Wir schreiben das Jahr 2030. Niemand mehr in Portugal schläft auf der Straße. Niemand mehr steht an den Suppenküchen der karitativen Vereine an. Die Bettler sind verschwunden. Das Bedingungslose Grundeinkommen im Sozialstaat des 21. Jahrhunderts ist im Süden Europas angekommen. Portugal, das kleinste der fünf südlichen EU Staaten hat sich entschieden, jedem seiner Bürger das Grundeinkommen zu gewähren. Das Pilotprojekt der EU begann 2021. Premierminister António Costa und seine Regierung, die nach den letzten Wahlen nun über eine stabile Mehrheit in einer Koalition mit der PAN im Parlament verfügt, haben entschieden, die Revolution von 1974 zu Ende zu bringen. Das Finanzamt zahlt jedem der 8.756.507 erwachsenen portugiesischen Staatsbürger lebenslang ein monatliches Grundeinkommen von 600 Euro (500 Euro bis 2025) aus. Die 1.243.493 Jugendlichen unter 18 Jahren, deren Eltern bisher ein mickriges Kindergeld in Höhe von 60 Euro erhielten, bekommen seit 2021 zwischen 150 und 250 Euro pro Kind, nach Alter gestaffelt. Das neue Gesetz garantiert den Wegfall entwürdigender Bittstellerei und einer von Misstrauen geprägten fortwährenden Kontrolle durch staatliche Sozialversicherungsbehörden. Es garantiert die staatliche Existenzsicherung durch ein Grundeinkommen (BGE) ohne Gegenleistung.
Keine starke Demokratie basiert auf Verlierern.
Ein Science Fiction von Theobald Tiger.
Der Covid-19 Pandemie vernichtete im Jahr 2020 fast jeden zweiten Arbeitsplatz. Mit Beginn des Jahres 2021 gab es jedoch in Portugal keine Arbeitslosen und auch keine Rentner mehr. Die Sozialversicherung des Landes, die sich vor 2020 Segurança Social nannte und pleite war und auch die Arbeitsämter wurden gegen Ende des Jahres aufgelöst und abgewickelt. Es war die größte Veränderung im Land seit dem Wiederaufbau durch den Marquês de Pombal nach dem Erdbeben von 1755. Die mehrere zigtausend Mitarbeiter der Sozialversicherung wurden im Rahmen einer sechsmonatigen Fortbildung umgeschult und arbeiten heute in den Finanzämtern. Viele der Beamten erhielten Nachhilfe in Ökologie, angewandter Mathematik, in nachhaltiger Finanzwirtschaft und zirkulärer Betriebswirtschaftslehre und wurden auf das neue Steuerrecht vorbereitet, das jeden Bürger und jedes Unternehmen einheitlich mit 50% IRS besteuert (siehe Milton Friedman, Nobelpreis Wirtschaft 1976). Eine neue dezentrale Behörde, die sich um die erweiterten Leistungen im Gesundheitswesen kümmert, nahm damals ihren Dienst nach der Covid-19 Pandemie auf und garantierte von 2021 an die freie Arztwahl in Portugal. Niemand muss mehr Nummern ziehen und Stunden oder Tage auf ärztliche Versorgung im Krankenhaus warten. Die Leistungen werden über staatliche Gutscheine abgerechnet, die Krankenversicherungen entgegennehmen.
Die Idee des Nobelpreisträgers der Wirtschaftslehre hatte sich durchgesetzt. Die einheitliche Zahlung in Höhe von monatlich 600 Euro (bis 2025 € 500) wird seitdem an jedem 30. Kalendertag vom Finanzministerium auf die Konten der Bürger überweisen. Pünktlich. Das machte zusammen einen Betrag pro Kopf und Jahr von 6.000 Euro (seit 2025 € 7.200). Bei einer Überweisung an knapp zehn Millionen Einwohner kommen auf diese Weise jährlich knapp 54 Milliarden Euro (seit 2025 € 65 Mrd.) zusammen. António Costa hatte ein Jahr lang in einer EnqueteKommission die fähigsten Wirtschaftswissenschaftler Portugals um sich versammelt und in einem Marshallplan die Blaupause für die Finanzierung des Bedingungslosen Grundeinkommens entwickelt. Rückendeckung holte er sich dazu von der EU Kommission und dem Europaparlament aus Brüssel und von der Europäischen Zentralbank in Frankfurt. Diese waren unter Auflagen jeweils bereit, mit bis zu 25 Prozent der Gesamtsumme pro Jahr in den letzten zehn Jahren der Transformationsperiode im eventuellen Notfall beizuspringen. Doch das wurde nie akut.
Der Topf aus dem das Geld floss, war gefüllt mit Geldern, die ab 2021 in den Ausgaben der ehemaligen „Segurança Social“ eingespart wurden. Von 2021 an entfielen das Arbeitslosen-, das Mutterschafts- und das Kindergeld, das Bafög und viele andere Zuschüsse. Jegliche Rentenzahlungen unterhalb der 600-Euro-Grenze werden nun mit dem neuen bedingungslosen Grundeinkommen verrechnet. Diejenigen Rentner, deren Renten höher waren als das Grundeinkommen und die bis 2021 monatlich mehr überwiesen bekamen, bezogen während eines Zeitraums von zehn Jahren ihre Renten in gleicher Höhe weiter. Allerdings mussten auch sie auf ihre Renten Steuern (IRS) bezahlen, denn sie erhielten monatlich vor ihrer Rente die 600 Euro Grundabsicherung. Niemand mehr wird heute weniger als 600 Euro Rente zum Leben besitzen, viele sogar wesentlich mehr, denn der Status des Rentners wurde abgeschafft. Wer sich noch ein paar Jahre länger nützlich machen möchte, wird nicht davon abgehalten.
Ein Jahr lang, zwischen Juni 2020 und Mai 2021 hatten Wirtschafts- und Finanzexperten der Regierungsenquete die neue Steuerpolitik des Staates gestaltet. Fazit: in das Budget des Bedingungslosen Grundeinkommens, das dem Finanzministerium untersteht, verblieben ab 2021 alle Gelder des Arbeits- und Sozialministeriums der ehemaligen Sozialversicherung:
- 13 Mrd. Euro an Pensionszahlungen der ehemaligen Segurança Social;
- 2 Mrd. Euro an früheren Arbeitslosengeldern; (Prestação de desemprego)
- 700 Mio. Euro an Kindergeld; (Abono de familia)
- 500 Mio. Euro an Krankengeld; (Subsido por Doença)
- 450 Mio. Euro an Mutterschaftsgeld (Prestação de Parentalidade)
- 480 Mio. Euro an Armuts- und Rentenzuschüssen (RCI, CSI)
macht zusammen knapp 17 Mrd. Euro.
In die Finanzkasse des Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) wurden neu aufgenommen:
-
- 40 Mrd. Euro an Einnahmen aus der neuen IRS Quellensteuer, die auf alle Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Beamte sowie auf alle in- und ausländische Firmen, inklusve Google, facebook, Amazon und Apple, die in Portugal Produkte oder Dienstleistungen verkaufen, anfallen (50%)*,
-  3,2 Mrd. Euro der neuen CO2-Ökosteuer, die aus der Verbrennung und Emission von Rohöl, Gas und Kohle bei allen Produzenten im Energiesektor (Galp, SU etc.) und im Automobilsektor (AVW, Autoeuropa etc.), Dienstleistern und Konsumenten erhoben werden, die mehr als 3.000kg CO2 pro Jahr/Kopf in die Atmosphäre einleiten;
- 2,5 Mrd. Euro der neuen Transaktionssteuer für Finanzspekulationen aller Art im Finanz- und Bankengewerbe;
-  1.5 Mrd. Euro der neuen industriellen Produktsteuer, die auf alle nichtrecyclingund auf alle nicht pfandfähigen Produkte an der Quelle erhoben wurde;
- 1,5 Mio. Euro an Einsparungen durch geringere Verwaltungskosten;
- 500 Mio. Euro an Roboter- und Automatensteuern pro Jahr;
macht zusammen knapp 49,2 Mrd. Euro.
Dem Budget des Bedingungslosen Grundeinkommens des Finanzministeriums wurden im ersten Haushaltsjahr 2021 circa 66,2 Mrd. Euro zugeordnet. Eine so radikale Steuerreform provozierte natürlich immense Reaktionen auf Löhne und auf das Verhältnis von Arbeits- und Kapitalkosten, die in den ersten fünf Jahren bis 2025 genau analysiert und angepasst wurden. Aus diesem Grund schauten EU und EZB sowie die anderen 26 EU-Länder voller Interesse nach Portugal und begleiteten den portugiesischen Weg in ein progressives und gerechtes Steuersystem mit großem Interesse. Nach den wirtschaftlichen Desastern der Pandemie von 2020 wurde Portugal zum Modellprojekt, in dem die wirtschaftlich Starken mehr gemeinsame Lasten tragen müssen als die Schwachen. In den folgenden Jahren stabilisierte sich die katastrophale Wirtschaftslage nach der Einführung des BGE.