Samstag, der 3. Februar 2024.
Der kleine Haupt-Verlag aus Bern in der Schweiz hat ein großes Buch verlegt. Es erzählt die Geschichte der Gewürze aus 5.000 Jahren und wurde vom Norweger Thomas Reinertsen Berg geschrieben und aus dem Norwegischen in die deutsche Sprache übersetzt. Warum gibt es dieses Buch nicht auch in portugiesischer Übersetzung? Und warum muß ein Norweger ein Buch über die Geschichte der Gewürze schreiben und Portugal nimmt darin, neben den Niederlanden, England, neben China, Indien, Vietnam, Indonesien und Sri Lanka eine so wichtige Rolle ein. Wäre das nicht auch ein Thema für einen portugiesischen Autoren gewesen?
Ging es nicht um bedeutende kulinarische Schätze, weshalb man das ganze Theater mit Spanien über die konkurrierende Seefahrt zu lösen versuchte, um Reichtum zu mehren, dem man über hunderte von Jahren hinterhersegelte, weshalb man sich auf lange Reisen machte und unterging in Seeschlachten, mit Schiffsladungen voll Muskat, Zimt, Pfeffer, Ingwer, Kardamon und Nelken – oder in Unwettern auf hoher See, in denen viele Seeleute ihr Leben ließen. Es ist auch die Geschichte kolonialer Kriege, der Unterdrückung, der Sklaverei und des Betrugs – und die Geschichte unserer Cuisine…
… was wäre heute ein süßer Reis ohne Zimt, was ein Pastel de Nata? Das Buch hat elf sehr lesenswerte Kapitel auf 330 spannenden Seiten mit alten Seekarten und botanischen Bildern. Vielleicht gibt es in Portugal keine interessierten LeserInnen für solch ein schönes Buch? Auch ein Verlag muss Gewinn erwirtschaften und viele KäuferInnen finden. Lesen Portugiesen keine guten Geschichtsbücher? Die Leserin erfährt wahrlich auch unangenehme Informationen über die portugiesische, niederländische und englische Gier nach Gewürzen. Vielleicht ist das eine Erklärung, warum das Buch von einem Norweger geschrieben wurde und nun in der neutralen Schweiz bisher nur auf Deutsch erschienen ist. Denn durch den Handel mit Gewürzen beginnt auch die Sklaverei. Und da mischte Portugal an verantwortlicher Stelle mit. Um die Gewinne zu steigern und die Kosten zu senken, brauchte es billige Plantagenarbeiter. Am besten füllte man auf dem Hinweg über Goa nach „Maluka“ (den Molukken) die leeren Schiffe mit Sklaven aus Afrika und kehrte mit Schiffen voller Gewürzladungen nach Lissabon, Lagos, Sevilha, Antwerpen, Amsterdam und London zurück. Wer das Buch langsam liest, dem wird die Misere des heutigen Kapitalismus in seiner ganzen Konsequenz bewußt. Jeder gegen jeden, jedem etwas mehr, dem anderen gönnen wir keinen Erfolg, eher versenken wir die Schiffe des anderen, am besten rauben wir sie noch vorher aus und übernehmen die Ladungen. Mit den Völkern Indonesiens und den Stämmen Indiens, Sri Lankas und Afrikas gehen die wechselnden Mächte Europas – mit den Römern und Griechen beginnend, über die Araber bis hin zu den Ägyptern – nicht gerade zimperlich um. Menschenrechte? Fairer Handel? Win-win? Nichts dergleichen. Das alles kommt erst sehr viel später, wenn überhaupt.
Wenn ich heute in einem Supermarkt vor dem Gewürzregal stehe und Muskat, Zimt oder Pfeffer suche, wird mir immer bewußter, daß ich das Original der gemahlenen Kopie oder der Gewürzmischung vorziehe. Warum? Was hat man nicht schon alles versucht zu mischen und zu strecken aus Gründen des lieben Geldverdienens: den Zimt mit Holzmehl, das Chilipulver mit Eselsmist usw. Was gestern noch das Erdöl war und heute das Lithium ist – waren vorgestern die Gewürze – sind es noch immer Gold, Silber und Kobalt. Ob der Mensch und seine Gier sich doch noch zähmen lassen? Die Geschichte der Gewürze, Genuss, Gier und Globalisierung, von Thomas Reinertsen Berg ist ein sehr tiefgründig geschriebenes, diverses Buch.
Buch: Die Geschichte der Gewürze
Genuss, Gier und Globalisierung, 358 Seiten, 38 Euro
von Thomas Reinertsen Berg
erschienen im Haupt-Verlag, Bern, Schweiz
ISBN 978-3-258-08357-5