Im Herbst wird in meinem Dorf wieder ein Bürgermeister gewählt. Sieben Jahre (4+3) ist es her, dass sich die Opposition in ihre Höhle des Schlafes zurückgezogen hat. Pünktlich zum Wahljahr ist sie wieder erwacht. Ich hatte nicht mehr daran geglaubt, dass der Winterschlaf irgendwann einmal zu Ende gehen sollte. Wer immer ein Dorf so regiert, hat es ja nicht ganz so einfach mit einer Opposition, die alles verschläft. Als ich hörte, dass man nun dem Bürgermeister die Leviten lesen wolle, besuchte ich aus journalistischem Interesse die Kreisratssitzung (Assembleia Municipal).
Der Bürgersaal des Rathauses ist gerammelt voll. Um 21h30 sitzen da acht Sozialisten (PS), ein Kommunist (CDU) und eine Unabhängige (MI) den sieben Sozialdemokraten (PSD) gegenüber, die den Bürgermeister (PSD), die Exekutive, schützen sollen. Im Kreisrat ist der sozialdemokratische Bürgermeister auf eine Kooperation mit den Sozialisten angewiesen, was nicht heißt, dass er kooperiert. Und deshalb rumort es nun gewaltig in der Legislative, denn bald wird ja gewählt.
Der sozialistische Fraktionsführer steht auf und liest aus einem sechsseitigen Papier, dass wegen diesem und jenem „die acht gewählten Mitglieder der Sozialistischen Partei, der Kommunisten (CDU) und der Unabhängigen (MI) mit jeweils einem Sitz im Kreisrat, der Führung der Exekutive, dem Bürgermeister (PSD) das Misstrauen aussprechen.“ Der Bürgermeister sei ein Populist und Demagoge und seine inkompetente Verwaltung sei heuchlerisch, politisch voreingenommen und inkonsequent. „Nun stehen wir, nach einer Menge von Versprechungen aus sieben Jahren vor dem NICHTS!“ Der Bürgermeister steht auf, gibt eine persönliche Erklärung ab und verlässt den Saal. Fortan wird er nicht mehr gesehen.
Ich arbeite seit mehr als 25 Jahre in dieser Provinz und studiere die Identität eines Raums, der dringend nachhaltige Wiederbelebung bräuchte. Vieles von dem, was die Opposition an diesem Abend in ihrem Misstrauensvotum ausdrückt, ist Realität. In sieben Jahren hat sich die Bevölkerung weiter verringert. Jugendliche ziehen von den Dörfern in die Städte und suchen sich dort eine Arbeit. Der ländliche Wirtschaftsraum verkümmert immer mehr. Waldbrände geben dem Land den Rest. Der Bürgermeister habe viel versprochen und wenig gehalten. Mich erinnert diese Auseinandersetzung an einen Kindergarten. Ich spiele nicht mehr mit dir, weil du das und das (nicht) getan hast. Geht es nicht auch ein wenig konstruktiver?
Die Probleme, besonders die kulturelle und soziale Verarmung, die wir tagtäglich leben müssen, verdienen gewählte Politiker, die nur das versprechen, was sie auch halten können und eine allseits frische Opposition, die kontrolliert. Es macht keinen Sinn, den Bürgermeister mit Vorwürfen zu überhäufen und dann selbst keinen Plan zu haben. Opposition, die regieren will, geht nur, wenn man bessere Ideen präsentiert, statt nur den Finger in die Wunden zu legen. Nach sieben Jahren Winterschlaf setzt der Löwe brüllend zum Sprung an und landet … als Bettvorleger. Der Bürgermeister fährt schmollend nach Hause. Die Sitzung ist geschlossen.
Was ist das für ein absurdes Theater in einem Dorf, das zur Hälfte aus Ruinen besteht? Wann endlich beginnt Ihr Politiker, das Casa do Povo zu restaurieren und die Grundlagen zu schaffen, jungen Menschen einen nachhaltigen Ausbildungsplatz auf dem Dorf zu bieten?