnet werden, wodurch man zu einem Mitglied der Genossenschaft wird. Der Stromliefervertrag wird dann online ausgefüllt. Bei Austritt aus der Cooperative wird die Einlage zurückerstattet. Die Genossenschafter haben darüber hinaus Zugang zu Beratungsleistungen wie der Analyse ihrer Stromrechnungen zur Optimierung des Energieverbrauchs und des Tarifs.Die Preise werden in Euro pro Kilowattstunde berechnet und man hat die Wahl zwischen den Tarifen bi-horária e tri-horária (= zwei, bzw, drei Zeitfenster).”Unser Anliegen war nie die Frage des Preises, sondern dass wir als Wirtschaftsunternehmen sozialverträglich, demokratisch und umweltfreundlich handeln”, Prinzipien, die weiterhin aufrecht erhalten werden. “Wenn wir zur Zeit schon nicht absolut unabhängig in den Markt eintreten können, dann verschaffen wir unseren Mitgliedern wenigstens einen Wettbewerbsvorteil.”
“Bis heute wachsen wir durchschnittlich pro Tag um zwei Mitglieder. Wir sind ja noch ganz am Anfang. Unsere ersten Abnehmer erhalten gerade ihre erste Abrechnung”, konstatiert er.”Geographisch gesehen ist unsere Klientel gleichmäßig über das ganze Land verteilt. Sie befindet sich vor allem in Lissabon und Porto, aber auch die Algarve gewinnt langsam an Gewicht.” In Zahlen ausgedrückt sind das 246 Mitglieder und 74 Verträge mit einem Investitionsvolumen von 327.000 Euro.
Anzumerken sei auch, dass im Fall, dass die Eigenproduktion zur Deckung des Bedarfs seiner Kunden nicht ausreicht, das Unternehmen sich dazu verpflichtet hat, Strom von anderen grünen Produzenten dazuzukaufen. Damit wird sichergestellt, dass der Strom von Coopernico immer aus erneuerbaren Quellen stammt.
Investitionsmöglichkeit
Im Jahr 2014 förderte Coopérnico insgesamt sechs neue Photovoltaik-Projekte, verstreut über ganz Portugal: in Mangualde (Viseu), Palmela, Lissabon und Tavira. Alle sechs produzieren heute Ökostrom. Zur Errichtung trugen neben den Investitionen der Besitzer drei europäische Genossenschaften für erneuerbaren Energien – Beauvent (BE), Som Energia (ES) und Waterland (NL) – durch die Schaffung eines europäischen Konsortiums bei. Coopérnico hielt einen Anteil von 17,52 Prozent.
“Wir sind die Eigentümer der Solarkraftwerke und halten inzwischen schon einen Anteil von 25 Prozent. Die ausländischen Kooperativen besitzen 75 Prozent, aus denen sie nur Dividenden schöpfen”, erklärt er. “Unser nächstes Ziel ist es, von unseren Mitgliedern höhere Investitionen zu beschaffen, um den ausländischen Genossenschaften ihr Geld zurückzuzahlen, bis wir Eigentümer der gesamten Infrastruktur sind. Bis die Photovoltaik-Anlagen uns komplett gehören, geben wir unseren Mitgliedern die Möglichkeit, einen Teil ihrer Ersparnisse in der Produktion von sauberer Energie anzulegen und so einen echten Mehrwert zu schaffen”, begeistert er sich, damit auf die Investitionsmöglichkeiten aus dem Portfolio von Coopérnico hinweisend.
Und was ist der Vorteil für den Anleger in Zahlen ausgedrückt, fragt ECO123? “Stellen Sie sich vor, Sie möchten 1.000 Euro in das Portfolio investieren. Sie können dazu unseren Online-Simulator konsultieren. Daraus können Sie ersehen, wieviel Zinsen und Gewinn Sie erzielen werden. Bis jetzt war der Zinssatz von 4% über 12 Jahre festgelegt, ein Wert, der weiterhin unverändert bleibt. Was uns von normalen Banken unterscheidet ist, dass wir nicht nur den Zinsgewinn auszahlen und das Kapital über die Laufzeit von 12 Jahren in unserer Hand bleibt, sondern dass wir auch den investierten Betrag amortisieren. Das heißt, im ersten Jahr erhalten Sie 40 Euro Zinsen (4% von 1.000€) zuzüglich einer Amortisierung von 66 Euro. In der Praxis bedeutet das: Investiere 1.000 Euro und erhalte über 12 Jahre lang pro Jahr 107 Euro an Zinsen und Kapital. Wir bieten auch Anteile für Investitionen von 20.000 Euro an. Mit einem Anfang Juni herausgegebenen, erreichten wir 18.500 Euro. Im Juli kamen 15.000 Euro zusammen.” Nuno Brito Jorge ist guter Hoffnung, dass nach Ende des Sommers die Nachfrage wieder zunehmen wird.
Ohne Marketing, aber im europäischen Geist
“Wir glauben vor allem an Mundpropaganda und diese Art der Berichterstattung hier in Fernseh-, Rundfunk- und Printmedien. Wir tun etwas Gutes für die Gesellschaft, ohne Gewinnstreben. Wir haben halt kein Budget für große Kampagnen”, betont der Vorsitzendende der Genossenschaft. “Bis Ende des Jahres wollen wir es auf 450 Mitglieder und Stromkunden gebracht haben. Wir wissen noch nicht, ob uns das gelingen wird. Deshalb bereiten einen Aktionsplan für die letzten vier Monate dieses Jahres vor, um zu sehen, ob wir das Wachstum nicht noch ein wenig ankurbeln können”, vertraut er ECO123 an.
“Vor Ende 2015 möchten wir gern ein weiteres Grüne Energie-Projekt anschieben, diesmal in dem neuen Rechtsrahmen für den Eigenverbrauch und vorzugsweise ohne Beteiligung von Dritten.” In Europa gibt es ca. 3.000 Energiegenossenschaften, ein Drittel davon in Deutschland. Aber in Portugal mutet die Idee, dass Bürgerinnen und Bürger sich zusammenschließen, um in eine eigene Anlage zur Ökostromerzeugung zu investieren, noch seltsam an.
“Gleich hier neben uns, in Spanien, gibt es ein gutes Beispiel: die katalanische Kooperative SOM, gegründet im Dezember 2011 hat heute 20.966 Mitglieder und 26.544 Lieferverträge. Als Anbieter folgen wir dem nordeuropäischen Modell. Man denke nur, dass in Dänemark 80 Prozent der installierten Windleistung aus Genossenschaftsbesitz stammt! Die Menschen sind die Eigentümer der Kraftwerke. Hier in Portugal passiert genau das Gegenteil.” Alles ist in den Händen von Großunternehmen und Investmentfonds.
Wenn auch die Gründung noch nicht so lange her ist, so ist Coopérnico bereits das elfte Mitglied der REScoop – Renewable Energy Sources COOPerative = Europäische Erneuerbare Energien-Genossenschaften. Im kommenden Oktober wird die Genossenschaft auf Einladung dieser Organisation in Kreta einen Workshop zur Bildung von neuen Genossenschaften durchführen. Das europäische Netzwerk verzeichnet 296 Kooperativen und Gruppen im Zusammenhang mit erneuerbaren Energien. “Sie sind für uns in Portugal so etwas wie Tutoren, die jedoch auch auf uns und unser Tun mit Stolz schauen”, sagt er.
Bei der 7. Auflage des Wettbewerbs “GreenProjectAwards 2014” wurde Coopérnico am 21. Januar die Auszeichnung in der Kategorie “Initiative zur Mobilisierung” zuteil. Dies ist die wichtigste internationale Anerkennung der portugiesischsprachigen Länder, die in 2015 bereits 1.000 Bewerbungen erhielt und mehr als 60 Projekte im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung honoriert.
Auf ihrer Agenda stehen weiterhin soziale Maßnahmen. “Wir möchten mehr ehrenamtliche Mitglieder zusammen bekommen, um Projekte in ihren Regionen auf die Beine zu stellen. An der Algarve sind wir bereits bei der Gründung einer Gruppe. Bisher haben wir uns mit den Investitionen auf die Solarenergie beschränkt, aber in der Zukunft werden wir auch kleine Wasser- und Windkraftanlagen fördern”, schließt er.
Seit Anfang 2015 ist es nach der Eigenverbrauchsregelung möglich, Energie für den eigenen Konsum selbst zu produzieren. Nach Angaben der Verbraucherschutz-organisation DECO wurde die private Energiegewinnung mit dem Auslaufen der Förderung von Netzeinspeisungstarifen in ihrer Attraktivität und Rentabilität ernsthaft beeinträchtigt. Die Amortisation der Investitionen wurde zunehmend schwieriger, außer bei langen Laufzeiten. “Mit der neuen Eigenverbrauchsregelung können wir den Strom an jeden Abnehmer für einen für uns vorteilhafteren Preis als nach dem iberischen Richttarif verkaufen. Wobei sich jedoch auch das Risiko für eine Kooperative wie Coopérnico erhöht hat”, gesteht Jorge Nuno Brito. “Wenn ich Kollektoren auf dem Dach Ihres Hauses installiere, um Ihnen den erzeugten Strom günstiger als die EDP zu verkaufen, schwebe ich immer in Gefahr, dass Sie uns nicht bezahlen. Bis heute war der Staat verpflichtet, die ausstehenden Beträge zu übernehmen. Bis nicht die Politik doch noch eine unverhoffte Wendung vollführt, müssen wir uns bewusst sein, dass eventuell wir am Ende dafür bezahlen.” Brito gibt zu, dass Portugal viel Zeit bei der Energiegenossenschaftsfindung verloren hat und ist offen der Meinung, dass auch Coopérnico mindestens fünf Jahre früher hätte gegründet werden können. “Das soll nicht heißen, dass das neue Modell zur Eigenverbrauchsregelung nicht auch funktionieren wird. Nur müssen wir uns nun mehr mit der Risikobewertung befassen.” Im Moment wird die neue Eigenverbrauchsregelung gerade auf ihre rechtlichen Auswirkungen hin studiert und Coopérnico wird erst wieder neue Informationen dazu herausgeben, wenn sie ein neues Projekt in diesem Bereich plant.