Samstag, der 15 Abril 2023.
Die Meere sind überfischt. Und dort, wo der Fisch rar ist, wird er teuer. Deshalb setzen immer mehr Restaurants auf die Fischzucht. Das führt dazu, daß ein Kilogramm frische Sommer-Sardine aus dem Meer schon jetzt soviel kostet wie eine Dorade aus der Fischzucht. Und immer geht es um die schiere Masse. Naht der Sommer, nahen die Touristen. Ein Landstrich, der zu normalen Zeiten keine halbe Million Einwohner zählt, schwillt künstlich an zu einer Gemeinschaft der Sonnenhungrigen, die all die Einwohner aus Lissabon und Porto als Touristen aufnimmt und dann kommen sie auch noch aus London, Berlin und Paris, aus Amsterdam und Brüssel, Madrid und Rom und für zwei bis drei Monate verwandelt sich die Algarve in einen Rummelplatz wie zu Sankt Martinho. Wer die Zahlen der Statistiker liest, stellt sich die sehr berechtigte Frage, woher all die Ressourcen für rund zehn Millionen zusätzliche Menschen genommen werden sollen, woher das Wasser stammt und wohin die Abwässer eingeleitet
Geht es nicht auch ein bißchen weniger manisch? Sollten wir nicht etwas vorsichtiger mit unseren Ressourcen umgehen? Und sollten wir nicht selbst ausgeglichener arbeiten und uns statt sechs Monate Überstunden und den Rest des Jahres auf Kosten des Arbeitsamtes – nicht lieber eine ganzjährige Arbeitsstelle suchen? Ist weniger vielleicht mehr? Auch beim Esssen?
Ich erinnere mich noch an die Zeiten, als man an der Algarve für 100 Escudos soviel Sardinen essen konnte, wie man wollte. Was für eine Übertreibung! Wissen Sie noch, wann genau das war? 1993, vor dreißig Jahren. Und weil mir der Werdegang der Sardine nun immer bewußter wird, erinnere ich mich auf einmal an Julio Bernardo, diesen begnadeten Fotografen und Filmemacher aus Portimão, der einmal sagte, der Tourismus werde der Sardine den Rest geben. Wer wie er im Rio Arade die Laichplätze der Sardinen kannte, muß darüber, daß die Fahrrinne ausgebaggert und der Sand für den Beton von Praia da Rocha gewonnen wurde, ohnmächtig geworden sein vor Wut.
Immer bestimmt die Wirtschaft, wie die Sardine tanzen soll. Eine Portion mit sechs kleinen Fischen kostet mittlerweise zehn Euro. Erst wurden die Laichplätze von der Bauindustrie (Bemposta läßt grüßen) zerstört, dann wurde das Meer von den Fischern überfischt und bevor die Sardine ausstirbt, wurden noch schnell neue Fangquoten von der EU erlassen. Und füllen die Fischer jetzt Fragebogen aus, um Subventionen abzufischen? Wovon lebt ein Fischer, wenn es keine Fische mehr in Meer gibt?
ECO123 wird sich wieder ausführlicher mit dem Essen beschäftigen. Wir gehen inkognito essen & trinken. In der Regel bewerten wir das handwerkliche Geschick der Köche. Aber wir nehmen auch Rücksicht auf das Tierwohl. Und gibt es selbstgepreßte, alkoholfreie Begleitungen zum Menü? Am Ende einer Mahlzeit steht immer der Nachtisch. Die Produktqualität, die Balance der Komposition, die geschmackliche Finesse, aber auch die Sauberkeit des Örtchens, die Freundlichkeit und Professionalität des Kellners, das Ambiente und der Stil runden das Gesamtbild eines Restaurants und seines Angebots bei ECO123 ab. Und was darf so ein Essen kosten? Von Zeit zu Zeit stellen wir in unserer Kolumne einen Produzenten von neuen lokalen Produkten vor. Auch das hält sich stets an die journalistischen Richtlinien des Hauses und kann nicht „eingekauft“ werden. Unseren ersten Test beginnen wir in Silves. Wo? Das erfahren Sie nächste Woche an dieser Stelle. In diesem Sinne freue ich mich, Sie in unserer neuen Kolumne „Essen & Trinken“ begrüßen zu dürfen.