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Nº 1 – 100 Jahre Einsamkeit?

Sonntag, der 5. April 2020

100 Jahre Einsamkeit?

Lassen Sie sich von ECO123 einladen. Ab heute, jeden Morgen, lesen Sie ECO123 erstmals als
Kolumne zu Ihrem Kaffee. Ja richtig, jeden Morgen um acht Uhr erscheint im neuen Format die
neue ECO123 Kurzgeschichte an dieser Stelle. Täglich. Meine KollegInnen Dina, Alexandre,
Sue, Francisco, Leila, Sonya und ich – sowie einige unserer freien internationalen Autoren –
werden Ihnen täglich ihre Short Story zum Frühstück servieren: Geistige Nahrung in Zeiten der
Covid-19 Pandemie.

Lassen Sie mich meine Geschichte mit einer Frage beginnen. Hat Covid-19 und die tödliche
Gewalt des Virus etwas mit unserer hypermobilen Lebensweise in einer global vernetzten
Weltwirtschaft zu tun? Als wir uns zu Beginn des Jahres 2020 gegenseitig ein frohes Neues
Jahr mit Gesundheit und Frieden wünschten, dachte keiner von uns daran, dass ein Virus die
Welt derart radikal verändern könnte. In weniger als drei Monaten frißt sich das kleine Tierchen
durch unsere moderne Welt; bringt scheinbar stabile Gesellschaften an den Rand des
Zusammenbruchs und macht zur schrecklichen Gewissheit, was doch längst alle irgendwie
wussten aber nicht wahrhaben wollten: wir leben in einer synchronen Gleichzeitigkeit in einer
global agierenden doch kognitiv dissonanten Weltengemeinschaft, in einer existenziellen
Abhängigkeit von weltweiten Produktionsketten, Wertschöpfungsketten, Versorgungsketten,
Rohstoffketten, Lieferketten, Verantwortungsketten, Informationsketten, Energieketten und wir
und unsere Waren reisen per Flugzeug von irgendwo nach nirgenwo. Auf einmal bricht all das –
was ich in einigen meiner Geschichten mal als Kartenhaus der modernen Weltwirtschaft
bezeichnete – mit uns und in uns zusammen. Rien ne va plus.

Dem stelle ich die lebendige lokal und regional agierende Wirtschaft als robustes Model
entgegen. Das Geld bleibt im Dorf: beim Bäcker, beim Bauern auf dem Markt, in der
Olivenölmühle um die Ecke und so weiter, um nur einmal drei Beispiele zu erwähnen. So leben
wir in Monchique und in vielen anderen Dörfern dieser Welt. Warum noch mal haben wir das
verändert?

Die Leute verlassen ihre Dörfer und ziehen in die Stadt. Dort suchen sie sich Arbeit und
entfremden sich. Traditionen und Kontinuität gelten nichts mehr. Nichts ist mehr wie es einmal
war und nichts ist mehr weit weg. Nach Neuseeland in den Urlaub an einem Tag, oder mal
nach Bangkok, oder schnell noch mal an die Algarve, in einer zusammenwachsenden
Weltgesellschaft gibt es das Dorf nicht mehr. Handeln mutiert über Nacht zur globalen Gefahr.
Tatsächlich macht eine Pandemie jeden zu einem potenziell tödlichen Überträger, zum
Gefährder und Gefährdeten in einer Person. Wir bewegen uns von einer Stadt in die andere
und verteilen das Virus, vom Karneval in Rio über das internationale Fußballspiel von Bergamo
nach Ischgl zum Skilaufen. Und immer in Partylaune. Das Virus ist der unsichtbare Dritte in
einer Epidemie des Argwohns; es zersetzt den Common Sense, greift die Wahrnehmung an,
trübt die Urteilskraft. Am Ende kann niemand mehr zwischen Wissen und Nichtwissen,
zwischen Risiko und Risikowahrnehmung unterscheiden.

Stop. Spulen wir den Film noch einmal zurück. Beginnen wir das Jahr noch einmal von vorn.
Was wäre passiert, wenn aufgrund der Klimakrise, aufgrund der exorbitanten
menschgemachten CO2 Emissionen, ein Staatspräsident oder Primierminister den ganzen
Zirkus gestoppt und uns Enthaltsamkeit verordnet hätte, im Haus bleiben, kein Autofahren
mehr, keine Flugbuchung, keine Fußballspiele usw.? Ich finde diese Auszeit gut und schlage
vor, wir nutzen unsere freie Zeit, die uns im Moment zur Verfügung steht, um darüber
nachzudenken, wie wir in naher Zukunft nachhaltiger leben, arbeiten und wirtschaften können.
Das würde einen tieferen Sinn ergeben.

Frohe Ostern

Uwe Heitkamp (60)

ausgebildeter Fernsehjournalist, Buchautor und Hobby-Botaniker, Vater zweier erwachsener Kinder, kennt sei 30 Jahren Portugal, Gründer von ECO123.

Fotos: dpa

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