Überleben der Menschheit im Klimawandel“
Gil Penha-Lopes ist Gastprofessor an der Fakultät für Naturwissenschaften der Universität von Lissabon. Er war verantwortlich für die Koordinierung europäischer und nationaler Projekte zur Bottom-up-Anpassung (engl. von unten nach oben) an den Klimawandel mit einem Fokus auf von den Gemeinden durchgeführten Initiativen. Er hält Vorträge beim Internationalen Promotionsprogramm zum Klimawandel und einer nachhaltigen Entwicklungspolitik der Universität Lissabon.
Gil ist Mitbegründer der europäischen Plattform der Gemeinschaftsinitiativen zur Nachhaltigkeit und dem Klimawandel (ECOLISE) und veröffentlichte kürzlich ein Buch über “Permakultur und Anpassung an den Klimawandel.”
Die von mir gewählten Worte der Überschrift beginnen bereits Einzug in Veranstaltungen und offizielle Dokumente von Organisationen der UN, der Europäischen Kommission, dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, dem ICLEI – „International Council for Local Environmental Initiatives” (weltweiter Verband von Städten, Gemeinden und Landkreisen für Umweltschutz und nachhaltiger Entwicklung), bei Bürgermeistern und verschiedenen internationalen NGOs zu halten. Auf lokaler Ebene entwickeln und erproben Gemeinschaftsinitiativen wie Ökodörfer, Permakulturprojekte und Initiativen der Transition-Bewegung bereits neue Überlebensstrategien, überwiegend mit Betonung auf lokaler Produktion und Verbrauch von Produkten, Gütern und umweltfreundlichen Dienstleistungen (biologisch, organisch, zertifiziert etc.) sowie integrativen, fairen und partizipativen Verwaltungsformen. Die Vision dieser Initiativen, die auf die Regeneration sozialer, ökologischer, ökonomischer und kultureller Zusammenhänge abzielt, erlaubt eine Innovation in all diesen Dimensionen, oft integriert in das Konzept von “Social Entrepeneurship”, das sogenannte Sozialunternehmertum.
Mit diesem Essay möchte ich einige Tendenzen und Aktionen vorstellen, die in Portugal auf verschiedenen Ebenen umgesetzt werden könnten, um die kontinuierliche Zunahme der schädlichen Auswirkungen des Klimawandels zu verlangsamen und zu stoppen. Mit Klimawandel meine ich die langsamen Veränderungen wie den steigenden Meeresspiegel und die Verschiebung der Jahreszeiten, sowie extreme Wetterereignisse wie Überschwemmungen und Hitzewellen, verursacht durch die deutliche Zunahme der Treibhausgase in der Atmosphäre, die bereits den Wert von 400 ppm überschritten haben.
Bei COP21 in Paris wurden die noch immer signifikanten Abweichungen deutlich zwischen den Absichtsbekundungen der Nationen zur Reduktion ihrer Treibhausgas-Emissionen und des errechneten maximal erlaubten Gesamtausstoßes, um unter einem globalen mittleren Wert des Temperaturanstiegs von 1,5ºC zu bleiben. Im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter ist es jedoch schon um 0.8ºC wärmer geworden. Die von den Ländern angepeilten Emissionen werden uns die Umsetzung des Szenarios einer Welt bescheren, die bald circa 4°C wärmer sein wird. Da es nicht lohnt, an dieser Stelle alle Gründe aufzuzählen, warum ein Leben auf einem um 4°C wärmeren Planeten nicht erstrebenswert ist, empfehle ich den von einem der angesehensten Institutionen in Europa erstellten Bericht „Turn Down The Heat“ zu studieren. (PIK)
Ich bin der Meinung, dass Portugal, wie jedes andere Land bzw. Gebiet auch, eine langfristige Strategie unter der Prämisse entwickeln sollte, mit allen anderen Lebewesen auf diesem Planeten in Harmonie zu leben. Die Millenniumsziele können dazu beitragen, aber sie berücksichtigten noch nicht die besonderen Umstände, die Kultur und die Visionen einer sich entwickelnden neuen Gesellschaft. Dem interessierten Leser möchte ich die Webseite www.redeconvergir.net empfehlen (und dort ganz besonders CATALISE), wo er einige der Projekte kennenlernen kann, auf die ich mich hier beziehe, und noch viele weitere.
Diese neue Vision könnte auf folgenden Prinzipien und Werten basieren:
• Gemeinsinn und Respekt für alles Leben und alle Bürger;
• Aufgeschlossenheit, Akzeptanz und Fortbildung für eine auf konstruktivem Experimentalismus basierende Entwicklung;
• Erprobung und Einführung von Wirtschaftssystemen, die Verhaltensweisen fördern, die den Naturgesetzen folgen und menschliche und natürliche Systeme wieder herstellen;
• Einführung verschiedener Wohlstandsindikatoren;
• Entwurf, Erprobung und Einführung partizipativer, vielstufiger und anpassungsfähiger Verwaltungsformen mit einer betont hohen Verantwortlichkeit der Bürger, der Kommunen und der Regierungen auf verschiedenen Ebenen;
Es ist wichtig, dass es sich um eine positive Vision handelt, die uns dazu inspiriert, die Veränderung, die wir in dieser Welt erreichen möchten, zu „leben“. Vor allem soll sie eine Vielzahl von Visionen und Realitäten erlauben, die miteinander ein Ganzes ergeben. Eine Metapher dafür kann z.B. unser Körper sein: Eine Vielzahl von Organen mit sehr unterschiedlichen Funktionen, Bedürfnissen und speziellen Fähigkeiten, die aber in einem gesunden Körper mit einer beeindruckenden Harmonie zusammenarbeiten und es uns ermöglichen Dinge zu tun, die eigentlich unmöglich scheinen.
Um Ihnen einen Einblick in machbare, kurzfristig umsetzbare Maßnahmen zur Realisierung dieser Vision zu geben, möchte ich einige Anregungen geben:
• Einführung einer ergänzenden Währung, angepasst an die lokalen Umstände, gedacht vor allem zur Förderung der lokalen Produktion und des lokalen Verbrauchs von Grundgütern wie Nahrung, Energie und Wasser. Der Euro wird weiterhin sinnvoll bleiben für alle Transaktionen, Waren und Dienstleistungen betreffend, die von Natur aus und umständehalber auf überregionaler Ebene stattfinden.
• Ein bedingungsloses Grundeinkommen, das allen portugiesischen Bürgern das Überleben sichert. Es könnte in der Komplementärwährung ausgezahlt werden, um den vorherigen Punkt zu unterstützen.
• Erstellen einer Liste von guten Praktiken (einschließlich politischer und finanzieller), die sich in Portugal und anderen Ländern mit ähnlichen biophysikalischen und meteorologischen Bedingungen bewährt haben. Für am Wichtigsten halte ich:
i) nachhaltiges Bauen;
ii) ökologische Landwirtschaft mit ihren positiven Auswirkungen auf die biologische Vielfalt;
iii) Reinigung und Renaturierung der natürlichen Wasserläufe;
iv) Regenerieren der natürlichen Ökosysteme mit einheimischen Arten sowie Begrünung der Städte; v) Förderung einer humanisierten Ausbildung, im Sinne der Natur und im Einklang mit dem aktuellen Kontext und den beschlossenen Zielen;
v) Gratisnutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln bis zum 18. Lebensjahr und die Förderung des Gebrauchs von umweltfreundlichen Verkehrsmitteln wie Fahrrädern in städtischen Gebieten.
• Einbeziehung der Küstengemeinden, wo der größte Teil der portugiesischen Bevölkerung lebt, in eine von Politik und Finanzwelt unterstützte Entwicklung von Anpassungsstrategien an den Klimawandel, insbesondere in Hinblick auf den steigenden Meeresspiegel und Unwetter mit schweren Regenfällen und Stürmen. Nutzen und Kosten einer solchen Anpassung sollten klar abgesprochen werden, unter besonderer Berücksichtigung, bis wie weit eine in die Zukunft ausgerichtete Planung nötig ist in Anbetracht der aktuellen Auswirkungen und Zukunftsszenarien für diese Orte. Ich meine damit auch, dass wir uns die Funktionsweisen der Natur zunutze machen müssen (der sogenannte Ökosystem-Ansatz). Das kann auf lange Sicht bis hin zu einer Verlagerung von Gemeinden oder Aktivitäten führen.
• Entwicklung von Strategien für das Binnenland Portugals, das mit vermehrten Herausforderungen zu kämpfen hat.
• Analyse der beruflichen Fähigkeiten und Kenntnisse auf den verschiedenen Ebenen und Gebieten. Befähigung einer ausreichenden Anzahl von Menschen durch eine professionelle Ausbildung, die
Entwicklung von Unternehmen und Institutionen (öffentliche und private) dabei zu unterstützen, ihren Fokus, ihre Vorgehensweisen und ihre Produkte entsprechend zu ändern.
Diese Liste ist unvollständig, aber sie gibt eine Vorstellung von den Möglichkeiten, die eine harmonische Transformation (unterbrechungsfrei und schnell) zu einem nachhaltigeren Leben in Portugal fördern können. Natürlich müssen diese oder andere Maßnahmen jeweils durch neu definierte Verhaltensweisen und (Produktions)Verfahren ersetzt werden, sobald die hier genannten erfüllt sind. Bei der Entwicklung und Umsetzung der angepeilten Ziele sollte man so verfahren, dass der kreative Aktionist nicht das ganze System zu Fall bringt, wie das leider typisch für uns Portugiesen ist. Auf der anderen Seite hat uns die Art des Handelns schon auf alle fünf Kontinente der Welt gebracht. Das beweist, dass wir, sind wir erst einmal von einer Sache begeistert und haben ein klares Ziel vor Augen, gemeinsam zu unvorstellbaren und herausragenden Leistungen fähig sind. Also, wie sieht´s aus, packen wir´s an?