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Praktische Tipps von Uwe Heitkamp

Nº 63 – Wie schließe ich echte Freunschaft mit einem Baum?
Praktische Tipps von Uwe Heitkamp

Samstag, der 28. November 2020

Die Antwort ist einfach. Du schließt Freundschaft mit einem Baum, in dem du ihn selbst pflanzt. Suche dir eine Baumart aus, die dir gefällt: eine Eiche oder einen Olivenbaum, eine Schirmpinie oder eine Feige, eine Kastanie oder einen Apfelbaum. Die Wahl ist deine, die Auswahl ist riesig. Wie machst du das? Gehe zu einer Baumschule und schaue sie dir mal an, die kleinen Bäume…

Es ist Ende November, die beste Zeit, um einen jungen Baum zu pflanzen. Dazu müssen Deine Finger mit der Erde in Kontakt treten. Nimm eine Hand voll Erde von dort, wo du den Baum pflanzen möchtest, zwischen die Finger. Schau sie dir genau an und rieche an der Erde. Prüfe, ob du sie als gut empfindest. Sie sollte weich sein, dunkel und flockig. Du nimmst dir eine Hacke, einen Eimer mit Mulch und eine Gießkanne mit Wasser. Zur Zeit pflanze ich jede Woche mindestens einen Baum. Am vergangenen Samstag habe ich einen Ginkgo-Baum gepflanzt. Wie ging das? Erst einmal habe ich mir Gedanken gemacht, wohin ich ihn pflanzen werde und das dem Baum gegenüber begründet. Ich spreche mit meinen Bäumen vom ersten Tag an. Ich erzähle ihnen Geschichen. Das ist die wichtigste Entscheidung, den richtigen Platz finden. Dein bester Freund soll es gut haben, er braucht gute Erde, viel Wasser im Sommer, wenig im Winter. Und der Ginkgo mag einen windgeschützten Ort und auch andere Bäume, Freunde, mit denen er kommunizieren lernt. Denn der wichtigste Teil eines Baumes ist gar nicht sichtbar. Der wichtigste Teil liegt unter der Erde.

Die schwierigste Phase bei der Aufzucht eines Baumes ist seine Kindheit. Bei uns im Süden Portugals regnet es nicht von Mai bis Oktober. Dein Freund, der Baum muß also (a) sechs Monate absolute Trockenheit überleben, oder aber Du gießt ihn für eine lange Zeit mit mindestens zehn Litern am Tag, während der Monate Juli bis Oktober, während der heißesten und trockensten Periode des Jahres. Aber Achtung, gieße ihn nur abends kurz vor Sonnenuntergang. Dann hat er geügend Zeit wähend der Nacht, das Wasser zu trinken, ohne daß ihm die Sonne das Wasser gleich wieder wegnimmt. Dann kommt (b) hinzu, daß der Sommer bei uns die Zeit ist, in der die Sonne länger und mit mehr Intensität scheint als im Winter. Baue deinem Baum ein Schattendach, das so wirkt, daß der junge Baum in der heißesten Zeit des Tages, zwischen 14 und 18 Uhr gegen Südwesten immer Schatten bekommt. Er wird es dir danken und wachsen. Wenn du eine gute Nase haben solltest, wirst du deinen Baum riechen. Er wird sich freuen, wenn er dich fühlt und Dir ein Parfum widmen. Benutze für das Schattenach Materialien, die jederzeit natürlich wiederzuverwerten sind: vier bis sechs Holzstöckchen aus nachwachsendem Bambus oder Schilf, Sisalbindfaden und Kork. Wenn es dem Baum gut geht, wird er es Dir zeigen. Ich pflanzte vor ein paar Jahren einen Aprikosenbaum. Jedes Jahr am 10. Juni gibt er mir dafür Früchte, keinen Tag später, selten früher, alle geraden Jahre mehr Aprikosen, alle ungeraden Jahre weniger.

Denk dran, wenn Du einen Baum adoptierst, bist du für ihn die erste Bezugsperson und immer für ihn da –  mindestens in den ersten fünf Jahren. Dann sollte er sein Wurzelwerk so tief in die Erde getrieben haben, daß er auch im Spätsommer an das wichtige Wasser kommt. Diese erste Zeit ist sehr wichtig. Du darfst keinen Tag auslassen, denn das könnte deine Arbeit von mehreren Monaten oder sogar Jahren an einem Tag zunichte machen. Denn junge Bäume brauchen Unterstützung beim Wachsen.

Wenn du einen Baum pflanzt, übernimmst du Verantwortung. Du lernst dabei zu beobachten, aufmerksam und achtsam zu werden und zu schauen, ob es deinem Baum auch wirklich gut geht. Falls es ihm nicht so gut geht, wirst du das sehr schnell merken und herausfinden, was du machen könntest, damit es ihm wieder besser geht. Denn Bäume können wie Menschen und Tiere auch krank werden. Pflanze deinen Baum dort, wo er seine Ruhe hat, wo er genügend Platz bekommt. Denke daran, wie er in 30 Jahren aussehen mag, wie groß, stark und welche Maße er einnehmen wird. Pflanze ihn dort, wo er nicht gleich wieder gefällt wird, weil er einem Menschen im Weg steht. Frage Freunde, bespreche mit Freunden, Lehrern, Nachbarn, ob sie mit dir zusammen einen Baum pflanzen, ob sie Platz in ihrem Garten haben – oder sogar ein Waldgrundstück, auf dem du deinen zukünftigen Freund unterbringen darfst. Denn Bäume lieben es, an einem Ort zeitlebens zu verweilen. Sie reisen nicht und wenn, dann nur sehr ungern. Sie lieben es nicht, umgepflanzt zu werden. Nicht umsonst heißt es im Volksmund, einen alten Baum verpflanzt man nicht.

P.S.: Das Pflanzen von Bäumen und die Wiederaufforstung von Wäldern gehört nach wie vor zu den wirksamsten Strategien zur Eindämmung des Klimawandels. Wälder speichern Millionen Tonnen an Kohlendioxyd und produzieren im Tausch dafür Sauerstoff, den wir zum Atmen benötigen. Dies zeigt, dass die weltweite Pflanzung von Bäumen eine der effektivsten Lösungen zur Absenkung des CO2-Spiegels in der Atmosphäre ist. Alle wissenschaftlichen Ergebnisse der Botanik unterstreichen die Möglichkeit der Verringerung des Klimawandels durch globale Wiederaufforstung von Mischwäldern, aber auch den dringenden Handlungsbedarf. Wenn jeder Mensch nur einen einzigen Baum pro Jahr pflanzen würde, verringerten sich die Emissionen um durchschnittlich 25 kg Kohlendioxyd pro Baum und pro Mensch. Die natürliche Lösung unserer Klimaproblematik liegt somit im Besonderen im Wald. Besuche uns in Caldas de Monchique, im Süden Portugals, wo ECO123 in der Zeit von 2020 bis 2030 seinen Botanischen Waldgarten anlegt und 1.001 unterschiedliche Baumarten pflanzt. Unterstütze den Wald vor Ort. Pflanze Deinen eigenen Baum und/oder werde Baumpate. Kontakt: info@eco123.info 

Uwe Heitkamp (60)

ausgebildeter Fernsehjournalist, Buchautor und Hobby-Botaniker, Vater zweier erwachsener Kinder, kennt sei 30 Jahren Portugal, Gründer von ECO123.
Übersetzungen : Dina Adão, John Elliot, Kathleen Becker, João Medronho

Fotos:dpa

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